Martin Winterkorn

Würdigte Piëch für seine Verdienste: VW-Chef Martin Winterkorn. (Bild: F. Volk)

Bei dem Aktionärstreffen fehlte erstmals seit über einem Jahrzehnt der langjährige Aufsichtsratschef und VW-Patriarch Ferdinand Piëch. Er war Ende April als Verlierer des Machtkampfs zurückgetreten.

Piëch hatte die Führungskrise beim größten europäischen Autobauer mit dem Versuch einer Demontage Winterkorns ausgelöst. Der Betriebsrat, das Land Niedersachsen als Ankeraktionär sowie die Großaktionäre der Familie Porsche hatten aber zu Winterkorn gestanden. Die Familien Porsche und Piëch halten die Stimmenmehrheit an VW. Zusammen mit dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratschef Piëch war auch dessen Ehefrau Ursula als Aufsichtsrätin zurückgetreten.

Winterkorn würdigt Piëch

Winterkorn würdigte die Verdienste Piëchs um Volkswagen: “Dieser Konzern und seine Menschen – und auch ich – haben Herrn Dr. Piëch sehr viel zu verdanken.” Piëch habe die Automobilindustrie in den vergangenen fünf Jahrzehnten geprägt wie kein Zweiter – als Unternehmer, als Ingenieur und als “mutiger Visionär”. Vor dieser Lebensleistung haben wir und habe ich großen Respekt”, heißt es in Winterkorns Redetext weiter.

Die Geschäftsbasis des Konzerns sieht Winterkorn durch die Führungskrise nicht beschädigt. “Es gab in den letzten Wochen unzählige Interpretationen, Spekulationen und leider auch Übertreibungen”, sagte er. “Sie als unsere Anteilseigner müssen wissen: Volkswagen ist ein kerngesundes, gut aufgestelltes Unternehmen. Ein Unternehmen mit sehr guten Geschäftsergebnissen und mit mindestens genauso guten Zukunftsperspektiven.”

Auch der kommissarische VW-Aufsichtsratschef Berthold Huber würdigte die Leistungen Piëchs. “Piëch hat sich außerordentliche Verdienste um Volkswagen und die gesamte Automobilindustrie erworben”, sagte der frühere IG-Metall-Chef Huber unter dem Beifall der Aktionäre.

Suche nach neuem Aufsichtsratschef

Bei der Suche nach einem neuen Aufsichtsratschef will sich Volkswagen Zeit lassen. Man werde “nichts überstürzen”, sondern mit Ruhe und Umsicht agieren, sagte Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufseher Stephan Weil (SPD) vor Beginn des Aktionärstreffens vor Journalisten. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird am Dienstag bei der obligatorischen Aufsichtsratssitzung im Anschluss an die Hauptversammlung keine Entscheidung zur Piëch-Nachfolge fallen.

Weil nannte den Rücktritt Piëchs einen “Einschnitt” in der Geschichte von VW. Auch er betonte dessen große Verdiente um den Autobauer. Für Piëch und seine Ehefrau waren Louise Kiesling und Julia Kuhn-Piëch in das Kontrollgremium nachgerückt. Beide sind Nichten Ferdinand Piëchs.

Eigener Aufsichtsrat für Lkw und Busse

Weil sagte mit Blick auf den Machtkampf und die versuchte Demontage von VW-Chef Winterkorn durch Piëch, es sei eine “Klärung” notwendig gewesen: “Wir alle haben die Situation nicht haben wollen, mussten aber damit umgehen.” Einen nachhaltigen Image-Schaden für VW sieht der niedersächsische Regierungschef nicht. Volkswagen könne sich nun wieder auf das eigentliche Geschäft konzentrieren.

Unterdessen unternimmt VW erste Schritte für eine Dezentralisierung seiner Führung. Dazu bündelt der Konzern sein schweres Nutzfahrzeug-Geschäft mit den Töchtern MAN und Scania in einer eigenständigen Holding. Die neue Dachgesellschaft für die Lkw und Busse im VW-Konzern erhält einen eigenen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer nach Konzernvorbild ein gewichtiges Wort mitreden. Die Pläne für die Holding sind schon seit längerer Zeit bekannt.

Die Dezentralisierung in der Nutzfahrzeug-Sparte könnte als Blaupause für weitere Teile des Konzerns dienen. “Wir brauchen klare Strukturen im Konzern, um in den einzelnen Bereichen schnell und flexibel handeln zu können”, forderte Betriebsratschef Bernd Osterloh. Von der neuen Holding verspricht sich VW eine “engere Vernetzung der Marken, kürzere Entscheidungswege und mehr Tempo in der Umsetzung”.

Pläne für Low-Cost-Car

Volkswagen hat in den vergangenen Monaten einen Dämpfer in seinem wichtigsten Einzelmarkt China erhalten: Dort ging das Absatzwachstum des Unternehmens deutlich zurück – auch weil lokale chinesische Hersteller mit Günstig-Autos Marktanteile gewinnen. Wie Winterkorn laut Redetext ankündigt, wird Volkswagen künftig auch selbst ein sogenanntes “Budget Car” anbieten.

Der Konzern arbeite “intensiv an einem attraktiven Angebot im Segment der besonders preiswerten Einstiegsautos”, heißt es in dem Manuskript. Gemeinsam mit den chinesischen Joint-Venture-Partnern sei VW “auf einem sehr guten Weg, ein solches Fahrzeug auf den chinesischen Markt zu bringen”. Der Konzern nehme sich dafür aber “die Zeit, die wir brauchen”. Es gehe um “das richtige Fahrzeug, im richtigen Segment”. Auch ein “Budget Car” müsse “eine angemessene Rendite abwerfen”, wird Winterkorn vor den Aktionären weiter sagen. Bislang hatten Volkswagen-Verantwortliche auf Fragen nach dem Günstigauto stets geantwortet, es gebe keine Entscheidung über den Bau eines solchen Fahrzeugs.

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gp / Quellen: dpa, Dow Jones Newswires

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dpa