Brembo-Mann Vavassori verrät: Die nächste Investition des italienischen Zulieferers wird nicht in

Brembo-Mann Vavassori verrät: Die nächste Investition des italienischen Zulieferers wird nicht in den USA, sondern in Mexiko sein. – (Bild: Steinheißer)

AUTOMOBIL PRODUKTION:Ihre Firma hatte in der Vergangenheit Probleme auf dem europäischen Markt, vor allem in Italien. Wie ist die Situation heute?
Sie beziehen sich auf die große Krise von 2009. Insgesamt verloren wir 25% unserer Verkäufe weltweit. Aber schon 2010 erholten wir uns. In Italien war es nicht anders. Dabei ist Italien kein großer europäischer Markt für uns, wir haben heute nur 12% unseres Umsatzes hier. Nichtsdestotrotz unterstützen wir stark die Erholung des italienischen Marktes bei der Produktion. Uns gefällt die Arbeit, die Fiat-Chrysler in Maserati, Renegade und den Fiat Crossover, und natürlich auch in die neue Guilia steckt.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Brembo hat eine Zweigstelle in Detroit, und es gibt auch Diskussionen über eine weitere Dependance im Süden der USA. Was hat es damit auf sich?
Die USA sind unser zweitgrößter Markt sind, China ist der dritte. Wir investieren ziemlich große Summen in Detroit, um unsere Produktion dort zu vertikalisieren. Die nächste Investition wird aber nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Mexiko sein. Dort wollen wir Bremssättel herstellen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Also sind die USA zusammen mit Deutschland Ihr wichtigster Markt, aber wie wird es in 5 Jahren aussehen, welche Rolle wird China spielen?
Die USA haben uns gelehrt, dass der Automobilmarkt ein zyklischer Markt ist. Je höher man kommt auf einer Achterbahn, desto tiefer fällt man – schneller als in Europa. Also sind wir darauf vorbereitet, dass in den nächsten zwei, drei oder vier Jahren in den USA ein gewisser Rückgang oder auch ein starker Rückgang eintreten wird. Das ist nun mal das Leben. Sobald es abwärts geht, werden wir uns sehr schnell erholen, diese Lektion haben wir aus der letzen Krise gelernt. Abgesehen davon ist China für uns sehr interessant, da, wir dort gern unsere Joint-Venture-Kunden bedienen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Können Sie welche beim Namen nennen?
Oh ja, von BMW bis zu Volkswagen, zu Daimler, zu Ford, nun wollen wir das Geschäft mit GM ausweiten. Außerdem suchen wir jetzt nach dem besonderen Chinesen, dem Gewinner des chinesischen Marktes.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie sind ihre Beziehungen zu den chinesischen Playern?
Neulich war ich in China. Bei der Diskussion mit der lokalen Regierung haben sie uns gesagt, sie wollen Marktanteile für unseren rein chinesischen Standort gewinnen. Das ist so in China, wenn die Regierung das sagt, muss man ihnen vertrauen. Jetzt suchen wir auch nach einem rein chinesischen Standort, und wir haben den ersten Zuschlag bekommen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Was wird das für langfristige Folgen haben?
Das bedeutet, dass die Chinesen die Qualität steigern wollen. Der chinesische Staat will, dass in 10 Jahren China nicht länger mit Billigproduktion gleichgesetzt wird, sondern mit guter Qualität und Innovation vor Ort. Wir kennen Beispiele von ins Ausland geschickten chinesischen Beamten mit einem besonderen Auftrag und einer dicken Tasche, die Innovation kaufen und zurück nach China bringen. Also werden es keine Billig-Marken mehr sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Was sind die schwierigsten Marken, über die Sie sprechen? Ist es für Sie Qoros, oder können Sie andere benennen?
