Garnet Kasperk, RWTH Aachen, Studie

Dr. Garnet Kasperk ist Expertin für Strategiefragen in der Automobilindustrie und lehrt an der RWTH in Aachen. (Bild: RWTH Aachen)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Frau Dr. Kasperk, Ihr ganz persönliches Fazit im Nachgang der Studie?
Für einige der Interviewpartnerinnen ist die jüngere Generation männlicher Top-Manager „mindestens genauso schlimm“ wie das etablierte Old-Boys-Network. Es ist also kein Kulturproblem, dass sich „herauswächst“. Das ist überhaupt ein Widerspruch in sich. Eine Unternehmenskultur wird mit großem Einsatz und sehr genau definierten Werten entwickelt und implementiert – sie stellt sich nicht im Laufe der Zeit irgendwie ein. Der „weibliche Aspekt“ muss bewusst als Teil der Unternehmenskultur verstanden und in der Hierarchie umgesetzt werden. Und wir wissen, dass eine durchgängige Unternehmenskultur glaubhaft gelebt werden muss. Solange die Agenda in Bezug auf Frauen von denjenigen gemacht wird, die eine ganz andere Agenda im Kopf haben, wird es in der deutschen Autoindustrie keine natürliche Präsenz von Frauen im Top-Management geben. Dieser Werte- und Kulturwandel muss sehr konsequent in den Köpfen von Managern verankert werden. Aus persönlicher Sicht: Das Thema weibliche Führungskräfte war nie mein Thema. Jetzt ist es meins! Herausragend engagierte und kompetente Frauen sind beflügelt von ihrer Tätigkeit und teilweise frustriert von Strukturen und Umgangsformen. Gerade in einer Vorzeigebranche wie der deutschen Automobilindustrie sollte die Diskussion weit über eine Quote hinausgehen. Das CIAM ist jetzt eines der Sprachrohre.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Unter den deutschen Autoherstellern: Wer setzt die Frauenquote am erfolgreichsten um?
Mercedes!

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und warum?
Variable Gehaltsbestandteile werden mit der Quotenforderung gekoppelt. Der Vorstandsvorsitzende treibt das Thema glaubhaft voran, auch wenn nicht alle Vorstandskollegen diese Idee dann weiter in die Hierarchie treiben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sind die Vorurteile, die Frauen gegenüber Jobs in der Autoindustrie hegen, somit immer noch berechtigt?
Wenn Vorurteile von beruflichen Einsteigerinnen sind, dass die Autoindustrie eine klassische Männerdomäne mit etablierten männlichen Netzwerken ist. Dass dort raue Umgangsformen vorherrschen und die Männer Frauen als Ausnahmeerscheinung eher belächeln, dann ist es ein deutliches „Ja“. Natürlich nicht flächendeckend. Aber: Als Frau kann man in der Automobilindustrie auch gut leuchten! Also: Position nutzen und sehr frühzeitig ein eigenes Netzwerk aufbauen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie verändern sich die Schwierigkeiten auf dem Weg nach oben?
Einsteigerinnen verlieren oftmals zu viel Zeit durch Orientierungsschwierigkeiten und durchlaufen längere Frustphasen. Die Transparenz der Entwicklungsmöglichkeiten wird anfänglich als gering eingestuft, da die Massnahmen der Personalabteilung in diesem größeren Kollektiv noch nicht wirklich ankommen. Viele Frauen suchen sich sehr spät Mentoren.Eine sehr hohe Abhängigkeit von der jeweils vorgesetzten Person ist schwierig, wenn eine ganzheitliche Entwicklung blockiert wird und keine Integration in das Team erfolgt. Also kurzum: am Anfang sind die Schwierigkeiten tatsächlich oft durch männliche Vorgesetzte mit wenig Offenheit für weibliche Kolleginnen verursacht.

Im Mittelbau gibt es kein Grundsatzproblem Mann/Frau. Die „Frau als Führungskraft“ hat sich jetzt bewiesen. Durch die Zusammenarbeit mit weiblichen Führungskräften lernen männliche Kollegen weibliches Führungsverhalten zu schätzen. Herausforderungen erwachsen eher aus dem Alltagsgeschäft und der Vereinbarkeit von privaten und beruflichen Zielen, da die Anwesenheitskultur nach wie vor stark ausgeprägt ist nach dem Motto „Manager haben kein Zuhause“. Deshalb streben Frauen auch oftmals vertikale Karrieren an und sehen keinen Mehrwert in einer hierarchischen Beförderung.

Frauen mit Ambitionen auf Top-Karrieren stossen an eine gläserne Decke, die von einem etablierten Männernetzwerk eingezogen wird. Durch diese Decke wird „nur Gleiches nachgezüchtet“, da man weibliche Verhaltensmuster einfach nicht so gut kalkulieren kann. Herausforderungen sind Umgangsformen, Respektlosigkeit und totaler Technikfokus. „Klassische Schraubenversteher erheben technische Detailkenntnis zum ultimativen Maß für geeignete Top-Führungspesönlichkeiten um sich in Sicherheit zu wiegen und nicht mit typisch weiblichen Fähigkeiten wie Empthie und emotionaler Intelligenz –die zusätzlich zur technischen Kompetenz vorhanden sind – konkurrieren zu müssen. Frauen im Top-Management werden eher von extern rekrutiert als aus den eigenen Reihen gewählt. Warum? Nach Aussage einiger Interviewpartnerinnen werden so die männlichen Kollegen, die nicht zum Zuge kommen weniger frustriert. Ein schwieriges Zitat war, das „die Quotenfrau in den Vorstand gelockt wird, um sie dann in einer unwichtigen kalt zu stellen“. Das sehe ich anders, erklärt aber, dass viele Frauen in hohen Führungspositionen diesen letzten Schritt nicht attraktiv finden.

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