AUTOMOBIL PRODUKTION: Gibt es für klassische Handschaltgetriebe noch eine Perspektive, wenn in zehn Jahren der Automatisierungsgrad des Fahrens zugenommen hat? Stichwort E-Clutch.
Eckl: Wir beschäftigen uns mit solchen Fragen. Hierbei steht aber im Raum, wie viel Investitionen man in die Hand nimmt, um ein Handschaltgetriebe mit einer E-Clutch auszustatten, die zwar im Stopp-and-Go-Verkehr und auch sonst Vorteile bietet, aber nicht eine volle Automatisierung des Fahrzeugs nach sich zieht. Wie groß ist dann noch der Abstand zwischen einer vollen Automatisierung und diesem E-Clutch-System? Das ist sicherlich eine interessante Thematik mit Blick auf die Emerging Markets.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo verläuft bei Getrag die technische Grenze zwischen nassen und trockenen Doppelkupplungen und wie wird hier die Zukunft aussehen?
Lexa: Die nasse Doppelkupplung war in den vergangenen Jahren immer mit einer massiven Hydraulik verbunden, die mechanische Pumpen erforderte. Sie galt nicht als besonders effizient. Deswegen haben wir elektromechanisch aktuierte Getriebe auf den Markt gebracht. Wir waren die ersten, die eine komplette Elektromechanik in Doppelkupplungsgetriebe angeboten haben. Mit unserer neuen Generation der nassen Doppelkupplungsgetriebe haben wir eine besonders effiziente Aktuierung im Angebot. Wir nennen sie Smart Actuation. Sie führt dazu, dass wir sehr nahe dran sind an der Effizienz von einer elektromechanischen Aktuierung. Trockenkupplungen müssen Wärme über die Masse abführen, nasse Kupplungen verwenden zur Kühlung Öl. Wenn nun beispielsweise bei einem kleinen Fahrzeug mit hoher Zuladung die Kupplung länger mit Schlupf betrieben wird, entstehen hohe thermische Einträge, die die nasse Kupplung leichter abführen kann. Daraus resultiert ein zweiter Aspekt: Mehr Masse bedeutet mehr Massenträgheit und dies führt besonders bei kleiner Motorisierung zu schlechterer Fahrbarkeit bezüglich der Dynamik. Trockene DCTs haben deswegen vor allem im Bereich von 200 bis 270 Newtonmeter günstige Einsatzbedingungen – in allen Drehmomentklassen darunter und darüber setzen wir nasse Kupplungssysteme ein, die unter verschiedensten Rahmenbedingungen sehr vielseitig einsetzbar sind.

Zur Person
Bernd Eckl
ist Executive Vice President Sales, Marketing, Business Development & Corporate Communications bei Getrag. Er startete seine Karriere Anfang der 90er-Jahre bei Mannesmann VDO. Seit 2000 ist Eckl bei Getrag in verschiedenen Führungspositionen tätig.

Didier Lexa ist CTO bei Getrag. Seine beruflichen Stationen führten ihn unter anderem zu General Motors Powertrain Systems in Luxemburg und den USA sowie anschließend zur ZF Getriebe GmbH in Saarbrücken. Zu Getrag kam Lexa im Jahre 2011.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Rolle werden künftig die Themen eDrive und Software bei der Entwicklung von Produkten einnehmen?
Eckl: Eine sehr große. Der Aufwand für die Software-Entwicklung bei einem batterieelektrischen oder einem hybridisierten Antriebsstrang ist sehr groß. Know-how und genügend qualifizierte Software-Entwickler sind die Erfolgsfaktoren. Bei einem Entwicklungsprojekt für ein Doppelkupplungsgetriebe arbeiten mehr als 40 Prozent des Teams an den Themen Software und Kalibrierung – bei klassischen Handschaltgetrieben gibt es das so nicht. Wir beschäftigen schon heute mehr als 300 Software-Entwickler.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie stark ist das Thema Ingenieurmangel für Sie im Alltag zu spüren und welche Maßnahmen ergreifen Sie?
Eckl: Natürlich sehen wir die demografische Veränderung. Wir haben immer gesagt, wir müssen auch in China die Kompetenz aufbauen, die wir heute hier in Europa haben. Es wird nicht alles von hier kommen. Hier wie dort gibt es Kapazitäten. Es gilt in einem Bereich, in dem die Konkurrenz härter wird, schlicht die besseren Bedingungen zu bieten. Hierbei gilt nicht nur, dass am Ende des Tages der Pay Check stimmen muss. Es müssen noch viele andere Faktoren stimmen: Die eigene Verantwortung etwa, ein innovatives Umfeld mit leidenschaftlichen Entwicklungsingenieuren, die im Team gute Leistung erzielen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die CO2-Reduktion ist ein beherrschendes Thema in der Branche. Neben der Effizienz von Produkten in ihrer Funktion kommen auch den Themen Gewicht und Bauraumbedarf maßgebliche Rollen zu. Wie erzielen Sie hier weitere Vorteile?
Lexa: Ein gutes Beispiel ist der erwähnte Hybridbaukasten, mit dem wir auch einen Gewichtsvorteil von etwa 20 Kilogramm im Vergleich zu konkurrierenden Systemen am Markt erzielen. Unsere Hybridgetriebe sind einerseits längenbauraumneutral und andererseits können wir bei gleichbleibendem Bauraum innerhalb des Getriebes die elektrische Leistung vom Mild- bis zum Plug-in-Hybrid skalieren. Anders gesagt: Unsere Technologie spart Gewicht und Bauraum mithilfe gezielter modularer und skalierbarer Architekturen. Natürlich geht auch die Entwicklung bei Getriebematerialien wie Aluminium, Stahl, Sintermetallen und Kunststoffen weiter – hier sind aber keine ganz großen Entwicklungssprünge mehr zu erwarten.

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