Ariane Reinhart Continental

Ariane Reinhart ist seit 2014 Mitglied des Vorstands bei der Continental AG. – (Bild: Continental)

AUTOMOBIL PRODUKTION:Frau Dr. Reinhart, die Hersteller warnen immer wieder vor einem Mangel an Fachkräften. Wie beurteilen Sie das aus ihrer heutigen Praxis?
Der steigende Bedarf an Fachkräften und der Fachkräftemangel sind in vielen Bereichen bereits Realität und eine große Herausforderung für unsere Industrie, uns als Unternehmen, aber auch für Politik und Gesellschaft. Bei Continental suchen wir Fachkräfte vor allem in Bereichen, in denen bereits ein Mangel zu beobachten ist, beispielsweise in Software und IT. Mehr als 11.000 Softwareexperten arbeiten bereits bei uns. Wir wollen mit ihnen und allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schneller wachsen, indem wir ihnen helfen, an ihren jeweiligen Aufgaben zu wachsen. Dafür suchen wir Menschen und keine Funktionäre. Wir bieten ihnen im Gegenzug eine flache Hierarchie, die zu ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten passende Aufgabe und die frühe Übernahme von Verantwortung.

AUTOMOBIL PRODUKTION:In einem von beiden Seiten begehrten Umfeld (wie die Autobranche) reichen da nicht normale Online-Job-Plattformen?
Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen. Wir denken anders als die Menschen in anderen Organisationen, wir handeln anders und wir arbeiten anders füreinander. Das lässt sich am besten im direkten Dialog erfahren. Daher sind wir beispielsweise auf der IAA in Frankfurt eine ganze Woche mit Karrierethemen vor Ort. Unsere Vorstandsmitglieder und Führungskräfte zeigen dort potentiellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was sie bei Continental als Arbeitgeber erwarten können.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Raten Sie auch zu einer Art vorausschauende Personalplanung, indem Sie beispielsweise auf Events präsent sind, ohne akut zu suchen?
Ja. Die am besten zu uns passenden Menschen trifft man oft auf völlig unkonventionellen Wegen. Beispiel: Bei der Rekrutierung für unseren neuen Ausbildungsgang „Automotive Softwareentwickler“ haben wir einen WhatsApp-Chat für Interessierte angeboten, in dem wir den Arbeitsalltag an einem unserer Standorte vorgestellt haben. Es gilt dabei immer, den „Best Fit“ zu finden. Denn: Die Bewerber müssen zu Continental passen, aber Continental muss auch zu den Bewerbern passen. Beide Perspektiven sind im Austausch mit potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gleichermaßen wichtig und werden von uns berücksichtigt.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie wichtig ist der Blick über den Tellerrad. Schauen Sie sich auch nach möglichem Personalpotenzial außerhalb der Autobranche um?
Wir wissen: Wir sind als Arbeitgeber über unser reines Industrieumfeld hinaus attraktiv. Und wir wollen ausdrücklich die gesamte Breite des Bewerber- und Talentpools im Blick haben. Denn unser Continental-Team soll möglichst vielfältig und damit innovations- und zukunftsfähig aufgestellt sein. Beispiel Software: Diese Expertinnen und Experten werden von Unternehmen nahezu aller Branchen gesucht. Da endet das beiderseitige Interesse nicht notwendigerweise an der jeweiligen „Branchengrenze“.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Geld, sprich Gehalt, ist bei Spezialisten mitunter kein Anreiz. Welche Argumente wirft ein Unternehmen wie Continental in die Waagschale?
Wie schon das Sprichwort sagt: „Geld allein macht nicht glücklich.“ Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gewinnen zum Beispiel immer mehr an Bedeutung. Hierbei unterstützen wir bei Continental beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle. Entwicklungsmöglichkeiten sind ein weiterer wichtiger Punkt. Auch hier haben wir viel zu bieten. Sucht bei Continental beispielsweise jemand eine internationale Herausforderung, muss dafür nicht das Unternehmen gewechselt werden. Wir sind in über 50 Ländern präsent und bieten überall zahlreiche Möglichkeiten. Drittes Beispiel: Die Möglichkeit, die individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Das geht bei uns schneller und gezielter als anderswo. Bei alledem muss die Bezahlung natürlich trotzdem stimmen. Das hat unsere Continental Karriereumfrage 2014 gezeigt: Für 52 Prozent der befragten Young Professionals von Continental war eine „gute Bezahlung“ ein wichtiger Aspekt bei der Arbeitgeberwahl.

