Stephan Arnold bei Schuler vor einer Maschine
Stephan Arnold: " Wir sehen den aus der Herstellung des Schweißkörpers resultierenden Teil der Wertschöpfung künftig abnehmend." (Bild: Schuler)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was sind die wichtigsten Stellschrauben, um die Effizienz im Presswerk zu befeuern?
Speziell Zulieferer der zweiten oder dritten Ebene können zuweilen das umfangreiche Leistungspotenzial moderner Pressen nicht ausschöpfen. Weil das überwiegend mit Bedienerkapazitäten und –kompetenzen zu tun hat, haben wir ein Assistenzsystem entwickelt.  Smart Assist – so der Name des Systems – führt auch Bediener ohne spezifische Vorkenntnisse schrittweise durch einen Optimierungsprozess, der zu nahezu 100 Prozent Bearbeitungs- und Ablaufeffizienz führt. Damit ist ein Level erreichbar, auf den sonst nur Experten kommen, die alle Programmier-Raffinessen ausnutzen können. Dieser Ansatz folgt durchaus der Auslegung von Fahrer-Assistenzsystemen beim Automobil. Auch künftig werden wir ihn weiter kultivieren. Zudem werden wir in absehbarer Zeit auch virtuelle Inbetriebnahmen und virtuelle Schulungsmöglichkeiten anbieten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer ist Ihr Industriepartner bei den Technologien der Virtual Reality?
Wir sind da mit mehreren Unternehmen im Gespräch, aber auch sehr stark inhouse-orientiert. Denn wir müssen uns in Zukunft auch auf die Wertschöpfung ausrichten.

Wir sehen den aus der Herstellung des Schweißkörpers resultierenden Teil der Wertschöpfung künftig abnehmend  –  um es vorsichtig auszudrücken. Das muss ein Unternehmen wie unseres natürlich beherrschen, aber das wird kein Differenzierungsmerkmal mehr sein. 

AUTOMOBIL PRODUKTION: Schuler ist also auf dem Weg in Richtung Industrie 4.0?
Die Definition von Industrie 4.0 ist in meiner Wahrnehmung immer noch relativ unscharf. Der Begriff kommt noch als eine sehr große Wolke daher. Ich habe auf der letztjährigen Hannover Messe einen sehr großen Anlagenanbieter für die Automobilindustrie nach dem Unterschied zwischen der von ihm dort propagierten „Digitalen Fabrik“ und dem Szenario „Leitrechnersteuerung und Computer Integrated Manufacturing“ aus den 80er Jahren gefragt. Seine Antwort: „Der Unterschied besteht darin, dass wir Daten in einer Cloud zwischenspeichern“.

Das ist aus meiner Sicht erst mal extrem dünn. Das eigentliche Ziel des Weges in Richtung Industrie 4.0 kann doch nur darin bestehen, für den Anwender Zusatznutzen zu generieren. Da sind wir als Anlagenhersteller gefordert, zu einer vertieften Wertschöpfung beizutragen. Und das können wir mit den genannten Konzepten und Tools leisten. Die Möglichkeit, über die Prozesskette hinweg Daten nutzen zu können, muss sich in gewinnbringenden Effekten niederschlagen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kommen wir zum Stichwort Materialmix: Mit iComposite 4.0 ist zum Jahresbeginn 2016 ein gefördertes Verbundprojekt unter Federführung von Schuler gestartet. Welche Zielsetzungen hat es, wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Aus meiner Sicht werden Fahrzeugkarosserien in der Zukunft vermehrt aus Materialmix bestehen. Deswegen beschäftigen wir uns auch mit Fertigungsprozessen, die vom Stahlblech wegführen. Beispielsweise haben wir auch die Pressen für die Carbonteil-Erzeugung der BMW Elektrofahrzeuge i3 und i8 geliefert. Beim Projekt iComposite 4.0 sollen in erster Linie Kosteneinsparungen mittels endkonturnaher, additiver Fertigungsverfahren in Kombination mit einem industriell etablierten Harzinjektions-Verfahren sowie durch ein vernetztes Produktionssystem mit einer regelnden Systemintelligenz erreicht werden.

Partner in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt sind neben Schuler das Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau (AZL) der RWTH Aachen, die Apodius GmbH, Broetje Automation Composites, Frimo Sontra, ID-Systec, das Institut für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk (IKV), Siemens sowie Toho Tenax Europe.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sind die Werkstoffe Stahl und Alu aus Ihrer Sicht langfristig aus dem Rennen?
Jeder Automobilhersteller hat eine unterschiedliche Vorstellung davon, wie der Materialmix der Zukunft aussieht. Wir beschäftigen uns genauso mit neuen Prozessen fürs Stahlblech, für hochfeste Bleche, wir befassen uns mit neuen Prozessen für Aluminium, mit der Blechumformung als auch der Schmiedeumformung. Wir setzen uns konstruktiv mit Umformprozessen für Magnesium auseinander. Wir erforschen  Metallgussprozesse und sind da relativ breit aufgestellt, weil wir auch der Meinung sind, das sich eine Reihe von diversifizierten Themen abzeichnen.

Volkswagen beispielsweise verwendet sehr viel Stahl, hochfesten Stahl, Aluminium. Bei der Konzertochter Audi kommen noch mehr Aluminium plus Aluminium-Gussknoten ins Spiel. Es gibt andere Hersteller, die auch sehr stark auf Magnesium setzen. Im neuen 5er und 7er BMW finden sich Bleche, die mit Carbonteilen verstärkt sind, um Steifigkeiten zu erzeugen. Für einen Anlagenzulieferer der Automobilindustrie ist es also angebracht, sich mit all diesen Fertigungsprozessen auseinanderzusetzten und zumindest dort auch die Trends zu kennen und die Grenzen von Technologien auszuloten.

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