Jochen Peter, Zeiss, Exklusiv-Interview

Jochen Peter, Zeiss IMT: "Das Messen im Serientakt funktioniert im Wesentlichen nur mit neuen, optischen Technologien." (Bild: Zeiss IMT)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Dr. Peter, welches Profil muss eine zukunftsfähige Mess- und Prüftechnik insbesondere im Automobilbau erfüllen?
Die Messtechnik muss heute Qualitätsdaten schnell, flexibel und hoch zuverlässig an verschiedenen Orten erfassen können. Und das nicht mehr nur innerhalb eines Messraums, sondern im Fertigungsumfeld und tatsächlich auch schon als fester Bestandteil der Produktionslinie. Die Datenerfassung allein reicht aber nicht aus, sondern die Messtechnik muss diese auch zentral zusammenführen, idealerweise auf das Wesentliche reduzieren, auswerten und dann letztendlich auch Handlungsentscheidungen unterstützen. Die Messtechnik entwickelt sich von einem reinen Datenlieferanten hin zu einem integralen Partner der Fertigung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Heißt das, der klassische Messraum ist ein Auslaufmodell?
Auch wenn er verschiedentlich für tot erklärt wird: Der klassische Messraum ist für sehr genaue und rückführbare Messungen auch langfristig für jeden unabdingbar, der ernsthaft Qualität produzieren möchte. Selbstverständlich muss er auch mit leistungsfähigen Messanlagen und qualifiziertem Personal ausgestattet sein. Das ist und bleibt die Basis. Aber auf Dauer reicht das natürlich nicht aus.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was genau macht die Messtechnik zum „integralen Partner der Fertigung“?
Das Messen im Serientakt, im Karosseriebau also in Zyklen von in 70, 80 Sekunden, funktioniert letztendlich nur mit neuen Technologien. Und das sind im Wesentlichen optische Technologien, wie sie beispielhaft in dem neuen Sensor AIMax cloud zu finden sind. Das ist ein optischer 3D-Sensor, der speziell für den Einsatz in der roboterbasierten 3D-Inline-Messtechnik in den Bereichen Blechverarbeitung und Karosseriebau konzipiert ist. Er generiert 3-D-Punktwolken direkt in der Produktionslinie und  nimmt in Sekundenbruchteilen – basierend auf Streifenprojektion – ein digitales Abbild eines Werkstückes auf. Er erkennt automatisch Standardsituationen und kann bestimmte Features wie  etwa Bohrungen, Biegekanten, Nieten, Flächenpunkte oder T-Pins mit nur einer Aufnahme messen. AIMax cloud lässt sich ohne Rejustagen oder Kalibrierungen innerhalb kürzester Zeit in Betrieb nehmen. Das ist ein wichtiges Thema in der Anlaufphase eines Produktes oder Fahrzeugs, wo eben die ganze Fertigung möglichst schnell hochgefahren werden muss. Weitere Anwendungsmöglichkeiten innerhalb der Automobilindustrie eröffnen sich in der Prüfung von Montage- und Schweissprozessen, bei Spalt- und Bündigkeitsmessungen im Rohbau und in der Endmontage.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Zielt die roboterbasierte 3D-Inline-Messtechnik mehr auf den Einsatz bei Premimumherstellern oder ist sie auch für Volumenhersteller geeignet?
Das Konzept differenziert in dieser Weise nicht. Sowohl bei Volumen- als auch Premiumherstellern stehen die Schweißroboter im Rohbau und diese oder weitestgehend identischen Roboter werden mit der 3D-Inline-Messtechnik ausgerüstet, die Messtechnik somit eben in den Fertigungstakt integriert. Damit wird eine 100 Prozent Messung in der Linie ermöglicht. Der Roboter ist dabei weder technisch, noch investitionsseitig irgendwie problematisch. Im Prinzip verstehen wir  jeden Roboter als Trägersystem für unseren Sensor. Funktional kommt es aus unserer Sicht auf die Sensorik an: Sie muss sehr schnell und kompakt sein, um beispielsweise durch Fensteröffnungen hindurch auch den Innenraum der Karosserie erfassen zu können. Kernkompetenz ist natürlich auch die das System steuernde Software.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was sind die wichtigsten Bausteine Ihrer Messtechnik-Strategie für den Automobilbau?
Neben dem beschriebenen Messen in der Linie – inline – konzentrieren wir uns auf Lösungen für das Messen in der Fertigungsumgebung – atline – und Anwendungen im Messraum. Dieser Logik folgend bezeichnen wir letzteres als „offline“. Für die Positionierung atline in der Fertigungsumgebung nahe der Produktion ausgelegt ist die komplett geschlossene Messzelle AIBox.
Sie schirmt nicht nur die hochauflösende Messtechnik vor äußeren Einflüssen ab, sondern verkürzt den Weg zum Messplatz und auch die Messzeit durch den Einsatz eines Roboters und optischer Sensorik. Im Messraum sind unsere Lösungen die klassischen Horizontalarm-Maschinen, die dann taktil oder mit optischer Sensorik sehr genau rückführbar Bauteile messen können. Zusammen mit der Softwarelösung PiWeb, die letztendlich die Daten aus all diesen drei relativ unterschiedlichen Messsituationen zusammenführt, aggregiert und dann eben zur Auswertung oder zumindest zum Reporting zur Verfügung stellt, ist damit das Grundgerüst unserer Strategie für das Messen im Automobilbau skizziert.

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