Im Infotainmentsystem von Volvo lässt sich die Feinstaubbelastung ablesen

Die Feinstaubbelastung im Innenraum lässt sich im Infotainmentsystem ablesen. (Bild: Volvo)

Anders Löfvendahl, Technical Expert Cabin Air Quality, Volvo
„Wir werden uns in Zukunft noch stärker mit Smart Functions beschäftigen", sagt Anders Löfvendahl. (Bild: Volvo)

Volvo hat ein weiterentwickeltes CleanZone-Luftqualitätssystem für die Modelle der 60er und 90er Baureihen vorgestellt. Wie genau unterscheidet sich die Technologie von klassischen Luftfiltern?

Löfvendahl: Im Unterschied zur herkömmlichen Innenraumfilterung nutzen wir eine Pre-Charging-Einheit vor dem Filter. Dadurch können wir die gesamte Luft noch vor dem Filter mit hoher Spannung aufladen. Wir erhöhen damit die Elektrostatik, um kleinste Partikel der Kategorie PM 2,5 filtern zu können.

Frische Luft im Innenraum ist unzweifelhaft von enormer Wichtigkeit. Dennoch sind Sie der erste Autobauer, der diese Technologie in seinen Fahrzeugen einsetzt. Was ist so komplex an der Entwicklung?

Löfvendahl: Wir haben zunächst geschaut, was auf dem Markt verfügbar ist. Für Wohnräume gibt es bereits solche Filteranlagen. Aber in Fahrzeugen herrschen ganz andere Bedingungen, andere Anforderungen. Dort müssen Bauteile etwa Temperaturunterschiede von minus 40 bis plus 85 Grad Celsius aushalten. Das gewährleisten zu können, war besonders schwierig. Außerdem musste der neue Filter problemlos in bestehende Fahrzeugarchitekturen integrierbar sein. Auch die Anforderungen an Elektrik im Fahrzeug ist besonders streng und nicht zu vergleichen mit Heimelektronik. Wir haben etwa fünf Jahre an dem Filter gearbeitet.  

Gibt es Pläne, die Technologie auch in die kompakten Modelle der 40er Serie zu bringen?

Löfvendahl: Das schauen wir uns natürlich an. Letztlich hängt es an der Plattform. Wir haben den Advanced Air Cleaner jetzt für Fahrzeuge auf Basis der Scalable Product Architecture (SPA) entwickelt. Für andere Plattformen müssen wir womöglich andere Lösungen finden.

Maria Bernander, Technical Expert Occupational Health Effects, Volvo
Maria Bernander: "Wir bleiben bei der Auswahl unserer Materialien immer am Puls der Wissenschaft und schauen, ob es neue Erkenntnisse gibt." (Bild: Volvo)

Inwiefern zahlt gesunde Luft im Fahrzeug auf Volvos „Vision Zero“ ein?

Löfvendahl: Natürlich verbringt man in seinem Leben einen nicht unwesentlichen Teil in seinem Auto. Im Innenraum also den Feinstaub zu filtern, trägt zumindest zu einem Teil dazu bei, die Langzeitfolgen abzuschwächen.

Bernander: Es sind allerdings auch kurzfristige Gesundheitsschäden bekannt, wenn man sich akut zu hohen Feinstaubbelastungen aussetzt. Unsere Technologie filtert bis zu 95 Prozent der PM 2,5-Partikel aus dem Innenraum. Das hat einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und die Konzentrationsfähigkeit des Fahrers und damit der Sicherheit.

CleanZone wird ab dem kommenden Jahr mit der Volvo On Call-App vernetzt. Sehen Sie noch weitere smarte Anwendungsbereiche? Denkbar wäre doch, die Feinstaubbelastung außerhalb des Fahrzeugs zu messen und diese Daten aus der Flotte etwa mit Städten zu teilen…

Löfvendahl: Wir haben tatsächlich eine Menge Ideen. Auch solche, die Sie gerade beschreiben. Natürlich muss dafür die eine oder andere technische Herausforderung noch gelöst werden, aber das ist ein sehr interessantes Feld für uns. Deshalb war uns auch so wichtig, dass wir den Advanced Air Cleaner heute schon intelligent vernetzen. Der PM 2.5-Sensor zum Beispiel zeigt dem Fahrer im Auto oder auf dem Smartphone den aktuellen Feinstaubwert im Fahrzeug an. Über die App können Sie auch vom Sofa aus einen Reinigungszyklus starten, damit die Luft frisch ist, wenn Sie losfahren.

Sprechen wir über Materialien: Ist ein Innenraum, auf den niemand allergisch reagieren kann, überhaupt möglich?

Bernander: Das ist eine gute Frage (lacht). Nein, ich denke nicht, dass es viele Materialien gibt, die eine Allergie wirklich ausschließen lassen. Es gibt einfach so viele Allergien und auch Klassifikationen. Ich bin erst kürzlich auf eine Allergie gestoßen, die nur in den USA existiert, die es zum Beispiel in Schweden nicht gibt. Und letztlich kann man auf so viele Dinge allergisch reagieren: Stoffe in der Luft, Materialien selbst, Substanzen in Materialien oder ihre Ausdünstungen. Ich denke nicht, dass sich in dieser Hinsicht ein komplett sicherer Innenraum gestalten lässt.

Löfvendahl: Am Ende geht es darum, das Risiko bestmöglich zu verringern. Wir entscheiden uns dann für die Materialien mit dem unwahrscheinlichsten Allergiepotenzial. Garantien können wir natürlich nicht aussprechen.

Bernander: Wir bleiben bei der Auswahl unserer Materialien auch immer am Puls der Wissenschaft und schauen, ob es neue Erkenntnisse gibt. Dafür arbeiten wir eng mit Universitäten und Forschungsinstituten zusammen.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie sieht Ihre Arbeit in den nächsten Jahren aus? Was wird wichtig?

Löfvendahl: Ich denke, wir werden uns in Zukunft noch stärker mit Smart Functions beschäftigen. Auch die Fahrzeugnutzung wird sich ändern, das hat Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wenn ein Auto zum Beispiel geteilt wird, dann gibt es ganz andere Anforderungen an die Desinfektion. In den nächsten Jahren wird eine ganze Reihe von Fragen aufkommen, die wir heute noch nicht kennen.

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