Zur Person
Ariane Reinhart promovierte im Jahre 2000 zum Dr. Jur. an der Uni in Hamburg. In die Branche stieg sie 1999 bei der Volkswagen AG ein und arbeitete dort bis 2014, zuletzt als Personalvorstand von Bentley. Seit 1. Oktober 2014 ist sie Mitglied des Vorstands bei der Continental AG und folgte auf Elke Strathmann.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Innerhalb der Branche funktionieren ja eigentlich Kollegennetzwerke ziemlich gut. Wie weit eignen sich die Beziehungen der Mitarbeiter innerhalb der Branche für eine Suche nach möglichen Arbeitskräften?
Diese Netzwerke sind in der Tat ein wichtiger Hebel. Mit unserem Programm „Hire4Friends“ wollen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermutigen, ihre Netzwerke zu nutzen und uns bei der Suche nach passenden Talenten sowie Expertinnen und Experten zu unterstützen. In China werden beispielsweise zwischen 20 und 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Verbindung aus persönlichen Netzwerken eingestellt.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Sympathie ist bei Experten ja oft ein ausschlaggebendes Argument, um den Arbeitgeber zu wechseln. Welche „Tools“ setzt Continental ein, damit diese nicht zum Hersteller, sondern auch zum Zulieferer gehen?
„Continental“ mit seinen Menschen ist das „Tool“, das wir einsetzen! Es ist mit Abstand das Beste, das wir haben und uns vorstellen können. Denn die Menschen in unserer Organisation strahlen am besten aus, wofür wir stehen: Wir arbeiten für null Unfälle auf den Straßen, saubere Luft und intelligentes Fahren. So gestalten wir die Mobilität der Zukunft. Wir treiben dafür das „Automatisierte Fahren“ maßgeblich voran, bieten wegweisende Lösungen für höchste Antriebseffizienz sowie die Hybrid- und Elektromobilität und gehen neue Wege im High-End-Engineering für Informationsmanagement und software-basierte Lösungen. Damit verbunden ist eine enorme Vielfalt an Produkten und Innovationen. Sie werden weltweit von Kunden unterschiedlichster kultureller Herkunft und in unterschiedlichsten Märkten verwendet. Die damit verbundene Gesamtverantwortung für die globale Mobilität macht unsere Arbeit sehr innovativ und sehr spannend! Und das alles in einer Arbeitsumgebung, die durch unsere vier Unternehmenswerte von Freiheit, Verbundenheit, Vertrauen und Gewinnermentalität geprägt ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Ist es heute noch immer interessanter für Professionals zum Hersteller zu gehen?
Wenn es passt. Ich kann Ihnen aber sagen, was für Continental als Arbeitgeber spricht: Wer hätte nicht gerne am Suez-Kanal mit geplant, das Apollo-Projekt mitgestaltet oder das Space-Shuttle mitentwickelt? Das sind respektable Ingenieurs-Leistungen der Vergangenheit. Continental bietet gleichermaßen jungen und erfahrenen Menschen die Chance, an den nächsten großen technische Evolutionen mitzugestalten, wie zum Beispiel dem Automatisierten Fahren. Und das in einer Unternehmenskultur, in der Menschen wertgeschätzt werden, über sich hinaus wachsen dürfen und weltweit notwendige Spitzenleistungen erbringen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Stichwort Förderprogramme. Inwieweit sind die internen Förderprogramme ein Muss, um auch interne Talente ausmachen und diese sich dann entwickeln zu lassen?
Die Personalentwicklung ist ein wichtiger Baustein für den nachhaltigen Erfolg unseres Unternehmens. Das Identifizieren und die Entwicklung von Talenten auf allen Ebenen und in allen Bereichen – vom gewerblichen Mitarbeiter, über die Expertin und Projektleiterin bis hin zu den Top-Führungskräften – sind wichtige Voraussetzungen für unsere Zukunftsfähigkeit als Organisation. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsere besten Innovationsträger!

