Lutz Hahn und Jana Langfeldt klettern in den glühend heißen Innenraum des Prototypen, der gut versteckt auf einem Campingplatz im Death Valley parkt. Sitze, Griffe und Taster glühen, denn der getarnte Dreier BMW hat 90 Minuten in der prallen Sonne geparkt. Jetzt gibt es den nächsten Funktionstest - erst einmal ohne Klimaanlage. Daumen hoch - alles scheint zu laufen während das Thermometer im Kombiinstrument 50 Grad anzeigt. Real ist es deutlich heißer, doch die Digitalanzeige des neuen Bayern hat noch einen Fehler - sie zählt nur bis 50 Grad Celsius. Die Temperaturen sind der pure Wahnsinn für Mensch und Maschine. Alltag in der Heißlanderprobung, die regelmäßig zwischen Oxnard und Las Vegas stattfindet.

Gestern am frühen Morgen haben die Tests in einer seelenlosen Hotellobby abseits des kunterbunten Las Vegas Strip begonnen. Draußen hat es 35 Grad und die ersten Spielsüchtigen sitzen bereits vor bimmelnden Daddelmaschinen. Der Spielautomat "Money Storm Link" verspricht die gigantische Blackout-Summe von 1.192,37 Dollar während das Reinigungspersonal die Spielreste der letzten Nacht zusammenkehrt. Die BMW-Entwickler haben keine Augen für die blinkenden Spielautomaten um sie herum, als es in die fünfte Etage des Parkhauses geht, wo abgelegen ein paar durch Tarnüberzüge unkenntlich gemachte Prototypen stehen. Der Arbeitstag beginnt: es geht Richtung Hoover Dam, seit Jahrzehnten eines der der imposantesten Bauwerke in den USA und Lebensader für Las Vegas.

Doch während die meisten hier den Staudamm besichtigen, andere in die nächste Zeitzone nach Arizona stapfen oder das eigene Speedboot zu Wasser lassen, geht es Dirk Hohmann um etwas ganz anderes. Die Wellen, die ihn beschäftigen, zerschellen nicht am Bug des weißen Sportbootes, das gerade auf dem Lake Mead vorbeidonnert, sondern es sind die Störwellen am Hoover Dam. Die riesigen Stromtrassen sind eine harte Prüfung für die automobile Bordelektronik. Funktionieren trotzdem Navigation, digitale Instrumente und die Reifendruckkontrolle? Es passt alles - keine Probleme. "Die magnetischen Wellen sind kaum irgendwo größer als hier", erklärt Entwickler Dirk Hohmann, "aber wir machen die Tests zum Beispiel auch in Los Angeles und San Diego mit den dortigen Militäreinrichtungen." Dass immer mehr Touristen auf die Prototypen oberhalb des Hoover Dams aufmerksam werden, Fotos machen und sogar neben dem getarnten Dreier posieren, stört die Entwickler nicht. Der G20 wurde in den vergangenen Monaten bereits zahlreich abgeschossen und so gibt es nichts Offensichtliches mehr zu verheimlichen. Die wirklichen Details bei Design und Ausstattung lassen sich hinter den Tarnfolien ohnehin nicht erkennen. Bevor es weiter geht, leeren Lutz Hahn und Dirk Hohmann gekühlte Wasserflaschen und steigen wieder in ihre Autos. Noch zweimal über den Hoover Dam und die Messungen kontrollieren bevor es nach Henderson zum statischen Hitzetest geht.

Die Zeit drängt - und wie

Danach stehen in der Nähe von Pahrump dreckige Staubtests in der Steppe an. Nachdem mit einer Sprühdose und einem Lappen alles abgewedelt wird, führt einen die Ash Meadows Road Richtung Devils Hole zwölf Meilen im dichten Staub hin und wieder zurück. Neben dem Staubbild werden auch andere Fahrfunktionen getestet. "Mit den neuen Bremsen, die wir bei diesem G20 verbaut haben, bin ich sehr zufrieden", nickt Dirk Hohmann zufrieden, "und auch die Lenkung passt. Vorhin gab es jedoch ein Schaltruckeln vom Getriebe." Treten derlei Probleme auf, drückt der Entwicklungsingenieur den Trigger, der den Fehler und seine Rahmenbedingungen aufzeichnet. Nach jeder Testfahrt werden die Daten ausgelesen, verarbeitet und etwaige Ungereimtheiten gelöst.

