Voestalpine, Peter Schwab, Exklusiv-Interview

Peter Schwab, Voestalpine: "Unser Plan ist, bis 2020 insgesamt mindestens 16 phs-Anlagen für den indirekten und direkten Prozess in Betrieb zu haben." (Bild: Voestalpine)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Dr. Schwab, mit dem neuen phs-directform-Verfahren schlägt die Voestalpine ein neues Kapitel im automobilen Karosserie-Leichtbau auf. Womit genau verdient das Verfahren das Prädikat „Weltneuheit“?
Bisher konnten mit der patentierten phs-ultraform-Technologie der Voestalpine Bauteile ausschließlich im indirekten Verfahren hergestellt werden. Indirekt heißt: Die Platinen aus feuerverzinktem Stahlband werden in kaltem Zustand umgeformt und beschnitten. Nachfolgend erfolgt deren Erhitzung auf circa 900 Grad Celsius und in einem weiteren Schritt wird das umgeformte Bauteil durch Einlegen in ein gekühltes Werkzeug gehärtet und fixiert.
Die Automobilindustrie formulierte allerdings bereits seit längerem den dringenden Bedarf, diesen Produktionsprozess zu vereinfachen und direkt warmumgeformte, verzinkte Bauteile einsetzen zu können. In intensiver Forschungs- und Entwicklungstätigkeit haben wir nun als erster Anbieter weltweit diesen Technologiesprung von der indirekten zur direkten Umformung von verzinktem Stahlband geschafft und dieses neue Verfahren zur Marktreife gebracht. Damit ist phs-directform, so die Bezeichnung der Technologie, tatsächlich eine Weltneuheit: phs-Bauteile – press hardening steel – werden in nur einem Prozessschritt erhitzt, umgeformt und gehärtet. Vorteil: Es ist keine separate Kaltumformung mehr nötig.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was im Detail war die größte Herausforderung bei der Entwicklung?
Überzüge aus Zink bieten einen idealen Korrosionsschutz. Allerdings hat Zink einen Nachteil: Es verflüssigt sich bei 420 Grad Celsius, verdampft bei 900 Grad Celsius und bildet bei der Umformung Mikrorisse an der Stahloberfläche. Dennoch wagte Voestalpine den Schritt und investierte bereits vor über zehn Jahren in die Forschung für korrosionsbeständige, pressgehärtete Stähle. Der Schlüssel zum Erfolg lag in der Zusammensetzung und Dicke der Zinkschicht und der exakten Steuerung der Temperaturen im Verarbeitungsprozess. Es ist uns gelungen, durch kontaktlose Vorkühlung der Platine die Mikrorisse im Material zu vermeiden. Das heißt, wir haben zusammen mit einem Lieferanten den Ofen gänzlich neu konzipiert und in Eigenregie eine Zwischenkühlung entwickelt. Das 900 Grad heiße Material wird aus dem Ofen entnommen und mit einer Luftkühlung auf rund 550 Grad Celsius abgekühlt. Dann ist das Zink fest und kann umgeformt und abgeschreckt werden.
Die Kunst besteht darin, diesen neuen Temperaturpfad einzuhalten, um dem Bauteil dauerhaft eine Festigkeit zwischen 1.500 bis 1.800 Megapascal zu verleihen – je nachdem, was ich gerade einstellen will. Einen stabilen Prozess zu ermitteln, der die Problematik mit den Mikrorissen dauerhaft löst und ihn serienreif zu etablieren, galt eigentlich in der Fachwelt als unmöglich. Es ist für mich schon eine große Freude, dass uns das dennoch gelungen ist und der Umweg über die Kaltumformung für einfache Bauteile wegfällt.
Voestalpine ist somit als einziger Hersteller weltweit in der Lage, pressgehärtete Bauteile aus verzinktem Stahl sowohl im indirekten als auch im direkten Verfahren zu produzieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was sind typische Bauteile beziehungsweise Anwendungen in der Fahrzeugstruktur, die nun per phs-directform effizienter gefertigt werden können?
Premium-Automobilhersteller verwenden phs-ultraform bezeihungsweise phs-directform zur Herstellung crashrelevanter Sicherheitsbauteile in Form von Längsträgern, A- und B-Säulen, Streben in Seitenwänden und Türen sowie Schwellern. Wir haben es hier mit Festigkeiten von bis zu 1.800 Megapascal zu tun –das ist die Härte einer Messerschneide. Der Werkstoff behauptet sich auch sehr erfolgreich gegenüber alternativen Leichtbaumaterialien wie Aluminium und Karbon, die im Voestalpine-Konzern zwar nicht hergestellt, aber auch weiterverarbeitet werden.

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