Qoros ist eine interessante Initiative, aber es ist nicht unser Betätigungsfeld. Es gibt immer mehr SUVs in China, es werden eine halbe Million Autos produziert, also steigt der Bedarf an Qualität schnell. Wir sind bereit, dem nachzukommen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Oder ist es Chery? Schließlich ist die Marke in Europa sehr bekannt für ihrenseinen Willen, nach Europa zu expandieren.
Korrekterweise dürfen wir jetzt keine Namen nennen, es ist noch nicht öffentlich, aber es wird öffentlich werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wer fehlt noch auf Ihrer Kundenliste?
Ja, rein chinesische Firmen werden in der nahen Zukunft auf unserem Radarschirm sein. Hinzu kommen neue – wir nennen sie „Gehirnnahrungs“-Initiativen, wie beispielsweise das Google-Auto. Das ist ein ziemlich unorthodoxer Spieler. Wir glauben, dass wir viel lernen werden von dieser Art des Hinterfragens eines kompletten Autos. Dies könnte wahrscheinlich der Anfang einer neuen Ära sein. Denn mit der heutzutage gegenwärtigen Technologie ist es nicht unmöglich, in kurzer Zeit ein neues Konzept eines Autos auf den Markt zu bringen. Tesla hat das, vom technischen Standpunkt aus, erfolgreich getan mit einer konventionellen Art Auto.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Also haben Sie bereits mit Google gesprochen?
Allgemein möchten wir diese neuen Chancen auskundschaften, wir möchten ihre Vision verstehen. Es gibt natürlich nichts Schriftliches und nichts ist entschieden. Aber wir wollen herausgefordert werden, wie beim Rennen. Wir brauchen ständig Herausforderungen durch neue Ideen und neue Visionen. Wir kennen uns mit Bremsen aus, aber wir wollen etwas über die Zukunft von Bremsen wissen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Apropos Rennen: Brembo liefert Bremsen für nahezu alle Formel-1-Teams. Was für eine Rolle spielt der Rennsport für die Entwicklung innovativer Bremssysteme?
Was uns am Rennsport gefällt, ist, dass alles, sprichwörtlich alles, bis zum Limit ausgedehnt ist. Beispielsweise bittet uns ein Team, innerhalb von 4 Stunden etwas nach Dubai zu liefern. Schnelle Problemlösungen sind gefragt.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Nach Karbon und Keramik, was ist das Material der Zukunft für Ihre Bremsen?
Wir fordern unsere Produkte ständig heraus, denn wir wollen der Killer unserer Produkte sein, bevor das der Wettbewerb erledigt. Und dafür testen wir ständig mit neuen Materialien, unorthodoxen Materialien wie zum Beispiel Karbon. Wir glauben, dass es um einen kontinuierlichen Prozess geht und darum, viel preisgünstigeres Grundmaterial zu haben. Deswegen sind wir Teil eines europäischen Projekts mit dem Ziel, den Rohstoff des Karbon-Materials mit einem nicht auf Öl basierenden Material zu ersetzen. Wir experimentieren mit Zucker, Tuchgewebe, mit verrückten Dingen. Leichtes Gewicht ist wichtig, aber auch ordentliches Design und Thermo-Fluiddynamik. Was wir von der Formel-1 lernen, ist so wichtig. Denn es dreht sich alles um Luft und um den Luftfluss in den Bremsscheiben.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Es heißt, sie fühlen sich in ihrer Marktnische sehr wohl. Aber was ist mit dem Massenmarkt?
