Vor acht Jahren war es eine Hochzeit im Tiān (chinesisch: Himmel). BYD und Daimler verkündeten, dass das 2010 geschlossene Joint Venture ein Elektroauto der Marke Denza produzieren werde. "Die spannende neue Marke Denza ist ein weithin sichtbares Gütesiegel für das moderne Design und die fortschrittliche Technologie dieses innovativen Fahrzeugs, die bei den Kunden hier in China mit Sicherheit sehr gut ankommen wird", sagte Ulrich Walker, der damalige Chairman & CEO Daimler Northeast Asia und Vorsitzender des BDNT-Direktoriums.

Diese Einschätzung war mehr als das übliche Marketing-Rosenwasser, das bei solchen Anlässen gerne über die Anwesenden ausgegossen wird. Der Automarkt China galoppierte und ein lokal produziertes Elektroauto schien genau das passende Produkt zu sein, um satte Gewinne einzufahren. Doch die hehren Träume mussten der harten Realität weichen. Ulrich Walker heuerte bei Borgward an und aus dem optimistischen Projekt ist mittlerweile ein Problemfall geworden.

Trotz eines Facelifts, das den Denza 500 im Jahr 2018 vor allem von hinten näher an ein Mercedes T-Modell rückte, blieben die Verkaufszahlen im Keller. In den rund sechs Jahren, die der Denza 500 auf dem Markt war, verkaufte das Joint Venture gerade mal rund 14.000 Fahrzeuge. Diese Zahl ist umso bestürzender, als während dieses Zeitraums der chinesische Automarkt boomte.

Mercedes-Chef trifft knallharte Entscheidungen

Das "Handelsblatt" will erfahren haben, dass das Bündnis mit Denza in Stuttgart-Untertürkheim intern als "Desaster" eingestuft wird, das eher Klotz als Bein als Goldesel ist. Die Absatzzahlen im Reich der Mitte bestätigen die düstere Einschätzung. Laut "Carsalesbase.com" haben sich im vergangenen Jahr 4.175 Käufer für einen Denza entschieden - und das, obwohl mit dem Denza X vor einem Jahr ein Elektro-SUV auf den Markt gebracht wurde, das den Nerv der Autofahrer im Reich der Mitte treffen sollte.

Doch auch in China werden den Händlern die Autos nicht mehr aus der Hand gerissen werden, nur weil der Federweg lang und der Motor mit Strom betrieben wird. Noch wollen die Partner nicht die Joint-Venture-Flinte ins Korn werfen und halten nach außen hin ehern an der Marke Denza fest. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass sich die offiziellen Verlautbarungen als verbale Nebelkerzen erweisen.

Mercedes hat mehrere Optionen

Zumal Mercedes-Chef Ola Källenius bei aller skandinavischen Freundlichkeit nicht davor zurückscheut, knallharte Entscheidungen zu treffen, um den finanziell in Schieflage geratenen Autobauer wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. In einem Video, mit dem der Konzernlenker sich vor einigen Monaten direkt an die Mitarbeiter wandte, hat Källenius seine Pläne dargelegt. "Die Strategie zielt darauf ab, uns auf die erfolgskritischen Aktivitäten zu konzentrieren: Elektrofahrzeuge auf eigenständigen Plattformen und proprietäre Fahrzeug-Software. Wir werden die Strukturkosten angehen und wollen eine starke und nachhaltige Profitabilität erreichen", das heißt im Klartext: Alles, was kein Geld in die Kasse spült, wird auf den Prüfstand gestellt und ohne große Emotionen auch auf dem Schrottplatz entsorgt.

Das fängt bei Ausstattungsvarianten an und hört bei Modellen auf. Die Mercedes X-Klasse, ein Produkt der Kooperation mit Nissan, ist ein Beispiel; die defizitäre Stadtflohmarke Smart ein anderes. Die stirbt zwar nicht ganz, allerdings wandert die Produktion nach China. Das zeigt, dass der schwäbische Autobauer nicht mehr auf Gedeih und Verderb auf das Bündnis mit BYD angewiesen ist, um im Reich der Mitte langfristig erfolgreich zu sein. Interessanterweise sind beide genannten Modelle beziehungsweise Projekte ein Ergebnis aus der Verbindung zwischen Dieter Zetsche und dem ehemaligen Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn. Und es ist kein großes Geheimnis, dass Källenius nicht zwingend mit dem Kurs seines schnauzbärtigen Vorgängers übereinstimmt und alles daran setzt, seine eigene Duftmarke zu setzen.

Nach anfänglichem Fremdeln gibt Daimler Geely immer mehr von der Bettdecke. Zusammen sollen ab dem Jahr Verbrennungsmotoren in China produziert werden und das E-Smart SUV bauen beide gemeinsam - vermutlich ein Testballon für weitere Projekte. Elektro-Expertise und Technik hat Geely ja durch Volvo/Polestar mehr als genug im Regal. Und die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer BAIC gestaltet sich auch prächtig. Letztendlich wird der Denza X die letzte Patrone in dem Lauf des Joint Ventures sein. Ein Hebel, dass das Fahrzeug doch noch zum Erfolg wird, könnte eine Veränderung des Vertriebsbnetzes sein. Für den chinesischen Autofahrer ist Denza eine lokale Marke, das Elektro-SUV aber nur bei speziellen Mercedes-Autohäusern erhältlich. 

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