Cockpitvormontage

Die Cockpitvormontage machte den Anfang: Touchscreens signalisieren den Wechsel in die digitale Welt. (Bild: AUTOMOBIL PRODUKTION / Klein)

Transporter sind nicht gerade die Stars auf den Automobilshows – zu wenig Design-Erotik, Arbeitsschuhe statt High-Heels. Dafür aber klare Kante und „schwarze Gürtel“ in der Disziplin „Logistik zu Lande“. Und wenn sie auch produktionstechnisch eher das Rampenlicht scheuen, so rückt ein Mercedes-Projekt dennoch just eine Transporter-Fertigung in den Mittelpunkt des Interesses von Fachleuten für Produktionsprozesse.

Die Mannschaft um Martin Kelterer, unter dessen Verantwortung das Mercedes-Benz Werk Düsseldorf täglich 725 nagelneue Transporter des Typs Sprinter hinaus in die Märkte schickt, hat ein elektronisches System entwickelt, das die Werker interaktiv dabei unterstützt, jedes Fahrzeug entlang seiner Fertigstellung detailliert dokumentarisch zu erfassen. Dadurch wird nicht nur tonnenweise Papier eingespart, sondern es werden auch die Abläufe optimiert. Und welche Einflüsse hat das auf die Qualität? Martin Kelterer erklärt die Effekte so: „Wenn ich eine Produktion auf stabile, schlanke Prozesse ausrichte, dann erfolgt nahezu automatisch auch eine Feinjustierung von Qualität und Effizienz.

Wandel

Die Umstellung auf die „papierlose Fabrik“ (PLF) ist ein Paradigmenwechsel – der „Wandel vom Geschichtsbuch zur Live-Berichterstattung.“ Eingeläutet wurde er im September 2013 in der Cockpit-Vormontage als Pilotlinie, zwei Monate später auf die „Einlinie stationär“ und mittlerweile auf die „Einlinie Gehänge“ ausgedehnt.

Der Prozess, der sich vormals für die Werkerführung, Fehlererfassung und Dokumentation kritischer Montageschritte pro Fahrzeug auf bis zu 40 DIN A4-Seiten einzuscannende Papiere, unzählige handschriftliche Anmerkungen, Signaturen und klassische Tintenabdruckstempel stützte, läuft heute ausschließlich elektronisch, benutzergeführt auf Industrie-Tablets (Touch-Screens von 12 und 17 Zoll Größe). Vorbei sind die Zeiten eines hohen manuellen Aufwands durch Doppelerfassung und fehlende Transparenz sowie nicht auswertbarer Daten. Arbeitsinhalte und Prüfumfänge werden eindeutig und taktbezogen beschrieben. Es lassen sich Schwerpunkte setzen (Lackkontrolle! Alle Clipse gesetzt?), Prioritäten können jederzeit visualisiert, Fehler graphisch erfasst werden.

Papierlose Fertigung - Ersparnis
Erfolgreiche „Papier-Terminatoren“: Die PLF-Projektverantwortlichen Michael Grzyb (li.) und Stefan Ton setzten den „Wandel vom Geschichtsbuch zur Live-Berichterstattung“ um. (Bild: AP/Klein)

Positive Seiten

Die Vorteile der neuen Struktur überzeugten und motivierten die von Anbeginn des Projekts mit einbezogenen Mitarbeiter schnell. Martin Kelterer verspürte nirgends in der Mannschaft Berührungsängste. Im Gegenteil: „Die Darstellung von Fehlerbildern ist zum Beispiel das Ergebnis aktiver Gruppenarbeit.“

Spätestens als der Zugewinn an Fehlervermeidung und Prozessstabilität deutlich wurde, gab es wohl keinen mehr, der den „Papierzeiten“ nachtrauerte. Nun erfolgen die Erfassung und das Reporting von Fehlern mit allen relevanten Informationen in Echtzeit, eine schnelle Rückspiegelung zum Verursacher treibt die Prozesssicherheit nach oben. Zudem: Ein berufliches Eintauchen in eine vom privaten Smartphone her vertraute „Welt“ wird kaum als Sprung ins kalte Wasser empfunden.

Sie möchten gerne weiterlesen?