Die Transformation ins digitale Zeitalter wird vorangetrieben. Zwei Hände berühren sich mit der Zeigefingerspitze.

Die Transformation ins digitale Zeitalter gelingt nur dem, der den Willen zum Wandel auch lebt. (Bild: Daimler)

Für Daimler-Chef Dieter Zetsche hat die Digitalisierung höchste Priorität, wie sich am Leitspruch „go digital or go home“ ablesen lässt. Doch wer mit knackigen Mottos wirbt, muss auch liefern – selbst der derzeit erfolgreichste Premium-Autobauer. Der digitale Wandel, der in der Öffentlichkeit gerne durch glanzvolle Produktpräsentation zelebriert wird, muss jedoch nicht nur in den Fahrzeugen oder an den Bändern sichtbar sein, sondern im Unternehmen selbst. Es ist längst nicht damit getan, dass sich die Autobosse und ihre Entourage seit Neuestem ohne Krawatte bei öffentlichen Auftritten zeigen. Ob mit oder ohne Krawatte – die Digitalisierung wird die Unternehmensorganisationen umkrempeln. Das scheint bei manchen Managern noch nicht angekommen.

Team Daimler 4.0: Dieter Zetsche, Sabine Scheunert und Wilfried Proth
(Bild: Daimler)

Der digitale Wandel geht mit einem Paradigmenwechsel der bisherigen Führungskultur einher: Das erfordert nicht weniger als den Abschied von liebgewonnenen Privilegien. Vorbei die Zeiten, in denen Herren in Nadelstreifen autoritär von oben nach unten lenkten. In deren Fahrwasser wurde die Karriere der nachfolgenden Führungsebenen vorangetrieben. Doch das ist ein Auslaufmodell, stellte die empirischen Studie „Kompetenzen für eine digitale Welt“ des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE im Auftrag von Personaldienstleister Hays fest. Die Themen Flexibilität/Veränderungsbereitschaft stehen ganz oben auf der Liste der Herausforderungen für Personalverantwortliche (im Vergleich zum letzten Jahr ist die Relevanz von 25 auf 34 Prozent angestiegen). Nach wie vor ist die mangelnde Zeit für Führungsaufgaben der wichtigste Stolperstein für Führungskräfte (81  Prozent). Danach folgt das mangelnde Loslassen der Mitarbeiter (70 Prozent) und die Wahl des richtigen Führungsstils (59 Prozent). Die drei größten organisatorischen Herausforderungen in der Digitalisierung sind das Managen der zunehmenden Komplexität in der Kooperation (58  Prozent), gefolgt von der Anpassung der Führungskultur an flexible Arbeitsmodelle (53  Prozent) und der Entwicklung neuer Vernetzungsformen (50  Prozent).

Bei Daimler scheint das angekommen zu sein. Das Unternehmen implementiert neue agile Arbeitsformen. Wer das macht, lockt als innovativ geltender Arbeitgeber gesuchte Talente. Auch die Beschäftigten goutieren das. Ein Indiz dafür ist eine Verdopplung der Teilnehmerzahl beim DigitalLife Day am Standort Ludwigsburg im Vergleich zum Vorjahr. Eintausend Mitarbeiter hörten dort Ende Mai ihren Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche  sagen: „Gibt man exakte Vorgaben, bekommt man bestenfalls das Erwartbare. Gewährt man dem Team mehr Freiraum, können Ideen entstehen, die weit darüber hinausgehen.“ 

70% Prozent der Führungskräfte fällt das Loslassen der Mitarbeiter schwer.

Darum gestaltet der Vorstand mit Wilfried Porth, zuständig für Personal im Daimler-Kosmos, die Hierarchielandschaft aktiv um. In den Fokus rücken zunächst und konsequenterweise die Abteilungen, die den digitalen Wandel des Unternehmens nach außen vertreten. Wie die von Sabine Scheunert, Vice President Digital & IT Marketing/Sales Mercedes-Benz. Seit 2016 ist sie verantwortlich für die digitale Einheit bei der Auto-Unit des Konzerns. Eine ihrer Aufgaben ist unter anderem, das digitale Kundenerlebnis der Marke Mercedes-Benz nach vorne zu bringen. Dazu gehören die neuen Mobilitätsdienstleistungen, die sich unter anderem in der Mercedes-App „Mercedes me“ bündeln. Scheunert, zuvor schon bei anderen Autounternehmen in führender Position, definiert den Geschäftszweck, der sich unter anderem in Mercedes me widerspiegelt, als einen 360-Grad-Service für Kunden. Also das Prinzip der erfolgreichen Internetplattformen. Über Mercedes me will man einen direkten und permanenten Kundenkanal aufbauen. Neben Mobilitätslösungen soll hier alles gebrandet werden, was der Kunde wünscht, auch wenn er es noch gar nicht weiß. Am Ende sollen die Innovationen des internationalen Teams von Scheunert die Kunden durch ein großes Dienstleistungsportfolio an die Marke binden. Das soll vor allem dadurch gelingen, indem man immer ein µ (Mü) vor allen Wettbewerbern ist. Dass Daimlers Weg der Richtige ist, bestätigt die aktuelle Digitale Trend-Studie von Adobe: „Für die kommenden Jahre betrachten die Unternehmen aller Art das Kundenerlebnis als den bei weitem wichtigsten Faktor für die Differenzierung ihrer Märkte und Produkte. Dass bedeutet eine völlige Umstrukturierung der Unternehmen, denn das Kundenerlebnis hat direkte oder indirekte Auswirkungen auf alle Abteilungen“, sagten 14.000 befragte Fachleute.

Das ist damit eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die derzeit in der Branche zu vergeben ist und dafür braucht man eine Mannschaft, die gemäß Daimlers Claim „Das Beste oder nichts“ innovativ, unkonventionell und vor allem rasch reagiert. Um die Besten dafür zu bekommen, greift man bei Daimler auf ein Modell der Tierwelt zurück, die Schwarmorganisation. Ein Fünftel der Belegschaft, so die Ankündigung von Dieter Zetsche, sollen mit dieser Form arbeiten. Umsetzen müssen das neben dem Tagesgeschäft die Führungskräfte, eben solche, wie Sabine Scheunert. Sie unterstützt die acht Teams: „Wir nennen sie Game Changer“, sagt Wilfried Porth.

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