AUTOMOBIL PRODUKTION:Die neuen Technologien erweitern auch das Suchfeld in anderen Branchen, Beispiel: IT oder Textilindustrie. Welche Wege geht Continental, um die Besten ihres Faches außerhalb der Automobilindustrie zu finden?
Wir nutzen alle passenden Kanäle – On- und Offline, gehen pragmatische und auch kreative Wege. Eine Möglichkeit: Wir laden interessante Kandidatinnen und Kandidaten zu unseren Events ein. So auch auf der IAA: In der zweiten Besucherwoche sind wir an unserem Continental-Stand an fünf Tagen mit Karrierethemen präsent und bieten unseren Zielgruppen ein vielfältiges Programm. Ein Tag davon ist allein für Professionals mit IT/Software Background reserviert. Dann geben wir ihnen einen Einblick in die künftigen Innovationen und Geschäftsentwicklungen von Continental.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Sehen Sie bei einer aktiveren Frauenförderung auch noch Optimierungsmöglichkeiten, um offene Stellen zu besetzen?
Wir suchen und brauchen Vielfalt. Dazu gehört auch, mehr Frauen für unsere Organisation zu begeistern. Unser Ziel ist es, schlicht alle zu uns passenden Talente zu gewinnen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität etc. Um dies zu ermöglichen, haben wir sowohl unsere Top-Führungskräfte als auch unsere Recruiter zum Thema Diversity und „Unconscious Bias“ sensibilisiert, um bereits von Anfang an sicherzustellen, dass sie einen möglichst unverstellten, objektiven Blick auf Kandidatinnen und Kandidaten haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Machen Sie darüber hinaus Promotion-Aktionen für eine aktive Frauenförderung.
Wir suchen und fördern die Talente, die am besten zu Continental passen und zu denen Continental am besten passt – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter o.ä. Dieses Ziel verfolgen wir mit einer Reihe von Aktionen. Dabei kommt bei Frauen besonders unser Programm „meet the manager“ an! Hier haben Interessierte die Chance, einer weiblichen Top-Führungskraft von Continental einen Tag lang über die Schulter zu schauen und Erfahrungen auszutauschen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:In wie weit ist das soziale Umfeld (wie Einsätze außerhalb Deutschlands) bei der Personalsuche von Bedeutung, um die begehrte Arbeitskraft zu überzeugen?
Die Internationalität von Continental ist ein absoluter Pluspunkt und wird von Bewerberinnen und Bewerbern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder positiv hervorgehoben. Dies wird auch dadurch begünstigt, dass die Unternehmenssprache Englisch ist – sonst immer noch eher eine Seltenheit in der deutschen Automobilindustrie. Derzeit haben wir rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Entsendung und viele sind darüber hinaus regelmäßig im Ausland im Rahmen von Projekteinsätzen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Angenommen ein Mitarbeiter sieht sich in einem völlig anderem Aufgabenfeld. Welche Maßnahmen können verhindern, dass er sich außerhalb des Konzerns umsieht?
Bei Continental wollen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten fördern und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Mit unserem breiten Spektrum an Aufgabenfeldern können wir auch innerhalt unseres Unternehmens immer neue Herausforderungen anbieten. Sollte eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter den Wunsch nach Veränderung haben, so kann dieser im direkten Gespräch mit dem Vorgesetzten geäußert werden. Wir haben bei Continental über das Jahr einen feststehenden Prozess für Personalentwicklungsgespräche, die dafür den idealen Rahmen bieten und von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch genutzt werden. Ein Teil unserer Unternehmenskultur ist ein ständiges Feedback und die offene Tür zum Vorgesetzten.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Stichwort Gender Diversity, wie beeinflusst das die eigenen Recruitings, abseits der „political correctness“? Zum Beispiel auch Immigranten?
