AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie stark haben kulturelle Unterschiede Einfluss auf eine gute HMI? Gibt es so etwas wie eine weltweit einheitliche, für alle gut passende HMI überhaupt?
Bei allem, was komplexer als ein Lichtschalter ist, wird es schon schwierig und selbst da gibt es kulturelle Unterschiede. Nehmen wir das Beispiel Icons und wie diese verstanden werden: Die für uns bekannte Sanduhr etwa, die für Warten steht, ist in Asien kulturell schlicht nicht verankert. Dann nehmen Sie das Thema Farben: Rot steht für Alarm, gilt in Asien so aber nicht unbedingt. Dann die religiöse und politische Ebenen, bei der es erheblich komplexer wird. In China darf Taiwan kein eigenes Land auf einer Karte, sondern nur Provinz sein. Wenn Sie sich da hinein begeben, haben sie es mit einer Unmenge an kulturell determinierten Einflüssen zu tun. Auf der anderen Seite haben wir die normative Kraft des Faktischen - will heißen: Es gibt Windows, Apple, Android, die weltweit in die Märkte drängen und auf diese Art und Weise überkulturelle Standards schaffen. Ich bin der Meinung, es wird bestimmte Dinge geben, die über kulturelle Instanzen hinweg vereinheitlicht werden. Aber es wird auch andere Dinge geben, die immer kulturell beeinflusst bleiben, wie etwa die ganze Farbwelt. Es wird Farb- und Icon-Anpassung geben für die die lokalen Märkte. Oder denken Sie an bestimmte Strukturen, wie diesen Windows-Button links unten in der Ecke, der inzwischen weltweit funktioniert. So wird es auch im Automotivebereich sein: Bestimmte Dinge werden weltweit einheitlich und andere werden für die lokalen Märkte angepasst werden müssen. Autohersteller haben da eine etwas andere Sicht der Dinge: Ein deutscher Autohersteller möchte überall, sagen wir, germanisch wahrgenommen werden, daher wird seine HMI auch entsprechend teutonisch gestaltet sein. Wer sich im Silicon Valley einen Porsche kauft, will, dass die HMI schön deutsch ist - denn er hat sich ja ein deutsches Auto gekauft. 

SAVE THE DATE 18. - 19. 10. 2016

15.Fachkonferenz Automobil Interieur – Lebensraum und Arbeitsplatz:
Der Branchentreff für alle Innenraum-Experten findet in diesem Jahr bei Audi in Ingolstadt statt.
Kontakt: andras.hetenyi@sv-veranstaltungen.de

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sind sowohl Referent als auch Beirat beim Fachkongresses Automobil-Interieur von AUTOMOBIL PRODUKTION und SVV, der in diesem Herbst in die 15te Runde geht. Wie wichtig sind solche Veranstaltungen für die „Innenraum-Macher“ der OEMs und Zulieferer?
Ich halte sie für sehr wichtig. Aus zwei wesentlichen Gründen: Da gibt es zum einen den fachlichen Austausch, der dabei hilft, zu sehen, wo es in anderen Fachbereichen hingeht. Und der zweite Punkt ist natürlich das persönliche Netzwerk, das man sich dort aufbaut, um den fachlichen Austausch auch über den Kongress hinaus weiter fortzuführen. Gerade die Fachkonferenz AUTOMOBIL-INTERIEUR ist hier ein sehr gutes Medium, weil es beides bietet - sowohl tolle Inhalte, als eben auch die Möglichkeit, spannende Leute kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie schafft man es denn, in einer Fachkonferenz zum Interieur den dramaturgischen Bogen genau richtig zu spannen?
Der ist mit der Auswahl an Referenten gegeben. Das Thema Fahrzeuginnenraum ist extrem weit gespreizt. Es reicht von Leichtbaumaterialien, über Sitze und Sitzbezüge bis hin in den Bereich Instrumentierung sowie auch tief in die Elektronikschiene und damit natürlich bis zum Thema Autonomes Fahren. Und dort stößt man dann auf die spannende Frage, wie sich die Fahrzeuginnenräume ändern werden und ändern müssen. Dies alles ist sehr spannend, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausblicken kann – wenn etwa der HMI-Elektronikfachmann auch mal mitbekommt, wie die Leute mit dem Thema Sitzbezüge kämpfen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist für Sie eine oder womöglich sogar die bedeutende Neuentwicklung im Bereich Fahrzeug-Interieur und HMI?
Was ich extrem spannend finde, ist das, was Tesla macht mit dem großen Display in der Mittelkonsole. Dieser Bereich im Fahrzeug ist ja seit Jahrzehnten segmentiert. Am Anfang war es ein flaches Brett. Die Zahl der Funktionen, der Buttons und Knöpfe hat bis in die 90er-Jahre zugenommen. Es haben sich dort wahre Stellteil-Friedhöfe eingefunden mit hunderten von Knöpfen. Sie finden dies heute übrigens im Nutzfahrzeugbereich teilweise immer noch in grauenvollsten Ausgestaltungen vor. Dann kam die Zeit des Infotainments und der Navigationssysteme, in der man mehr Sekundärfunktionen in die Bildschirme reingezogen hat. Und damit auch die Zeit der zentralen Stellteile - ob als Drehdrücksteller oder in Form eines Touchscreens. Jetzt sehen wir, dass auch zunehmend Sekundärfunktionen, die bis dato noch auf Hardkeys lagen, wie etwa die Klimasteuerung, auch ins Display rein wandern. Tesla hat da den konsequenten Schritt gemacht in Form dieses riesigen Dispays. Das bietet ja auch eine ganze Reihe von Vorteilen, etwa, dass man dort ein konfigurierbares HMI einbauen kann. Tesla bietet ja auch an, Funktionen down zu loaden. Ein Problem ist eher noch, dass dies bis jetzt noch nicht so richtig schön gelöst ist. Noch ist das wie ein Ziegelstein am Armaturenbrett. In absehbarer Zeit wird es mit Sicherheit sehr attraktive Lösungen geben. Womöglich wird man auf flexible Displays gehen, um wieder eine schöne Innenraumkontur zu erhalten.

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