Es passiert immer alle paar Jahre: Maserati erfindet sich neu. Nach Phasen, in denen attraktive Modelle den Umsatz beflügeln, passiert erst einmal nichts. Oder zumindest viel zu wenig. Dann muss ein Neustart her - mit neuen Strategien und neuen Modellen. In so einer Phase befindet sich Maserati gegenwärtig. Die beiden Sportlimousinen Ghibli und Quattroporte - beide bereits vor sieben Jahren vorgestellt - und das SUV Levante aus dem Jahr 2016 sorgten zunächst für neue Rekordzahlen. Doch inzwischen ist man von den selbst gesteckten, immer wieder reduzierten Zielen meilenweit entfernt. Statt der ursprünglich erhofften Jahresproduktion von 100.000 Fahrzeugen sanken die weltweiten Stückzahlen im vergangenen Jahr auf bittere 19.300. Dagegen kämpft Maserati nun mit einem Programm an, das Corona-bedingt fast ein halbes Jahr verspätet vorgestellt wurde. Höchste Eisenbahn ist es auf jeden Fall. Und wie man es Italien liebt, wird das Ganze pompös verpackt: "Zeit, mutig zu sein" trägt es als Titel, was ein bisschen nach "Mit dem Rücken zur Wand stehen" klingt.

Seit vor einigen Jahren der inzwischen verstorbene CEO von Fiat Chrysler Automobiles (FCA), Sergio Marchionne, die Sportwagenmarke zur künftigen Elektrospitze des Konzerns ausrief, ist wenig passiert. Dass die Teslas und Taycans dieser Welt links und rechts an Maserati vorbeisurren, ließen die Italiener bislang geduldig mit sich geschehen. Jetzt kämpfen sie dafür gleich an mehreren Fronten. 2022 wird mit den Sportwagen GranTurismo und GranCabrio ein Geschwisterpaar an den Start gehen, das erstmals vollelektrisch fährt. Außer dass sie gerade in Modena entwickelt und später in Grugliasco gebaut werden sollen, ist wenig bekannt - auffällig wenig, wenn man bedenkt, dass die Vorerprobung längst laufen müsste, wenn sie in rund 18 Monaten fertig sein sollen.

Dazu kommt, dass die Elektromobilität für Maserati völliges Neuland ist. Der gerade vorgestellte Ghibli Hybrid - ergänzt im nächsten Jahr um einen Levante Hybrid - entpuppt sich nämlich anders als vermutet nicht als Plug-in-Fahrzeug, sondern als Mild-Hybrid. Andere Hersteller, etwa BMW, rüsten ihr Modellprogramm eher nebenbei auf die smarte 48-Volt-Technik um, statt sie als große Innovation zu preisen. Selbst wenn die Maserati-Lösung technisch interessant ist, weil der E-Motor einen Verdichter antreibt, sieht eine mutige Elektrostrategie anders aus. Die Worte von Maserati-CEO Davide Grasso, künftig von allen Baureihen auch eine elektrifizierte Variante anbieten zu wollen, hat man schon von vielen Autobauern gehört. Allerdings meist schon vor zehn Jahren.

Der Blitz schlägt ein

Wenigstens etwas konkreter wird Maserati, wenn es um die elektrische Zukunft des gerade vorgestellten Supersportwagens MC20 geht. Dessen Produktion startet noch in diesem Jahr und bekommt in den nächsten zwölf bis 18 Monaten Verstärkung durch einen offenen Spyder. Erst danach startet eine vollelektrische Version. Sie wurde bereits beim Packaging berücksichtigt und funktioniert auch deshalb so gut, weil der MC20 schon jetzt mit einer reduzierten Anzahl an Lufteinlässen ausgestattet ist, wie sie im E-Betrieb nahezu überflüssig sind. Drei Elektromotoren (einer vorn, zwei hinten) und ein 800-Volt-System mit Silizium-Carbid-Invertern wecken jedenfalls Hoffnungen.

So arbeitet man sich bei Maserati langsam in Elektromobilität ein. Hochtrabend wird sie als Folgore (Blitz) bezeichnet, als hätte man das Thema erfunden. Dieser Euphorie kann sich der Vertrieb kaum anschließen. Die Verkaufszahlen sind rapide gefallen, gerade auch bei Modellen wie Ghibli und Levante, die bei ihrer Vorstellung als Volumenbringer gepriesen worden waren. Mit für Maserati-Verhältnissen günstigen Preisen sollten sie die Käuferschaft erweitern und in neuem Terrain nach Kunden fischen. Eine Idee, die nur kurzfristig gelang, weil zu wenig drum herum passierte. Mike Manley, CEO von FCA, räumt das rückwirkend als Fehler ein: "Ein Lebenszyklus von acht Jahren ist in dieser schnelllebigen Zeit einfach zu lang." Dazu kommt, dass eine Kundschaft bei Autos in der 70.000-Euro-Klasse viel betriebswirtschaftlicher denkt, mehr auf Leasing-Restwerte achtet und ein halbwegs flächendeckendes Servicenetz erwartet: Je mehr man sich in den Massenmarkt verlegt, desto härter die Bandagen im Handel.

Woher kommt das Geld?

Da wirkt es fast wie ein Hohn, dass sich die Geschichte Ende nächsten Jahres nochmals wiederholen soll. Dann nämlich wird ein zweites SUV fertig sein: ein Modell unterhalb des Levante, aber kaum wirklich kleiner. Es wird auf den Namen Grecale hören - wie Levante ebenfalls ein Mittelmeerwind. Dass man sich dabei aus dem Konzernregal bedient, wäre naheliegend - wird aber von Maserati vehement bestritten. Eine Rolle könnte dabei spielen, dass die Stelvio-Plattform von Alfa Romeo für die geplante E-Version des Maserati-SUV schon zu alt ist. Gebaut wird der Grecale jedenfalls im Fiat-Werk im mittelitalienischen Cassino. Dafür will Maserati 800 Millionen Euro investieren.

Das wirft die Frage auf, woher das Geld kommen soll. Das gilt nicht nur für den Grecale, sondern für die gesamte Elektrifizierungsstrategie und den frisch vorgestellten MC20, von dem konzeptbedingt keine hohen Stückzahlen zu erwarten sind. Hinzu kommt, dass mit ihm ein Kurswechsel vollzogen wird: Ab sofort lässt sich Maserati die Motoren nicht mehr von Ferrari liefern, sondern entwickelt und baut sie selbst. Das kostet erst einmal Geld, zumal man sich bei Maserati nicht mit Schmalspurlösungen zufriedengibt, wie der MC20-Motor zeigt. Ähnlich hohe Summen verschlingt das neu eingeführte Innovation Lab, in dem endlich State-of-the-Art-Simulatoren die Entwicklungszeiten verkürzen.

Manley, unter dessen Regie FCA vermutlich den Löwenanteil der Investitionssumme stemmen muss, bleibt trotzdem optimistisch: Schon 2021 wird Maserati wieder profitabel sein und Geld verdienen. Dazu soll beitragen, dass Maserati sein künftiges Know-how bei der Elektromobilität stärker mit den Konzernschwestern, einschließlich Jeep, teilen soll. Mit einem Produktionsziel von 65.000 Maserati jährlich bleibt er angesichts des künftigen Grecale trotzdem überraschend realistisch. Trotzdem ist es mehr als das Dreifache der Gegenwart.

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