Derzeit gehen die Erprobungen am neuen Dreier BMW in die finale Phase. Im März 2019 kommt die Mittelklasselimousine als neuer Konkurrent der jüngst überarbeiteten Mercedes C-Klasse und des Audi A4 auf den Markt. Ganz so viel Zeit hat Thomas Bäumer nicht mehr. Er leitet das Projekt Dreier BMW und so laufen bei ihm nicht nur alle Fäden bei Entwicklung und Tests zusammen, sondern auch alle Probleme ein. Wie sehr die Zeit drängt, sieht Bäumer jeden Morgen, wenn er sein nüchternes Büro in der zweiten Etage des BMW-Entwicklungszentrums FIZ betritt. Eine rot schimmernde Digitaluhr zeigt ihm unweigerlich, wie viele Tage es noch bis zum Produktionsstart des neuen Dreiers sind. Thomas Bäumer und sein Team liegen gut in der Zeit, doch es gibt keinen Grund für Entspannung, auch wenn in den vergangenen knapp drei Jahren fast jedes noch so große Problem gelöst wurde, das sich den Entwicklern stellte. Mal wollte das Designelement des Fensterrahmens an der C-Säule nicht passen, man war der Durchmesser der Kabelstränge hinter den Innenverkleidungen zu klein und mal pfiffen die Lüfterklappen. Jetzt stehen nur noch Detailarbeiten und Validierungen an, ehe das neue Mittelklassemodell aus München in Produktion gehen kann.

Der Teufel im Detail

Nachdem die Regelsysteme im winterlichen Skandinavien auf rutschige Pisten abgestimmt wurden, geschah gleiches auf den hauseigenen Teststrecken von Miramas, Aschheim oder dem Nürburgring auf griffigem Terrain. Bei Dauerläufen in der ganzen Welt wurden hunderttausende von Kilometern zurückgelegt, denn schließlich gab es von den BMW-Verantwortlichen die Vorgabe, den Dreier wieder zum sportlichsten Fahrzeug seiner Klasse zu machen. Hieran hatte es beim Vorgänger gehapert - insbesondere, weil die Konkurrenz aus Stuttgart und Ingolstadt mächtig draufgesattelt hatte. Der neue WLTP-Verbrauchszyklus setzte nicht nur die Motorenentwickler unter zusätzlichen Druck, weil die Kapazitäten für Prüfstände in ganz Europa Mangelware sind und selbst jede einzelne Felge nun nebst Auto in den Windkanal muss. Seit Projektbeginn spiegeln Entwickler aus der ganzen Welt Probleme jedweder Art zurück in die Zentrale. Nach der heutigen Bergfahrt zum Mount Whitley funktioniert bei einem der Prototypen die Messelektronik nicht. Eilig setzt sich Entwickler Dirk Hohmann in einer abgelegenen Ecke von Lone Pines am Straßenrand das Headset auf und verbindet sich mit seinem Stützpunkt in Oxnard. Aufatmen: das Problem ist nach fünf Minuten gelöst - die so wichtige Messelektronik tut es wieder und es geht weiter zu den Hitzetests ins Death Valley.

Nach dem Entfernen der Tarnmatten zeigt ein Blick ins Innere des BMW 3ers die Fortschritte des vergangenen Jahres. Einst hatte Projektleiter Thomas Bäumer zum Beispiel das Nahtbild der Kunstlederbespannungen an Sitzen und Armaturenbrett Sorgen gemacht. Jetzt gibt es an den USA zu beliebten Basissitzen nichts zu meckern und auch das scheinbar nicht enden wollende Problem mit den Lautsprechergittern ist gelöst. Die Gradwinkel wurden aufwendig geändert - jetzt passt es. Derweil ist die Sonne über der Spielerstadt Las Vegas untergegangen und das Entwicklergespann rückt am Samstagabend noch einmal aus auf den Strip. Auf der Vergnügungsmeile tummeln sich vor Casinohotels wie MGM Grand, Aria, Mirage und Wynn tausende von Touristen. Der dreispurige Las Vegas Strip hat den üblichen Dauerstau und das Thermometer zeigt stramme 44 Grad. Der nächste Stresstest für Klimatisierung, Motor und Getriebe des neuen Dreiers nachdem man vergangene Woche eine mehrere tausend Kilometer lange Testtour von der Westküste bis tief in die Rocky Mountains hinter sich gebracht hat. Doch noch gibt es einiges zu tun - und nicht nur die Digitaluhr im Büro von Thomas Bäumer tickt.

Sie möchten gerne weiterlesen?