Audi-Einkaufsvorstand Bernd Martens

Bernd Martens, Vorstand Einkauf bei Audi: "Wir rollen das zFAS nun aus. Parallel dazu sind wir schon auf der Suche nach Partnern für das hochautomatisierte Fahren auf Level 4 und Level 5." (Bild: Audi)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die Präsentation des A8 ist die wichtigste für Audi in diesem Jahr. Konnten Sie für Ihr neues Flaggschiff auch neue Lieferanten an Bord holen?
Neu sind weniger unsere Partner als vielmehr die Art und Weise, wie wir mit ihnen zusammengearbeitet haben, um komplett neue Technologien in den A8 zu bringen. Zum Beispiel für das hochautomatisierte Fahren auf Level 3: Für das zFAS haben wir ein Konsortium aus verschiedenen Lieferanten gebildet. Der Systemlieferant ist die Firma Delphi und daneben haben wir weitere Zulieferer und auch Unterlieferanten beauftragt wie Valeo für den Laserscanner, NVIDIA für Prozessoren oder Mobileye für Kamerasysteme und Prozessoren. Zusätzlich sind wir Partnerschaften mit Entwicklungsdienstleistern eingegangen, die einen Großteil der Software geschrieben haben. Einer davon ist zum Beispiel unsere Beteiligungsgesellschaft TTTech. Man sieht also: Bei so einem herausragenden neuen System für hochautomatisiertes Fahren mit Funktionen wie Stau- und Parkpilot war ein Konsortium von mehreren Lieferanten nötig, um diese neue Technologie von Grund auf neu zu entwickeln. Wir haben die Hardware neu entwickelt, gerade was die Sensoren anbelangt, aber auch die Software. Es sind insgesamt 35 Softwarekomponenten verschiedener Lieferanten mit einer neu entwickelten Basissoftware in einem System zusammengefahren worden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hat sich die Rolle von NVIDIA inzwischen verändert?
NVIDIA hat sich dahingehend verändert, dass sie entschieden haben, selbst in das Automotive-Geschäft einzusteigen. Sie wollen selbst Systeme für das autonome Fahren anbieten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ich habe den Eindruck, dass NVIDIA für Sie ein ganz wichtiger Partner war. Jetzt, wo die sich der Industrie gegenüber öffnen, hat sich deren Rolle verändert…
Mit NVIDIA arbeiten wir schon länger zusammen, in unseren Infotainment-Systemen haben wir NVIDIA-Chips verbaut. Die Chiptechnologie, die NVIDIA bietet, ist auch deren Kerngeschäft. Jetzt sehen wir schon eine Weiterentwicklung. Momentan gibt es ein Rennen zwischen den Lieferanten, wer der nächste Systemlieferant für das autonome Fahren wird. Delphi stellt sich hier auf, NVIDIA stellt sich auf, Bosch will etwas machen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kann kommt Ihnen doch entgegen, denn dann werden die Systeme billiger, oder?
Uns ist ein gesunder Wettbewerb wichtig.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Macht das für Sie einen Unterschied ob Sie einen deutschen oder einen amerikanischen Zulieferer auswählen?
Nein, überhaupt keinen. Wir nehmen den, der uns die beste Technologie anbietet und diese auch in einem bestimmten Zeitrahmen umsetzen kann. Also: Welchem Lieferanten trauen wir es am meisten zu, ein bestimmtes Produkt zu entwickeln? Man geht ja mit dem Partner auf eine lange Reise. Bei so einem komplexen Projekt wie dem zFAS – wir sind vor vier Jahren mit dem Konsortium gestartet –  können Sie Ziele definieren, aber den Weg dorthin müssen Sie sich gemeinsam erarbeiten. Das heißt dann auch, ein großes Maß an Vertrauen in die Kompetenz der Partner zu investieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kann man das als abgeschlossenes Projekt betrachten? Oder fangen Sie mit dem Konsortium erst an, das System in andere Modelle auszurollen?
Für den A8 ist das Projekt erstmal abgeschlossen. Dieses System rollen wir nun weiter aus. Wir bieten diese Technik auch in anderen Modellen an, zum Beispiel in der C-Reihe. Parallel sind wir aber auch schon auf der Suche nach Partnern für das hochautomatisierte Fahren auf Level4 und Level5. Aktuell suchen wir nach dem bestmöglichen System für eine Level4-Lösung. Das muss aber nicht notwendigerweise die Weiterentwicklung des Level3-Systems sein. Da sind wir offen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Bis wann brauchen Sie diesen Lieferanten?
In diesem Fall gehen wir davon aus, dass wir den Zulieferer noch in diesem Jahr festlegen werden. Wir wissen vom zFAS, dass die Entwicklungszeiten für solch eine Innovation lang sind und die Qualitätsprozesse ebenfalls. Insofern ist das ein Projekt, das man nicht nur auf ein bestimmtes Auto beziehen kann. Das System muss von Grund auf neu entwickelt werden und da brauchen wir vier bis fünf Jahre dafür.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wirklich – 4 bis 5 Jahre? Und um wie viel verlängert das Ihren eigentlich anvisierten Entwicklungszeitraum? Momentan sollen es ja 24 bis 36 Monate sein. Da sind 4 bis 5 Jahre ja quasi ein Rückschritt…
Die Entwicklung eines neuen Modells wird nicht verlängert, es handelt sich hier um einen anderen Prozess, der unabhängig von der Entwicklung eines konkreten Automobils läuft.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wirft Sie das bei den künftigen Fahrzeug-Projekten zurück?
Nein. Für solch eine komplexe Entwicklung kann man keinen normalen Sourcing-Prozess benutzen. Denn im normalen Sourcing-Prozess legen wir Lieferanten zirka 30 Monate vorher fest. Aber in 30 Monaten können Sie so ein System nicht entwickeln. Daher entkoppeln wir in diesem Fall das Sourcing von einem konkreten Fahrzeugprojekt.

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