Bei Continental rekrutieren wir ohne Scheuklappen. Unser Ziel ist es, durch verschiedene Maßnahmen einen möglichst objektiven und faktenbasierten Recruitingprozess zu verankern. Aktuell prüfen wir verschiedene Möglichkeiten, um beispielsweise auch Flüchtlingen eine Einstiegsmöglichkeit zu bieten. Das bedarf aber auch Unterstützung und rechtlicher Absicherung durch die Politik. Aber wir sehen neben der gesellschaftlichen Verpflichtung durch solche Initiativen auch enorme Chancen, neue Talente zu finden.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wenn Sie Trendscout wären, welche Berufsbilder sind in zehn Jahren attraktiv?
Die Veränderungsprozesse werden immer schneller, daher sind Prognosen heutzutage nicht mehr sicher. Ich rechne damit, dass der Bereich Software und Digitalisierung auch in zehn Jahren eine große Rolle spielen wird. Gerade in für uns wichtigen Zukunftsfeldern, wie Fahrsicherheit, Fahrkomfort oder Vernetzung brauchen wir diese Expertise in wachsendem Umfang.
Zudem sehe ich einen Trend im „Grenzen überwinden“. Die klare Abgrenzung von Fach- und Berufsgruppen wir voraussichtlich in zehn Jahren nicht relevant sein – die Vernetzung untereinander wird einen immer größeren Stellenwert bekommen. Das sehen wir bereits heute im Unternehmen und in unserem Umfeld.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Ein globaler Einsatz scheint ja heute selbstverständlich. Aber im privaten Umfeld ist es ja immer noch eine große Entscheidung, ob ich mit der Familie in ferne Länder ziehe. Wenn es zu einer Bewerbung kommt, wie attraktiv ist ein entsprechendes Integrationsprogramm für die Familie?
Die Zufriedenheit der Entsandten und ihrer begleitenden Familienmitglieder hat für uns oberste Priorität und bildet einen Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Auslandseinsatzes. Für begleitende berufstätige Partnerinnen und Partner übernehmen wir eine besondere Verantwortung, die über den eigentlichen Entsendungsumfang hinaus geht. In diesem Jahr haben wir unsere bisherigen Aktivitäten zum sogenannten Partner Support durch neue Bausteine ergänzt und ein neues Programm zur Förderung von „Dual Career“ gestartet. Zudem entwickeln wir derzeit eine „Conti-Expat-App“ für unsere weltweit tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die App ermöglicht es unseren Kräften im Ausland, sich vor Ort an unseren weltweiten Standorten schnell zu orientieren und sich gegenseitig zu vernetzen. So wird die Phase des Ankommens insgesamt erleichtert.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Wie wichtig ist heute das Beherrschen von Sprachen.
Gerade für einen „Global Player“ wie Continental ist dieses Thema sehr wichtig. Bereits heute ist das Arbeiten in international besetzten Projektteams die Regel. Daher ist Englisch unsere Unternehmenssprache und eine zentrale Fähigkeit, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbedingt mitbringen oder schnell erwerben sollten. Auch dabei helfen wir natürlich.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Frauen in der Produktentwicklung: Gibt es hier konkrete Programme von Continental, um zu forcieren?
Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ihren individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten fördern und entwickeln. Daher beziehen wir in unsere Entwicklungsprogramme alle mit ein. Derzeit überarbeiten wir unsere Auswahlinstrumente. Hierfür werden auch die Erfolgsprofile für technische Leitungspositionen auf den Prüfstand gestellt. Benötige ich für die betreffende Führungsposition wirklich ein umfangreiches Studium oder kann ich sie auch mit technischer Affinität und entsprechender Berufserfahrung übernehmen? Außerdem sollen künftig alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen des Mitarbeitergesprächs einen individuellen Entwicklungsplan erhalten.

AUTOMOBIL PRODUKTION:Sind Events wie Gamescom interessant, um Personal zu rekrutieren? Sucht ihr Team aktiv nach neuen Veranstaltungen?
Wir wollen bei Continental verstärkt kreative Wege gehen – auch im Recruiting. Auf der Gamescon waren wir bisher noch nicht präsent. Ich könnte mir vorstellen, dass Events wie die Gamescon künftig verstärkt die Möglichkeit bieten, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die Affinitäten im Bereich Digitalisierung und Software haben.

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Das Interview führte Christiane Habrich-Böcker

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