Bild von Herrn Peter Fintl, Leiter Technology & Innovation, Communication bei Altran.

Samsung und Harman beherrschen die Bereiche Ökosystem und aufregendes User-Experience-Design bestens, findet Peter Fintl von Altran. (Bild: Robert Sommerauer/pixelmaker.at)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Fintl, mit seiner Expertise in der Mobilfunktechnik, bei Speichern und Mikroprozessoren, kauft sich Samsung mit Harman Know-how im Automotive-Umfeld bei Navigations-, Infotainment- und Sicherheitssystemen ein. Was können die beiden anders oder gar besser als etwa Google oder Apple?
Wir sehen den Wunsch Samsungs, die gesamte Wertschöpfungskette der Konnektivität im Fahrzeug zu besetzen. Samsung kauft mit Harman – je nachdem, welche Umsatzzahlen man nimmt – die Nummer 2 der Branche und einen sehr etablierten Anbieter, der stark in der Serie vertreten ist. Was Samsung vermutlich schaffen will, ist eine einzigartige Plattform aus mobilem Endgerät, aus Hardware im Fahrzeug, die bereits in der Serie etabliert ist, sowie aus Services, die Samsung jetzt noch stärker anbieten kann. Mit dieser Kombination aus einem bestehenden Endgeräte-Ökosystem und neuen Fahrzeugdienstleistungen manövriert sich Samsung in eine aussichtsreiche Position, ein potenzieller Gatekeeper zu sein und damit auch andere Anbieter zu kontrollieren, die sich in diesem Umfeld tummeln. So stellt das Unternehmen sicher, dass ein gewisser Teil der Wertschöpfung zukünftig in Korea hängen bleibt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Haben Samsung und Harman also ein besseres Package?
Google hat natürlich Pfunde, mit denen es wuchern kann – allseits bekannt die riesigen gesammelten Datenmengen, die Google-Sprachtechnologie, die Google-Assistenzfunktionen. Und sie können über die Endkunden natürlich auch Druck, das heißt. Nachfrage, aufbauen. Genauso verhält es sich bei Apple und deren extrem beliebten Endgeräten. Die Leute bauen ihr digitales Leben heute um eine Marke, ein Ökosystem, auf und erwarten, dass sich die Umgebung danach richtet. Dies bedeutet: Eine Apple-Telefonunterstützung im Fahrzeug kann man nicht einfach fallen lassen. Noch dazu, wo Harman traditionell ein Treiber der Integration von Apple in das Fahrzeug war. Mit Samsung und Harman und ihrer Kombination aus Telefon (Samsung) und Infotainment-System (Harman) und ihrer Möglichkeit, auf dieser Plattform eventuell auch eigene Assistenzfunktionen und dergleichen anzubieten, entsteht aus unserer Sicht ein großer und wichtiger Mitspieler. Es mit eigener Hardware ins Fahrzeug zu schaffen, das muss man auch erst einmal machen. Google und Apple haben dies noch nicht bewiesen. Die Serie für das Automobil ist ja bekanntlich kein ganz leichtes Geschäft.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welchen Weg müssen Samsung und Harman gehen, um im Umfeld von Firmen Erfolg zu haben, die neben Infotainment auch ausgewiesene Kenntnisse in den Bereichen Antrieb und Fahrwerk mitbringen, wie etwa Bosch und Continental?
Harmans Umsätze im Infotainment-Bereich liegen vor denen der jeweiligen Sparten von Conti, Denso, Delphi und Bosch. Wenn sie es richtig machen, wird man von Samsung sehr viel Know-how aus der schnelldrehenden Konsumgüter-Industrie nutzen können. Speziell die Bereiche Ökosystem und aufregendes User-Experience-Design beherrschen beide jedenfalls bestens. Ich denke, dass es hier große Synergien geben kann. Es ist zudem fraglich, ob den Gesamtanbietern eine stärkere Verquickung von Fahrwerk, Antrieb, Infotainment und Vernetzung gelingen wird, um damit reinen Infotainment/Connectivity Spezialisten in Zukunft das Leben deutlich schwerer zu machen. Eine Möglichkeit dazu könnte sein, bestimmte Fahrzeugfunktionen gegen Bezahlung temporär freizuschalten. Es gilt hier ein sicheres, leistbares und akzeptables System aus Shop, Bezahlsystem und Fahrzeugarchitektur zu schaffen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie wird die Reaktion des Wettbewerbs ausfallen? Wird sich womöglich eine zweite Allianz bilden, um gegenzuhalten? Oder ist der Vorsprung von Samsung-Harman zu groß?
Eine gute Frage, die sich wohl auch in den Chefetagen der Infotainment-Zulieferer gestellt wird. Denn es gibt Druck auf der Nachfrageseite. Heute ist es zunehmend so, dass das verwendete Mobiltelefon als Zentrum des digitalen Lebens mitbestimmt, welches Auto man nimmt, weil es nahtlos unterstützt wird oder nicht. Noch vor kurzem wäre es kaum denkbar gewesen, dass sich die Automobil-Giganten in so einer Rolle wiederfinden. Für viele, die sozusagen mit dem Blaupunkt Mono-Radio sozialisiert wurden, ist das natürlich ein gigantischer Sprung. Aber wir sehen auch, speziell wenn es um Dienste, um Sprachbedienung und intelligente Assistenz-Funktionen geht: hier werden die Karten neu gemischt. Derzeit versucht hier jeder Mitspieler Allianzen auszuloten. Im Gespräch sind Google, Apple oder auch Amazon. Und mancher Hersteller, wie etwa Toyota, zeigt zumindest auf Messen einen eigenen Assistenten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das Auto wird zum fahrenden Smartphone. Dass es fahren kann, wird als selbstverständlich vorausgesetzt, es wird zur Infotainment-Kapsel, die über Features Kunden zum Kauf bewegt.
Gut vorstellbar. Künftig geht es um Nahtlosigkeit des Erlebnisses. Der Schlüssel liegt darin, dem Nutzer seine gewohnten Dienste ubiquitär und on-demand zur Verfügung zu stellen. Egal ob im Auto, Zuhause oder im Büro. Harman/Samsung kann hier die Entwicklung vorantreiben.

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