Strategie Daimler Ola Källenius

‚Wo geht’s lang, Herr Källenius?’ Ende August läuft die bei Managerwechseln gern bemühte 100-Tage-Schonfrist für den Schweden ab. Seinen Masterplan will der im Mai angetretene Nachfolger von Langzeit-Chef Dieter Zetsche aber auch darüber hinaus noch eine Weile für sich behalten. (Bild: Daimler)

Eine Sache hat der neue Chef auf jeden Fall schon geändert: Auch beim Autobauer Daimler hat der Vorstandsvorsitzende jetzt einen offiziellen Twitter-Account. Allerdings gibt sich Ola Källenius dort bislang ziemlich schweigsam. Und auch sonst hat er noch nicht viel zu seiner Strategie durchblicken lassen, mit der er den zuletzt arg schwächelnden Stuttgarter Autobauer wieder zurück zum Erfolg führen will. Ende August läuft die bei Managerwechseln gern bemühte 100-Tage-Schonfrist für den Schweden ab. Seinen Masterplan will der im Mai angetretene Nachfolger von Langzeit-Chef Dieter Zetsche aber auch darüber hinaus noch eine Weile für sich behalten.

Dass Källenius seinen frisch eingerichteten Twitter-Kanal nutzen könnte, um künftig im Stil von Tesla-Chef Elon Musk immer mal zwischen Tür und Angel was rauszuhauen, darf ohnehin getrost ausgeschlossen werden. Zu spontanen öffentlichen Äußerungen neigt der 50-Jährige ebenso wenig wie sein Vorgänger Zetsche, dem er im Daimler-Vorstand jahrelang zunächst als Vertriebs- und dann als Entwicklungschef gedient hat. Dass Källenius persönlich Ende Juli in einer Erklärung Stellung gegen rechte Umtriebe im Mercedes-Werk in Stuttgart-Untertürkheim bezog, brachte ihm viel Lob ein.

Was er bisher an Zahlen verkünden musste, war dagegen wenig glanzvoll: Gleich zweimal innerhalb weniger Wochen korrigierte Daimler seine ohnehin zurückhaltende Prognose für das laufende Jahr nach unten. Zum ersten Mal seit Jahren rutschte der Autobauer in die roten Zahlen.

Schuld daran sind zwar in erster Linie Sondereffekte, deren Ursachen weit zurück reichen. So legt der Konzern Milliarden für Rechtsstreitigkeiten und Rückrufe unter anderem im Zusammenhang mit dem Dieselskandal zurück. Das normale Geschäft läuft aber auch nicht so richtig rund. Der Anlauf neuer Modelle stockt, der Absatz im ersten Halbjahr schwächelte, während auf der anderen Seite der Aufbau der Elektroautomarke EQ und die Forschung am automatisierten Fahren riesige Summen verschlingen.

„Die Zahlen sind alles andere als zufriedenstellend“, hatte Källenius ohne Umschweife zugegeben und Besserung versprochen, Details blieb er bislang allerdings weitgehend schuldig. Er will alles noch mehr straffen und effizienter machen, Kosten sparen, wo es geht, und womöglich auch Hand an die Modellpalette legen, deutet er an - und bittet ansonsten um Geduld. Erstmal soll das Problem mit der mangelnden Verfügbarkeit der Fahrzeuge gelöst werden. Mitte November, sagt Källenius, werde er dann ein Gesamtpaket zur Strategie für die kommenden Jahre vorlegen.

Liste der Daimler-Baustellen ist lang

„Aus meiner Sicht ist das ein angemessener Zeitplan“, sagt Branchenanalyst Arndt Ellinghorst von der Investmentberatung Evercore ISI. Man solle nicht vergessen, dass sowohl Källenius als Vorstandschef als auch Finanzvorstand Harald Wilhelm neu auf dem Posten seien. „Die Lage der deutschen Premiumhersteller ist sehr bedenklich - da sollte sich Daimler genügend Zeit nehmen, einen nachhaltigen Plan zu entwickeln“, sagt Ellinghorst.

Die Liste der Baustellen ist in der Tat lang und enthält auch jenseits des Diesel-Theaters viele Unwägbarkeiten. Die EU macht Druck mit sinkenden Grenzwerten für den CO2-Ausstoß. Daimler plant auch deshalb für das Jahr 2025 mit bis zu 25 % Elektroanteil bei den Neuwagen-Verkäufen. Ob die Kunden da mitziehen, ist aber offen. Die neue EQ-Serie läuft gerade erst an. Bis 2039 will der Autobauer seine Neuwagen-Flotte dann komplett CO2-neutral machen, wobei auch da viele Details noch nicht geklärt sind.

Dazu steckt der Konzern gerade mitten in einem Konzernumbau, der den bisweilen etwas behäbigen Riesen in selbstständige Sparten aufteilen und damit schneller und wendiger machen soll. Investoren hoffen noch immer, dass Daimler dann die Lastwagen-Sparte einzeln an die Börse bringen könnte - was offiziell derzeit aber kein Thema ist.

Aktiv Personal abbauen, um all die teuren Projekte zu bezahlen, will Daimler auch nicht - was nicht heißt, dass die Zahl der Mitarbeiter nicht trotzdem sinken wird. „Wir haben auch, das sage ich ganz deutlich, Stellenabbauziele“, hat der Chef der zuletzt schwer defizitären Van-Sparte, Marcus Breitschwerdt, erst vor einigen Tagen betont. Vor allem auf den diversen Management-Ebenen will Daimler schlanker werden, frei werdende Stellen nicht wieder besetzen.

Auf der anderen Seite will der Betriebsrat gerne verhindern, dass der Konzern aus Kostengründen wichtige Teile der Elektro-Produktion an externe Zulieferer vergibt. Im Herbst wird über die Fertigung des elektronischen Antriebsstranges in Untertürkheim verhandelt. Über die künftige Rolle des Werks hatten Konzern und Arbeitnehmervertreter schon 2017 wochenlang gestritten.

Spannend bleibt, ob Källenius im November gleich auf alles eine Antwort parat haben wird. Die Erwartungen dürften in jedem Fall enorm sein. Eine Ankündigung des neuen Vorstandschefs hat sich immerhin schon erfüllt: Die Verkaufszahlen sahen zum Start ins zweite Halbjahr schon deutlich besser aus.

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dpa