Ein neues Autowerk. Gebaut von den Deutschen in Russland. Gerade in diesen für Russland wirtschaftlich nicht einfachen Zeiten. Da kann Kremlchef Wladimir Putin die glanzvollen Bilder von der Eröffnung des landesweit ersten Mercedes-Benz-Werks gut gebrauchen. 1000 neue Arbeitsplätze in der Nähe von Moskau. Schwungvoll unterschreibt der begeisterte Autofahrer am Mittwoch mit weißem Stift auf einer schwarzen Motorhaube: Putin. Daimler-Chef Dieter Zetsche dankt dem Präsidenten für die Unterstützung. «Mercedes-Benz glaubt an Russland», sagt der Stuttgarter. Dabei ist der Automarkt im größten Land der Erde alles andere als einfach.

Weil Putin viele Termine hat, ist das Fest nach wenigen Worten vorüber. Für Glückwünsche ist auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in den Industriepark Jessipowo im Moskauer Gebiet gekommen. Nachdem auch Deutschland immer neue Sanktionen gegen Russland wegen Putins Ukraine-Politik unterstützte, spricht der Minister zwar offen Probleme an. Er sagt aber auch, dass es nicht darum gehe, Russland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Ein erfolgreiches Russland sei auch in Deutschlands Interesse. Altmaier ist zum dritten Mal in Russland seit Amtsantritt vor gut einem Jahr.

Das neue Werk, das mehr als 250 Millionen Euro gekostet hat, soll Ansporn für deutsche und andere ausländische Investoren sein, trotz aller Risiken weiter Geld in den russischen Markt zu pumpen. Putin, der selbst Deutsch spricht, sichert Herstellern Unterstützung zu. Volkswagen produziert schon lange in Russland. BMW lässt hier Fahrzeuge montieren. Und auch Opel in Rüsselsheim hat angekündigt, nach dem Rückzug wegen einer Absatzkrise 2015 in diesem Jahr mit zunächst drei Modellen wieder durchzustarten.

Die deutschen Marken genießen bei den Russen einen tadellosen Ruf. Wohl auch deshalb wagt sich Daimler nun daran, in der Geschichte von Mercedes-Benz in Russland – wie das Unternehmen mitteilt - ein neues Kapitel aufzuschlagen. Daimler betrachtet seine erste Produktionsstätte im Riesenreich als «strategisches Investment». Zwar lässt der Konzern schon Lastwagen und auch Vans in Russland produzieren, aber keine Pkw. Bislang musste jedes einzelne Auto importiert werden. Das soll sich nun ändern.

Jene Autos, die Daimler am häufigsten in Russland verkauft, sollen künftig auch direkt hier vom Band laufen. 25 000 Stück pro Jahr. Die sogenannte Lokalisierungsstrategie ist eine gängige Vorgehensweise unter Autobauern auch in anderen Regionen der Welt. Dieses Vorgehen soll unter anderem unabhängig machen von Zöllen und Handelsproblemen.

Russland ist für den schwäbischen Autobauer ein wichtiger Absatzmarkt. Mercedes gilt hier seit Jahren als stärkste Premiummarke. 37 788 Fahrzeuge verkauften die Stuttgarter 2018, drei Prozent mehr als 2017. Auch für dieses Jahr erwarten die Schwaben ein leichtes Plus - für den gesamten Markt. Das wäre besser als die Stagnation in Europa.

Nach einem zweistelligen Wachstum von 2017 auf 2018 - ein Plus von 12,8 Prozent auf 1,8 Millionen Autos - ist der russische Automarkt allerdings mit Einbrüchen in dieses Jahr gestartet. Ein Grund für den Rückgang ist, dass die Mehrwertsteuer zum Jahresbeginn von 18 auf 20 Prozent stieg. Zudem ist die Kaufkraft russischer Familien aktuell nicht berauschend.

Der Autoexperte Jörg Schreiber von der Vereinigung Europäischer Unternehmen (AEB) in Moskau sah bei einem Ausblick im Januar noch ein mögliches Wachstum von 3,6 Prozent für dieses Jahr. Vor allem aber mögliche schärfere US-Sanktionen gehörten weiter zu den bedeutenden Risiken für den Markt, sagte er. Das frühere Ziel aber, Russland zum größten Absatzmarkt in Europa zu machen, ist in weiter Ferne.

Vor allem gibt es neben Erfolgsmeldungen auch immer wieder Negativschlagzeilen - von nicht ausgelasteten Produktionsanlagen etwa. Der US-Autobauer Ford teilte dieser Tage mit, sich vom russischen Mark zurückzuziehen, Werke zu schließen. Nach 17 Jahren in Russland sind den Amerikanern die Absatzzahlen zu gering.

Dagegen sieht Mercedes-Benz unter dem Dach einer eigens gegründeten Gesellschaft seine neue Fabrik als Teil des globalen Produktionsnetzwerks. So könnte der Daimler-Konzern zur Not Schwankungen bei der Nachfrage ausgleichen. Bei Moskau laufen nun zunächst Fahrzeuge der E-Klasse vom Band - die am meisten verkauften Modelle. Später kommen mehrere SUV-Modelle hinzu. Aber die S-Klasse, das Top-Segment, ist auch in Russland tabu - sie bleibt «Made in Germany».

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dpa