Volkswagen-Gebäude in Wolfsburg

Der Rechtsstreit zwischen Volkswagen und Zulieferer Prevent geht in die nächste Runde. (Bild: Volkswagen)

Vor dem Braunschweiger Landgericht stehen sich am kommenden Mittwoch (24.Februar) wieder die erbittert streitenden Gegner Volkswagen und Prevent gegenüber. Die zuständige Kammer soll prüfen, ob beim Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch Europas größten Autokonzern und den als überzogen kritisierten Preisen des Zulieferers alles mit rechten Dingen zuging. Beide Unternehmen führen seit Jahren eine der heftigsten Auseinandersetzungen in der Branche.

Der Konflikt mit der aus Bosnien kontrollierten Zuliefergruppe war im August 2016 dadurch eskaliert, dass die Prevent-Firmen ES Guss und Car Trim die Belieferung aussetzten. Sechs VW-Werke wurden damit zwischenzeitlich lahmgelegt. In der Folge überzogen sich beide Seiten mit Vorwürfen. Nach Darstellung von Prevent hatte Volkswagen den Lieferstopp mit einseitig verschlechterten Vertragskonditionen heraufbeschworen. Die Wolfsburger, die lange von der Gruppe abhängig waren, beschuldigten den Lieferanten ihrerseits, Vereinbarungen gebrochen und in erpresserischer Absicht die Preise erhöht zu haben.

Im März 2018 kündigte VW die Verträge. Prevent bestand auf einer Fortsetzung - und geriet wegen der fehlenden Abnahme immer stärker unter Druck. Zuvor hatte sich die Tonlage wegen der Preisforderungen der zwischenzeitlich von Prevent übernommenen Neuen Halberg Guss (NHG) verschärft. Die Gießerei hatte für mehrere VW-Konzernmarken unter anderem Motorenteile und ganze Motorblöcke hergestellt.

Preiserhöhungen um den Faktor acht

Gab es eine Vertragsgrundlage für die Verteuerung der Bauteile? Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) am Sitz der inzwischen abgewickelten NHG in Saarbrücken hatte dies kürzlich verneint - was NHG auch so hatte feststellen lassen wollen. Auf welcher Basis kalkulierte der Zulieferer dann aber die angeblich um das bis zu Achtfache angehobenen Preise, wenn ein Rahmenabkommen mit VW fehlte?

Der Prevent-Manager Barbaros Arslan sagt, er habe die Preise erhöhen müssen, weil VW die ursprünglich geplanten Abnahmemengen nach der Übernahme der NHG durch Prevent drastisch verringert und den noch zugelassenen Bestellzeitraum extrem verkürzt habe. Auch angesichts bereits getätigter Investitionen im Unternehmen habe NHG deshalb pro Motorblock deutlich mehr verlangen müssen. VW habe die "Anpassung" also letztlich selbst ausgelöst. Eine Orientierung an einem womöglich geringeren "Referenzpreis2 für solche Güter als Branchenmaßstab sei nicht realistisch gewesen, weil der Wolfsburger Konzern aus Sicht von NHG eben der dominante Abnehmer der fragliche Teile gewesen sei.

Volkswagen argumentiert dagegen, es habe sich um willkürliche Wucherforderungen eines mächtigen Zulieferers gehandelt, mit denen man zu Zugeständnissen gezwungen werden sollte. 46 Millionen Euro aus dem späteren Weiterverkauf der NHG an eine andere Firma waren vom Landgericht Braunschweig Anfang 2019 eingefroren worden, damit VW hieraus mögliche Rückforderungen stellen kann. Zudem hieß es in Wolfsburg, NHG habe seinen "Hauptantrag", mit dem VW zur Abnahme von Teilen bis Ende 2020 verpflichtet werden sollte, zurückgenommen.

Arslan sieht das Saarbrücker Urteil dennoch als gutes Signal für eine mögliche Rückerstattung der vorsorglich einbehaltenen Summe. "Das ist schon ein Brett", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Vorwurf des Wucher

Zwischen April und Juni 2018 hatte VW rund 42 Millionen Euro an NHG gezahlt - um den Betrieb aufrechtzuhalten, war der Aufpreis unter Vorbehalt akzeptiert worden. Die Richter hatten im Eilverfahren durchblicken lassen, dass die Zuwächse als Wucher eingestuft werden könnten. Genauer sollen die Abläufe nun aber noch einmal in einem Hauptsacheverfahren beleuchtet werden. NHG selbst musste aufgrund der finanziellen Schieflage schließen, Ende September 2020 stellte auch eine Schwesterfirma - die Gusswerke Leipzig - den Betrieb ein.

Neben der Frage, wer Druck auf wen ausübte und wann welche Geschäfte in Deutschland beendet werden durften, beschäftigt der Streit auch Gerichte und Ermittler in anderen Ländern. In den USA geht es in verschiedenen Arenen weiter, jüngst reichte Prevent eine Klageschrift bei einem Gericht in Detroit ein. Dabei wird Volkswagen, dem heutigen Kernmarken-Chef und früheren Einkaufsmanager Ralf Brandstätter sowie den Sitzherstellern Adient und Lear wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen. Sie sollen versucht haben, Prevent vom Markt der Sitzbezüge für Autos auszuschließen. Volkswagen wies das zurück.

Im vergangenen Sommer sorgte eine Spitzelaffäre um mitgeschnittene Gespräche einer internen VW-Arbeitsgruppe für Aufsehen. Bevor man 2018 die Prevent-Verträge kündigte, sollen Konzernvertreter über den Umgang mit der Firma beraten haben. Ende Juli wurde der mutmaßliche Maulwurf enttarnt - kurz darauf fand die Polizei dessen Leiche in einem ausgebrannten Auto. Für die Ermittler deutet vieles auf einen Suizid hin. Abschließend geklärt war dies aber noch nicht.

Vor Weihnachten hatte Prevent vor dem OLG Celle einen juristischen Etappensieg verbucht: Die VW-Tochter Skoda muss dem Ex-Lieferanten nach der Aufkündigung eines Vertrags Schadenersatz zahlen. Es geht auch hier um Bauteile für Autositze. Ein VW-Konzernsprecher kritisierte, die Richter hätten nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine Drohung mit einem erneuten Boykott im Raum gestanden habe.

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dpa