Als die amerikanische Autoindustrie vor knapp zehn Jahren am Boden lag, General Motors wankte und Chrysler schließlich von Fiat geschluckt wurde, kam Ford mit einem blauen Auge vergleichsweise glimpflich davon. Ohne milliardenschwere Zuwendungen der US-Regierung schlingerte sich das blue oval wieder in sicheres Fahrwasser; deutlich weniger beschädigt als die direkte Konkurrenz. Kosten wurden gesenkt, das Modellprogramm gestrafft und neue Leute geholt. Doch die Ford Motor Company war zu sehr in sich gefangen; wichtige Reformen blieben auf der Strecke und der vermeintlich große Schnitt in den großen Regionen USA, Asien, Europa und Südamerika bliebt aus. Insbesondere verpasste Ford mehr als viele andere Hersteller den Trend zu den immer beliebter werdenden SUV. Speziell in Europa fuhr man der Konkurrenz lange hinter her und in die China agierten die Verantwortlichen zu zögerlich. Jetzt will der Autobauer, der mit der Massenfertigung von Fahrzeugen wie dem Model T vor einem Jahrhundert für die Massenmobilisierung sorgte, neue Wege gehen. Der Druck ist groß, denn der Handelsstreit zwischen China und den USA hatte die Nachfrage auf dem am stärksten wachsenden Weltmarkt zuletzt vehement nach unten sacken lassen.

Dabei hatte Ford die Preise für Modelle der Marken Ford und Lincoln in China zunächst um zehn Prozent gesenkt, nachdem das chinesische Wirtschaftsministerium seine Einfuhrzölle reduzierte. Aufgrund des Wirtschaftskrieges zwischen China und den USA unterliegen Autos seit dem 6. Juli jedoch einem zusätzlichen Strafzoll von 25 Prozent, den Ford nicht an seine Kunden weitergeben wollte, um nicht weiter abzusacken. Die Strafsteuern machen den Amerikanern das Leben derzeit besonders schwer. Problematisch, weil der Autobauer aus Dearborn bis zum Jahre 2025 insgesamt 50 neue China-Modelle vorstellen wollte. Doch noch werden viele Autos eingeführt, während sich die lokale Produktion erst sukzessive aufbaut. Erst 2020 sollen beliebte SUV-Modelle wie der Bestseller Explorer oder die beiden Lincoln-Versionen MKZ und MKC lokal in China vom Band laufen. Kurzfristig bringt das wenig und so gehen die Analysten von IHS davon aus, dass die Produktionsvolumen von Ford in China von über 822.000 im vergangenen Jahr in 2018 auf rund 610.000 Fahrzeuge zurückgehen.

Verkäufe. Da kommt ein Modell wie der China-SUV namens Territory gerade recht. Der kompakte Crossover wurde zusammen mit Joint-Venture-Partner Jiangling Motors Corporation entwickelt und ist als Benziner, 48-Volt-Mildhybrid und Plug-in-Hybrid erhältlich. "Der Territory ist ein wichtiger Beweis dafür, wie wir in China wachsen werden. Er wird für junge Familien und neue Käufer in ganz China erschwinglich sein", erläutert Peter Fleet, CEO von Ford Asia, "nicht nur für die Küsten-Megastädte." Das kompakte Modell wird im JMC-Werk Xiao Lan hergestellt und soll Anfang 2019 auf den Markt rollen. Doch damit nicht genug. Ford hat seine SUV-Schwäche mittlerweile erkannt und arbeitet an einem weiteren Kompakt-Crossover, der technisch mit den Modellen Focus sowie Escape verwoben ist und dabei optische Anleihen des alten Bronco tragen soll. Der Konkurrent für Toyota RAV4, VW T-Roc oder Jeep Renegade feiert sein Debüt jedoch frühestens in einem Jahr. Der Neuling kommt damit nahezu zeitgleich mit dem neuen Ford Bronco, der 2020 neu aufgelegt wird und dabei als erhoffte US-Ikone die zukünftige Ranger-Plattform nutzt. Ursprünglich sollte im Gegenzug der Focus Active aus China in die USA importiert werden. Doch nach Angaben von Kumar Galhotra, Präsident von Ford North America, wurden die Pläne durch die jüngste Strafabgabe von 25 Prozent gestrichen, da der Wagen nicht mehr gewinnträchtig verkauft werden könne.

