Hubert Waltl, Leitstand, Werk Mexiko
Hubert Waltl, Audi: "Bei einer möglichen Störung dient der Leitstand dazu, dass die verschiedenen Gewerke direkt und effektiv miteinander kommunizieren können." (Bild: Audi)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Also Big Data in der Produktion…
Richtig. Experten in Bereichen wie dem Presswerk, dem Werkzeugbau oder der Montage beschäftigen sich intensiv mit sogenannten Data Lakes. Es geht darum, diese riesigen Datenmengen zu analysieren und neue Zusammenhänge zu erkennen. So können wir beispielsweise noch stabilere Prozesse, eine noch höhere Präzision und noch mehr Effizienz erzielen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was genau sehen Sie mit dem Leitstand?
Der Leitstand ermöglicht uns, jeden Audi in der Fabrik in Echtzeit zu verfolgen und in den einzelnen Fertigungsabschnitten ganz genau anzusehen. Bei einer möglichen Störung dient er dazu, dass die verschiedenen Leitstände, die an einem Ort gebündelt sind, direkt und effektiv miteinander kommunizieren können. Sie erkennen frühzeitig kleinste Abweichungen und reagieren rechtzeitig darauf. In dieser Konstellation werden unsere Spezialisten im Leitstand über die Zeit ein enormes Wissen aufbauen. Wenn uns beispielsweise ein Lieferant ein Versorgungsproblem signalisiert hat, sind wir dank des zentralen Leitstands in der Lage, sofort andere Autos in die Fertigung einzusteuern, die diese fehlenden Teile nicht benötigen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie weit wird die Digitalisierung in der Marke oder im Konzern reichen?
Die Vernetzung hat zum Ziel, dass wir auch in der Produktion nicht isoliert vor uns hinarbeiten. Die Digitalisierung bringt Vertrieb, aber auch Entwicklung, Beschaffung und unsere Lieferanten enger zusammen – kurzum, sie verbindet und schafft zugleich mehr Synergien und Effizienz.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie wollen mit der Künstlichen Intelligenz auch den Press-Prozess verbessern. Werden da Werkzeugmacher und Pressenbediener bald überflüssig?
Ganz im Gegenteil – wir werden künftig mehr denn je gut ausgebildete Werkzeugmechaniker und Pressenbediener benötigen, die sich zum einen mit neuen Technologien sowie Sensorik und Aktorik auskennen. Zum anderen ist es erforderlich, dass sie die weiter steigenden Qualitätsanforderungen an unsere Werkzeuge umsetzen können. Wir bauen heute schon in ein Umformwerkzeug Sensoren ein und messen die Einlaufstrecke des Bleches. Läuft es zu weit ein, wirft es Falten. Ist der Einzug zu gering, bekommt es Risse. Also steuern wir die Einlaufstrecke, indem wir sie mit einem Laserstrahl messen. Wir möchten mit Künstlicher Intelligenz das Optimum erzielen. Mit Hilfe der Simulation können wir Werkzeuge viel schneller herstellen, werden dabei noch prozesssicherer und können bei der Blechumformung die Prozessfenster optimaler nutzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie prophezeien dem klassischen Montageband einen baldigen Tod und peilen eine Art Inselfertigung oder modulare Fertigung an. Wie kommen Sie darauf?
Die Fließbandfertigung gibt es seit mehr als 100 Jahren. Mit diesem Prinzip können wir hohe Stückzahlen produzieren und die Abläufe sind eingespielt. Dennoch darf man seine Zukunftsfähigkeit hinterfragen. Vielleicht hat das Fließband doch seine besten Zeiten schon hinter sich und es ist Zeit für einen radikalen Wandel. Mit der Modularen Montage lässt sich aus meiner Sicht die zunehmende Komplexität und Variantenvielfalt besser beherrschen. Wenn im Laufe des Modellzyklus neue Abläufe in den Fertigungsprozess integriert werden müssen, bedeutet das in einem starren sequenziellen Prozess wie der Fließbandfertigung immer einen enormen Aufwand. In einer modular ausgelegten Montage können wir weitaus flexibler reagieren und somit Zeit und Kosten sparen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo werden Sie das zuerst umsetzen?
In der Audi R8-Manufaktur in den Böllinger Höfen nahe des Standorts Neckarsulm haben wir mit modularen Fertigungsinseln bereits im kleinen Umfang begonnen. Dort bewegt sich die Karosserie nicht mehr auf einem Fließband, sondern auf selbst navigierenden Montage-Skids von einem Arbeitsschritt zum nächsten. So fährt beispielsweise ein Audi R8 Spyder auf diesen fahrerlosen Transportsystemen selbstständig in eine Station, in der die Mitarbeiter das Stoffverdeck einbauen, und reiht sich danach wieder in die Fahrstrecke der FTS ein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das funktioniert über Schwarm-Intelligenz, richtig?
Bei der Audi R8-Manufaktur kann man noch nicht von Schwarm-Intelligenz sprechen. Die Montage-Skids sind besonders intelligente fahrerlose Transportsysteme. Sie lassen sich so steuern, dass sie das richtige Auto zur richtigen Zeit an die richtige Stelle bringen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist die nächste Stufe?
Der nächste Schritt wäre, dass das FTS in eine Station fährt, sich dort von selbst in die Position hebt, in der die Mitarbeiter das Auto ergonomisch montieren können. Gleichzeitig transportieren FTS das passende Material an die richtige Arbeitsstation. Das wird über einen Zentralrechner gesteuert, der von selbst den bestmöglichen Fertigungsfluss ermittelt. Er erkennt also auch einen Stau an der Station, die ein FTS anstrebt, und lotst es bei Bedarf an eine andere, freie Station.

Sie möchten gerne weiterlesen?