Peter Mosch, Betriebsratschef von Audi

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie ist das Verhältnis zwischen Peter Mosch und Unternehmens-Chef Rupert Stadler?
Sehr konstruktiv. Für uns beide liegt der Fokus auf dem Erfolg. Seiner mehr auf dem des Unternehmens. Meiner mehr auf dem für die Mannschaft. Wir bringen das miteinander in Einklang. Sollte es da auch mal deutlicher zur Sache gehen, regeln wir das unter uns. Die Ergebnisse des vergangenen Jahres machen deutlich, dass es funktioniert.
Das Unternehmen konnte 2016 allen Umständen zum Trotz einen neuen Absatzrekord aufstellen. Wir als Gesamtbetriebsrat konnten gleichzeitig in einer sehr schwierigen Phase unsere Schichtsysteme erhalten, einen Mannschaftsbonus zusätzlich zur Ergebnisbeteiligung heraushandeln und vor allem unsere Jobgarantie bis Ende 2020 festschreiben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kürzlich haben Porsche und Audi eine Entwicklungsgemeinschaft verkündet. Wie kommt die neue Einigkeit im Team an?
Wir wollen keine künstliche Konkurrenz innerhalb des Konzerns aufbauen, sondern Synergien heben, um externen Wettbewerbern weiter erfolgreich die Stirn zu bieten. Eine gemeinsame Entwicklung von Fahrzeugarchitekturen, Modulen und Komponenten schafft uns beispielsweise Freiräume und neue Möglichkeiten, Elektrifizierung, Digitalisierung und automatisiertes Fahren gemeinsam zu stemmen, ohne unsere Markenidentitäten aufzugeben. Trotzdem ist uns allen klar und damit meine ich auch die Unternehmensleitungen, dass diese Entwicklungsgemeinschaft keinen negativen Effekt auf die Beschäftigten haben darf. Weder bei Porsche noch bei Audi. Da bin ich mir mit Uwe Hück, meinem Betriebsratskollegen bei Porsche, einig.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Mit der Evolution der Smart Factory hat der Betriebsrat ja auch ein ganz neues und wichtiges Klammerthema auf der Agenda. Wie sieht diese aus für die „Belegschaft 4.0“?
Sie lässt sich in drei Worte packen: Zukunft zusammen gestalten. Das ist unser eigener Anspruch. Statt Reaktion forcieren wir Aktion. Sprich, wir sind selbst Treiber anstatt Getriebene. 2014 starteten wir gemeinsam mit der IG Metall bereits unser Digitalisierungsprojekt „Vision2030“. Das erste Arbeitnehmerprojekt seiner Art, das Digitalisierung auf ihre Auswirkungen auf die Arbeit aber auch Mitbestimmung der Zukunft untersucht. Im November 2017 präsentieren wir auf unserem Zukunftskongress in Ingolstadt die Ergebnisse.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist zu tun?
Entscheidend ist es, im Sinne der Menschen ein solides Fundament für die Zukunft zu schaffen. Der erste Meilenstein dahin ist unsere Jobgarantie bis Ende 2020. Darüber hinaus fordern wir eine Beschäftigungssicherheit, die weit bis ins nächste Jahrzehnt reicht. Worauf es jetzt aber zudem ankommt: Wir brauchen Fakten. Wir müssen zusammen mit dem Unternehmen analysieren, welche Beschäftigungsfelder bei der digitalen Transformation aber auch der Elektromobilität bei Audi wegfallen können und welche hinzukommen werden. Da will ich keine Worthülsen hören, sondern knallharte, belastbare Fakten sehen.

Peter Mosch, Betriebsratschef von Audi

AUTOMOBIL PRODUKTION: Durch die Digitalisierung werden aber auch Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen. Wenn der heutige Staplerfahrer die Logistik-Drohne sieht, dann sieht er seinen Job buchstäblich entfliegen.
Bestimmt nicht ersatzlos. Klar können eines Tages Drohnen Teil der Audi-Logistik werden. Aber sie werden nur dann ein voller Erfolg, wenn der heutige Staplerfahrer seitens des Unternehmens entsprechend weiterqualifiziert wird, um die Drohne zu pilotieren oder zu warten. Dann fliegt kein Job davon, sondern ein neues, spannendes Tätigkeitsfeld heran. Weiterqualifizierung ist der Schlüssel für eine menschenfreundliche Zukunft. Auch das ist ein Ergebnis unserer „Vision2030“.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was erfordert erfolgreiche Weiterbildung Ihrer Meinung nach von den Mitarbeitern und vom Unternehmen?
Weiterbildung erfordert seitens der Beschäftigten die Pflicht des lebenslangen Lernens und vom Unternehmen die entsprechenden Ressourcen, um eine Weiterbildungsoffensive zu starten. Dass es geht, zeigen aktuell Audi-Projekte auf dem Gebiet der Elektromobilität. Auch hier forderten wir vom Unternehmen konsequent Qualifizierungsmaßnahmen ein – und das mit Erfolg. In Kooperation mit der Technischen Hochschule Ingolstadt können sich nun klassische Verbrennungsmotorentwickler auf die Anforderungen des Elektromotors spezialisieren. Zudem wurden in den vergangenen Jahren 6.000 Kollegen zur Elektrofachkraft geschult. Nicht zu vergessen die Ausbildung: Auch hier unterstützen wir Formate wie den Fachinformatiker mit Fachrichtung Systemintegration. Eine Grundlage für die digitale Transformation in der Produktion.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was müssen Erziehung und Bildung, was müssen vor allem auch die Berufsschulen leisten, um der „Belegschaft 4.0“ von ihrer Seite bestmöglich den Weg zu bereiten? Die Lerninhalte dort halten ja noch nicht Schritt mit den Anforderungen in den Betrieben.
Richtig. Auch der Staat muss hier seinen Beitrag leisten. Aus dem „Land der Dichter und Denker“ muss ein „Land der digitalen Denker“ werden. Wir brauchen ein Bildungssystem, das unseren Nachwuchs auf die digitale Berufswelt und ihre Arbeitsformen vorbereitet und nicht kopfüber ins kalte Wasser schmeißt. Eine technologische Aufrüstung der Klassenzimmer – weg vom Heft, hin zum Tablet – kann aber nur Teil eines Rucks sein, der durch die Bildungslandschaft gehen muss. Vielmehr müssen wir weg von länderspezifischen Lehrinhalten, hin zu einem Schulsystem, das sich der digitalen Herausforderung auf Bundesebene stellt. Von den Schulen über die Berufsschulen bis in die Universitäten.

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