Verluste in Europa

Die Streichung des Focus Active ist jedoch nur ein kleiner Schritt in der Straffung des Ford-Modellprogramms. Immer noch werden rund 80 Prozent der in den USA verkauften Ford-Fahrzeuge auch auf dem Heimatmarkt gebaut, weitere 15 Prozent werden in den Nachbarländern Kanada und Mexiko montiert. Der Autobauer aus Dearborn hatte jüngst dem One Ford-Programm abgeschworen und setzt aus Kostengründen zukünftig weltweit nur noch auf fünf Plattformen. Der oberste Produktplaner Hua Thai-Tang bestätigte jüngst, sich zukünftig auf fünf statt bisher neun globale Fahrzeugarchitekturen zu beschränken. Die modularen Architekturen umfassen Hinterradantrieb, Allradantrieb mit Rahmen, Frontantrieb- / Allrad, kommerzielle Vans (Hinterrad / Allrad) sowie eine spezielle Elektroplattform. Die einst so beliebten Mittel- und Oberklasselimousinen stehen bei den amerikanischen Händlern dabei wie angelaufenes Blei. Nachdem der Five-Hundred bereits vor Jahren eingestellt wurde, der Dauerbrenner Crown Victoria als Liebling aller Taxler und Polizisten keinen Nachfolger bekam, betrifft das mittlerweile auch Modelle wie Taurus und Fusion. Da überrascht es nicht, dass Ford nach Angaben von Mark LaNeve, verantwortlich für Vertrieb und Marketing, seine landesweiten Werbekampagnen für Limousinen mittlerweile eingestellt hat. Während der Fusion noch ein paar Jahre im Programm bleiben soll, wird die Produktion der Modelle Fiesta und Taurus wohl 2019 enden. Würde selbst der Fusion wackeln, bekäme auch die Kölner Ford-Zentrale ein Problem, denn das Mittelklassemodell Fusion ist Plattformgeber des europäischen Mondeo sowie von Galaxy und S-Max. Doch nach Aussagen der europäischen Außenstelle soll der Mondeo auch in Zukunft im Europa-Programm bleiben. Und das obschon Gerüchte um Massenentlassungen seit längerem die Runde machen. Ford of Europe würde unter dem sich androhenden harten Brexit im kommenden Frühjahr besonders leiden. England ist einer wichtigsten Märkte für die Kölner.

Das europäische Geschäft des US-Unternehmens verzeichnete in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Verlust von 73 Millionen US Dollar; 2017 gab es im gleichen Zeitraum immerhin noch einen schmalen Gewinn von 88 Millionen US Dollar. "Wir sind sehr unzufrieden mit unserer Leistung in Europa", sagt CEO Jim Hackett, der Mark Fields ablöste, "der leistungsschwache Teil unseres Portfolios stellt einen Großteil unseres Volumens, unseres Umsatzes und unseres Kapitals in der Region dar", legt Finanzvorstand Bob Shanks nach. Importmodelle wie Transit, Kuga, Ranger, Edge und Mustang haben demnach einen überproportionalen Beitrag an Fords profitablen Fahrzeugverkäufen in Europa.

Es ist jedoch nicht nur der falsche Modellmix, der Ford in Europa hart getroffen hat, denn auch der Brexit hat Probleme verursacht, indem der Rückgang des Pfunds das Ergebnis belastete. Allerdings hat Ford auf viele Kundentrends deutlich langsamer als die Konkurrenz reagiert. Dabei sind Kernmodelle wie Fiesta, Focus und Mondeo besonders stark von der veränderten Kundennachfrage betroffen. Problem: SUV-Modelle wie der Ecosport oder der Edge sind dabei zu wenig auf europäische Kunden zugeschnitten. Größere SUV wie den Explorer oder Expedition gibt es ebenso wenig, wie das amerikanische Massenmodell Ford F-150 und seine größeren Brüder aus der F-Familie. Auch bei alternativen Antrieben wie Hybriden und Elektroautos fährt Ford bisher hinterher

Nichts scheint mehr gesetzt und besonders in Europa soll bald ein anderer Wind wehen. Nachdem Ford erstmals vor zwei Jahren dem Pariser Automobilsalon fernblieb und damit Wettbewerber Volkswagen ein Vorbild für die diesjährige Messe an der Seine war, wurde auch der imageträchtige Genfer Automobilsalon 2019 vom Kalender gestrichen. Auch beim Pariser Salon 2018, der kommende Woche beginnt, bleibt Ford wieder außen vor. Während sich Ford in Europa rar macht, sieht das am Stammsitz in der Nähe von Detroit ganz anders aus. So kaufte der Autobauer aus Dearborn vor einigen Monaten die legendäre Michigan Central Station, den ehemaligen Bahnhof im Detroit Corktown Distrikt. Die historischen Gebäude des Corktown Campus sollen in den nächsten Jahren Teil eines Mobilitätskorridors von Ann Arbor über Dearborn nach Detroit werden.

Sie möchten gerne weiterlesen?