60 Millionen Bremsscheiben sind bereits ein Massenmarkt. Wir werden gerne als Nischenspieler bezeichnet. Wir wählen unsere Märkte aus, ‚Nische’ bedeutet nicht länger ‚klein’. Brembo ist der größte Bremsscheiben-Hersteller weltweit. Unser nächster Konkurrent ist gerade mal halb so groß wie wir. 6 Millionen Bremssättel werden sich in ein paar Jahren auf 10 Millionen steigern. Also, das Konzept einer Nische ist variabel und hängt davon ab, welche Metrik Sie dafür verwenden möchten. Wenn Sie glauben, eine Nische ist ein spezifisches Segment – ja, dann sind wir gerne Nischenspieler. Wenn Nische ‚klein’ bedeutet: Nicht mehr, denn als Bosch seine Bremsenabteilung vor Jahren ausgegliedert hat, war diese kleiner als Brembo. Und das war bloße Massenproduktion. Also ist diese Definition von ‚Nische’ für mich interessant.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Sie werden der neue Clepa-Präsident sein. Wollen Sie dann ein bestimmtes Thema ansprechen?
Ich würde wirklich gern ein einziges, verbundenes Europa sehen, wo man einen Knopf drückt „fahr’ mich von Mailand nach Hamburg“. Gleichzeitig hätte ich in meiner Garage sehr gern einen Sportwagen, der eine kurvige Straße ohne zu viele elektronische Systeme fahren kann. Abgesehen davon denke ich, dass der Verband bereits während der letzten Jahre eine sehr gute Erfolgsbilanz bei der Verbesserung ihrer Sichtbarkeit bei der EU-Kommission hatte. Ich war gerade neulich in Brüssel und ich glaube, dass die Rolle der Clepa darin besteht, an der Seite der EU-Kommission zu bleiben. Es muss das Ziel sein, eine neue Gesetzgebung zu fördern, die sinnvolle Verbrauchswerte von Neuwagen fördert. Nicht zu vergessen sind die Emissionsziele, die nach 2020 auf uns zu kommen. Darüber hinaus müssen wir dafür sorgen, dass Europa in der Technologie der Automobilindustrie die Führung behält. Schließlich gibt es viele starke Konkurrenten mit einer Menge Technologie, die versuchen, diese Stellung anzugreifen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie wollen Sie das schaffen?
Industrie 4.0 könnte ein Weg sein. Das bedeutet, zur Herstellung zurückzugehen. Wenn wir da unsere Kräfte zusammenschließen, dann glaube ich, dass wir mit unserer Erfolgsstory weitermachen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Vor kurzem wurde ein Mensch von einem Roboter getötet. Was bedeutet das für die Industrie 4.0?
Wenn ich von all den Ängsten bezüglich Industrie 4.0 höre, dann erscheint mir das wie die Geschichte, die ich in der Schule über die Probleme in England geschrieben habe, als die Dampfmaschine für die Textilindustrie erfunden wurde. Jeder war dagegen, jeder dachte, Kutschen wären sicherer als Züge. Ich meine, wir müssen uns darum kümmern, heute haben wir viel mehr Mittel, um intelligent zu handeln, was Sicherheit angeht. Aber ich denke, die Zukunft können wir nicht aufhalten.

AUTOMOBIL PRODUKTION:In Deutschland befürchten viele, dass Industrie 4.0 den Weggang der Arbeiter aus den Werken bedeutet.
Genau wie im 18. Jahrhundert in England.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Das könnte ein Grund sein, sich jedem Schritt in diese Richtung entgegenzustellen?
Im Gegenteil ich glaube, dass wir anfangen müssen, unsere Universitäten nach Industrie 4.0 auszurichten. Wir brauchen neues Fachwissen, das heutzutage fehlt, wir brauchen neue Wissenschaften, die heutzutage fehlen. Wollen wir einige Jobs durch Roboter ersetzen? Die Antwort lautet: ja. Wenn Sie an unsere Kultur denken, an die Entwicklung unserer Welt, dann haben wir immer versucht, sich wiederholende Jobs und zu viel Anstrengung zu vermeiden. Die Erfindung des Rads bedeutete nur, mehr zu transportieren zu können mit weniger Anstrengung. Davon ausgehend, bringt jede Innovation weniger Anstrengung und mehr Produktivität.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie hoch ist der Grad Ihrer Automation?
Wir haben die derzeit bestmögliche.

Das Interview führten Bettina Mayer und Gabriel Pankow

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