Im Bild Helmut Matschi, Mitglied der Continental AG und Leiter der Division Interior.

„Beim automatisierten Fahren geht es jetzt darum, wie es gemacht und umgesetzt werden muss.“ Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands der Continental AG und Leiter der Division Interior. (Bild: Continental)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Matschi, ist Ihre Division mit Blick auf die Zukunfts-Themen Connectivity und autonomes Fahren noch in der Investitionsphase oder verdienen Sie bereits Geld?
Interior steht für 20 Prozent des Umsatzes von Continental, also für gute acht Milliarden Euro. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Produkte aus dem von Ihnen genannten Umfeld: um Mensch-Maschine-Schnittstellen, um Konnektivität und um die Systemintegration. Das sind für uns schon seit Langem sehr relevante Themen. Seit 1996, als wir mit GM Onstar die ersten Telematik-Einheiten auf den Markt brachten, haben wir mittlerweile 28 Millionen Fahrzeuge vernetzt. Daran kann man leicht erkennen, dass unsere Umsätze unmittelbar mit der Fahrzeugvernetzung verbunden sind. Komplett neu neben den Produkten sind jedoch die Services. Ein Bereich, bei dem wir uns sicherlich noch in der Anfangsphase bewegen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was sind die zentralen Punkte beim Thema Services?
Lassen Sie mich das in den verschiedenen Wellen der Digitalisierung erklären. Die Erste betraf noch Mechatronikthemen, in der Zweiten ging es um eingebettete Systeme. Dann kamen Systeme, die über Telematik-Einheiten vernetzt wurden. Ab dem Moment, in dem Daten und Funktionen von außerhalb des Fahrzeugs hereinkommen, beginnen Services.

Unser Ansatz ist es, das Thema von der Pike auf zu verstehen. Hierbei spielt Software eine große Rolle. Wenn wir die im Griff haben, kommt der nächste Schritt, Services zu betreiben. In einem weiteren Schritt geht es dann um Daten. Unsere aktuellen Partnerschaften und Akquisitionen gehen daher stark in Richtung Software, wie etwa das Beispiel Elektrobit zeigt. Aus dem Nutzfahrzeugbereich kennen wir Services bereits aus unseren Flottenmanagement-Themen, zum Beispiel über TIS-Web. Dort tiefer reinzugehen, führte zur Akquisition von Zonar im Oktober letzten Jahres. Ein weiterer Schritt folgte kürzlich mit der Investition in das Urban Institute, eine Firma aus Sachsen, die sich komplett mit einer Datenplattform für Smart Cities beschäftigt. Sie sehen, wie bei uns ein Schritt nach dem anderen folgt, um dieses Feld abzudecken.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viel Druck steckt dahinter, als Supplier dabei vorne mitzumischen?
Angefangen hat das Thema ja mit der Frage, ob die Consumer- mit den Automobil-Zyklen harmonieren. Die CES im Januar hat wieder gezeigt, dass Automotive hier mittlerweile eine bestimmende Rolle einnimmt: Das automatisierte Fahren an sich wird gar nicht mehr groß diskutiert, vielmehr geht es jetzt darum, wie es gemacht und umgesetzt werden muss. Wir sind mit den Themen tagein, tagaus beschäftigt. Bei uns hat es eine sehr starke Systematik, was man alleine schon daran sieht, dass wir 2017 bereits zum elften Mal auf der CES vertreten waren.

20 Prozent des Conti-Umsatzes kommen aus dem Bereich Interieur

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo liegen für Sie hierbei die Schwerpunkte?
Den großen Rahmen bilden Elektrifizierung, Vernetzung sowie automatisiertes Fahren. Für uns ist dabei die zentrale Frage: Was benötigen wir im Informationsmanagement-Umfeld dazu? Wir haben uns angesehen, wo es im eigenen Haus Überlappungen gibt und wo wir Umsätze generieren können. Unsere Strategie und große Ausgangsbasis ist die Rolle des Systemintegrators. Denn keiner weiß exakt, wie die nächsten zehn Jahre aussehen werden. Aber egal, was kommen wird: Es will integriert werden. Zu unserer Strategie zählt daher ein breites Produktportfolio mit den drei großen Schwerpunkten Mensch-Maschine-Schnittstelle, Konnektivität und Systemintegration. Unser Ansatz lautet: Wir informieren und verbinden gut und alles zu niedrigen Kosten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist mit Rückblick auf die CES bei Continental derzeit aktuell?
Neben den Schwerpunkten Holografie für Head-up-Displays, Over-the-Air-Updates und Services ist es zum einen das Thema Biometrie, um Personalisierungsmöglichkeiten im Fahrzeug zu schaffen oder den Fahrzeugzugang noch sicherer zu machen. Dabei spielt nicht der Schlüssel, sondern die Person selbst die Hauptrolle. Beim Thema Anzeige sind wir in Richtung 3D-Digital-Cluster unterwegs. Die zunehmenden Informationen im Auto führen dazu, dass Displays größer werden. Die Frage ist allerdings, ob große Displayflächen auch schön anzusehen sind. Wir unternehmen daher viele Anstrengungen, um eine 3D-Form unserer Displays zu entwickeln, die wenig Platz beansprucht und kostengünstig ist. So können wir Designfreiheit und Funktionalität kombinieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie erreichen Sie das?
Die Technik mit aufgesetzten Linsen ist dabei ein toller Lösungsansatz. Ein drittes Thema sind Head-Units. Während die Software für Multimedia bis dato in erster Linie in der Head-Unit eingebettet war, ändern wir unseren Blickwinkel und betrachten dies aktuell von Seiten der Apps. Mit unserem so genannten Cloud-Terminal sind wir in der Lage, die unterschiedlichsten Apps einzubinden. Damit haben wir eine Head-Unit, die so flexibel ist wie ein Smartphone. Auch Updates können wir so viel einfacher gestalten. Beim Thema Services sei auch noch das Park-and-go-Projekt in Singapur erwähnt, ein Projekt des Verkehrsinstituts von Singapur, der TU München und uns. Zurzeit haben wir etwa drei Viertel der Parkplätze erfasst. Das Ganze läuft über eine App, bei der dem Nutzer freie Parkplätze gezeigt werden und er via Link zu einem freien Platz navigiert wird. Der Clou dabei ist allerdings ein Algorithmus, der voraussagt, wie die Parkplatzbelegung bei Ankunft ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo stehen Sie jeweils?
Bei der Mensch-Maschine-Schnittstelle ist es ein wesentlicher Aspekt, den Fahrer nicht abzulenken. Wenn man dabei in Richtung automatisiertes Fahren denkt, geht es um die Frage, was benötigt der Fahrer in den verschiedenen Modi? Wie kann man ihn unterstützen? Wichtig sind dabei zwei Dinge: Zum einen müssen Informationen in unterschiedlichster Art aufgezeigt werden können und zum anderen geht es darum, Vertrauen zu schaffen. Das Augmented Reality Head-up-Display ist für uns daher nicht nur ein neues Produkt, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Mit DigiLens haben wir in eine Firma investiert, die an der so genannten holografischen Waveguide-Technologie arbeitet. Mit dieser Technik schaffen wir es, eine Achse im Head-up-Display nahezu zu eliminieren: Die Z-Achse wird nur noch einen Zentimeter stark. Damit minimieren wir die Tiefe im Head-up-Display um den Faktor zehn zu herkömmlichen Lösungen. Schade ist, dass wir diese neue Technologie erst 2022 in Serie bringen werden.

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