Volkswagen-Werk in Kassel.

Wegen der geschönten CO2-Werte bekommt VW nun Besuch von der Staatsanwaltschaft. (Bild: Volkswagen)

Das erklärte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Als denkbare Delikte kämen zunächst sowohl Betrug als auch unlauterer Wettbewerb infrage.

Damit droht dem VW-Konzern eine strafrechtliche Ausweitung des Abgas-Skandals, bei dem die Staatsanwaltschaft ohnehin schon wegen der Software-Manipulationen an Dieselfahrzeugen ermittelt. VW hatte am Dienstag zudem mitgeteilt, “dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden”. Es geht um 800.000 Autos. Wie, wann und mit wessen Beteiligung die Falschangaben zustande kamen, ist noch unklar.

Auch die EU-Kommission schaltet sich in den Skandal um Abgase ein, bei dem europaweit viele Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Die Brüsseler Behörde kündigte an, nationale Regulierer und deren Kfz-Zulassungswesen unter die Lupe zu nehmen.

EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, die am Donnerstag zu Gesprächen nach Berlin gereist war, wollte dort auch mit dem neuen VW-Markenchef Herbert Diess sprechen. Der Termin fiel jedoch nach Angaben der Kommission ins Wasser. Aus Kreisen der Behörde hieß es, man sei über die Absage von Volkswagen enttäuscht.

Milliardenverlust für den Fiskus?

In der Debatte um Abgase kam auch der Vorwurf auf, dem Fiskus entgingen Milliarden Euro. Konkret fehlten dem Staat wegen manipulierter Abgaswerte laut Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro an Kfz-Steuer. Diese Steuer ist auch an den Verbrauch und Ausstoß des klimaschädlichen CO2 gekoppelt.

Die Software-Manipulationen von europaweit 8,5 Millionen Dieselwagen des VW-Konzerns beschäftigen im Landeskriminalamt Niedersachsen schon seit Tagen eine 20-köpfige Sonderkommission. Das VW-Geständnis zu den falschen Angaben für den Spritdurst und CO2-Ausstoß könnte nun eine zweite strafrechtliche Front eröffnen, falls die Vorprüfung auch bei diesem Thema Handlungsbedarf ergeben sollte. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte: Sollten sich die Hinweise konkretisieren, sei davon auszugehen, dass die beiden Stränge – Software-Manipulation und CO2-Zertifizierung – in getrennten Verfahren weiterliefen.

In einer sogenannten Vorprüfung wird geklärt, wie konkret sich ein Anfangsverdacht erhärten könnte. Wird dieser bejaht, folgt in aller Regel ein Ermittlungsverfahren, in dem die Staatsanwaltschaft dann Be- und Entlastendes sucht. Dabei kann es Hausdurchsuchungen geben – so wie im Verfahren zu den Software-Manipulationen schon geschehen.

Der DUH zufolge können die fehlenden Milliarden bei der Kfz-Steuer die Autofahrer womöglich Geld kosten. Denn rein rechtlich gesehen wären die Autokonzerne derzeit nicht zu einem Ausgleich verpflichtet.

“Steuerschuldner ist der Fahrzeughalter”, sagte der Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH berät, in Berlin. Damit Verbraucher, die in gutem Glauben ein Fahrzeug gekauft hätten, nicht auf den Kosten sitzenblieben, müsse die Verantwortung dafür auf den Hersteller übertragen werden – durch eine entsprechende Vereinbarung.

Bei den zehn in Deutschland am häufigsten zugelassenen Pkw-Modellen lag der Spritverbrauch laut DUH zuletzt im Schnitt um 42 Prozent über den offiziellen Angaben. Nach Einschätzung der Umweltorganisation ist das Erreichen des EU-Klimaziels bei Neufahrzeugen für das Jahr 2020 durch die nun aufgedeckten Betrügereien unrealistisch geworden. Denn die von VW festgestellten Falschangaben bei den CO2-Emissionen von 800.000 Fahrzeugen seien nur “die Spitze des Eisbergs”.

Die EU-Kommission will den Skandal jedenfalls zum Anlass nehmen, um Druck auf nationale Zulassungsbehörden auszuüben. “Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten haben versagt”, sagte Bienkowska der Süddeutschen Zeitung. “Wir wollen künftig kontrollieren und überprüfen, ob die nationalen Behörden ordnungsgemäß arbeiten.” Zudem sollten die Mitgliedstaaten die Ergebnisse von Fahrzeug-Tests untereinander austauschen.

Die EU-Kommission werde im Dezember Details zu den Plänen vorstellen, die dann mit den EU-Staaten und dem Europaparlament abgestimmt werden müssen, sagte Bienkowska. Mit Blick auf VW betonte sie: “Es geht nicht darum, Geld zu zahlen, und dann ist der Fall vorbei. Wir müssen Gewissheit haben. Es geht darum, das ganze System zu ändern.”

Derweil will Volkswagen bei der zivilrechtlichen Aufarbeitung Zeit gewinnen. Für Stellungnahmen zu drei Schadensersatz-Verfahren habe der Konzern um sechs Monate Aufschub gebeten, sagte ein Sprecher des Landgerichts Braunschweig am Donnerstag. «Das ist ungewöhnlich lang.» VW begründete sein Anliegen mit der Komplexität der Verfahren.

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dpa/gp

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