Teuer, bedrohlich für die Beschäftigten und bisweilen skurril: Ein Zulieferer großer Autobauer kämpft mit harten Bandagen gegen seine eigenen Kunden - Lieferstopps und hohe Preisforderungen inklusive. VW wehrt sich. Jetzt droht dem Riesenkonzern aber eine Milliardenklage.

Teuer, bedrohlich für die Beschäftigten und bisweilen skurril: Ein Zulieferer großer Autobauer kämpft mit harten Bandagen gegen seine eigenen Kunden - Lieferstopps und hohe Preisforderungen inklusive. VW wehrt sich. Jetzt droht dem Riesenkonzern aber eine Milliardenklage. (Bild: pixabay)

Schon lange schwelt der Konflikt zwischen dem Wolfsburger Konzern und dem bosnischen Lieferanten. 2015 beginnt die Auseinandersetzung - in Brasilien. Ein Ende? Nicht absehbar, eine Schadenersatzklage gegen VW ist angedroht, und die wird laut Kreisen «umfangreich» und damit vermutlich milliardenschwer sein. Auch Daimler liegt mit der Zulieferergruppe der Unternehmerfamilie Hastor im Clinch.

Derzeit dreht sich der Streit mit VW vor allem um die Gießerei Neue Halberg Guss in Saarbrücken. Prevent hatte diese erst vor wenigen Monaten übernommen, und zwar über die zu Prevent gehörende Castanea Rubra Assets GmbH. Neues Unternehmen, altbekanntes Spiel?

Halberg Guss stellt Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe und Kurbelwellen her - Teile, die Volkswagen offensichtlich so schnell nicht anderswo herbekommen kann. Das nutzt Prevent wie schon zuvor für hohe Preisforderungen - es geht um Aufschläge bis zum Faktor 10 auf das vereinbarte Niveau als «Auflaufpreise». Das geht aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief von Volkswagen an Barbaros Arslan, Geschäftsführer der Neuen Halberg Guss, hervor.

Demnach fordert das Unternehmen allein im zweiten Quartal 150 bis 180 Millionen Euro mehr. VW kommentiert den Brief nicht: «Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu internen Unterlagen.»

Zuvor hatte der Zulieferer dem Schreiben zufolge in Abrede gestellt, dass es überhaupt bindende Verträge mit Volkswagen gibt. Das weist der Autobauer entschieden zurück - es bestünden rechtsgültige, unbefristete und ungekündigte Lieferverträge, eine Befristung oder Kündigung gebe es nicht. VW bietet ein persönliches Gespräch an.

Nach Vermittlungen über das saarländische Wirtschaftsministerium kämen die Lieferungen «natürlich», sagt ein Prevent-Sprecher. Die Bandagen in dem Geschäft seien hart. Aber keine Prevent-Firma sei aufgefallen, weil Qualität oder Liefertreue nicht gestimmt hätten.

Laut dem Brief beklagt VW aber auch einen Prevent-Eigentumsvorbehalt. Demnach liefert Halberg Guss zwar - unter Eigentumsvorbehalt stellt sich aber die Frage, ob VW die gelieferten Teile verarbeiten darf.

Aus Branchenkreisen verlautet, dass die Beziehungen von Prevent zu vielen anderen Herstellern wie General Motors, BMW oder der PSA-Gruppe funktionierten. Anders im Fall Volkswagen. Die Wolfsburger erklären dazu: «Volkswagen ist auf eine jederzeit planbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten angewiesen.» Daher würden bestehende Geschäftsbeziehungen regelmäßig überprüft.

Was ist eigentlich passiert? Alles beginnt 2015 in Brasilien, als Prevent den Sitzbezug-Hersteller Keiper übernimmt. Es folgen Lieferstopp, Preiserhöhungen und schließlich die Kündigung durch VW. Der Ärger bringt Volkswagen 160 Tage Produktionsstopp, ein Minus von 140 000 Fahrzeugen und Zwangsurlaub für rund 18 000 Beschäftigte ein.

2016 lässt ein Lieferstopp beim Prevent-Ableger ES Automobilguss und Car Trim wegen geplatzter Liefervereinbarungen Bänder in mehreren VW-Fabriken still stehen, so in der Golf-Produktion des Stammwerks Wolfsburg. Und das trotz einstweiliger Verfügung des Landgerichts Braunschweig, die zur Wiederaufnahme verpflichten sollte.

Für Volkswagen eine neue Erfahrung - bei rund 40 000 Lieferanten weltweit und einem Einkaufsvolumen von etwa 80 Milliarden Euro. Der Riesenkonzern spricht von einer Zusammenarbeit mit den Zulieferern «auf Augenhöhe». Der unfreiwillige Produktionsstopp in Deutschland soll das Unternehmen eine dreistellige Millionensumme gekostet haben.

Um den Schaden nicht noch zu vergrößern, unterschreibt VW zähneknirschend ein Eckpunkte-Papier zu neuen Lieferverträgen - kündigt aber an, dieses anfechten zu wollen. Anfang April schließlich kündigt der Konzern fristlos die Lieferverträge mit ES Automobilguss, Car Trim und einer weiteren Prevent-Tochter. Prevent wiederum gibt in der Folge Kündigungen und Kurzarbeit bekannt - und droht mit Klage auf Schadenersatz. Um mit VW im Geschäft bleiben zu können, hat die Gruppe aber vorgesorgt. Nämlich mit dem Kauf der Neuen Halberg Guss.

Was treibt Prevent an? Es wäre Harakiri zu sagen, das Geschäftsmodell bestehe darin, verbrannte Erde zu hinterlassen, heißt es in der Branche. Es gibt Spekulationen, dass Prevent Grundstücke betroffener Firmen für Immobilien nutzen will. Aber auch das wird zurückgewiesen.

Jedoch: Ein klares Bekenntnis gebe es nicht, warnt Patrick Selzer von der IG Metall Saarbrücken. Die Beunruhigung in der Belegschaft der Neuen Halberg Guss sei groß. Und: Sollten VW und Daimler als Kunden wegbrechen, fehlten Produktionsmengen von 140 000 bis 150 000 Tonnen.

Insidern zufolge geht es Prevent darum, selbstbewusster gegenüber den großen Herstellern aufzutreten und das Spiel immer weiter gedrückter Preisspannen zugunsten günstiger Angebote für die Autobauer nicht mitzumachen - auch wenn dies dem Image und den Arbeitsplätzen schade.

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dpa