Volkswagen China

Endmontage im Volkswagen-Werk im chinesischen Anting. (Bild: Volkswagen)

Die enorme Abhängigkeit von dem lange brummenden Riesenreich schob den VW-Konzern gen Weltspitze – und könnte nun den Endspurt bremsen. Denn VW schwächelt im globalen Wettkampf umso mehr, je weiter es in die Ferne geht. Von China abgesehen hat Volkswagen in Übersee Defizite im Rennen mit den größten Autobauern General Motors (USA) und dem Noch-Branchenprimus Toyota (Japan). Lange überdeckte die VW-Stütze China dieses Ungleichgewicht in der Ferne. Doch auf dem weltgrößten Automarkt wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Die China-Verkäufe zum Halbjahr liegen bei Volkswagen 4 Prozent im Minus. Dabei entfällt ein gutes Drittel des Konzernabsatzes auf China. Auch daher ist die weltweite VW-Auslieferungsbilanz zum Halbjahr negativ.

Der Gesamtmarkt China war im Juni erstmals seit Jahren im Minus. Für Branchenkenner wie Stefan Bratzel war das absehbar: “Die Frage ist, ob die Verkaufsrückgänge nur eine vorübergehende Delle sind oder ob sich das länger zieht.” China befinde sich im Übergang vom boomenden zu einem zunehmend moderat wachsenden Markt. Auch Experte Peter Fuß, Partner beim Beratungsriesen Ernst & Young (EY), sagt: “Ich sehe in China keine Zäsur.” Auf einem hohen Niveau fielen die zweistelligen Wachstumsraten nun zwar auf einstellige Werte. “Das war aber auch zu erwarten, da dieses Land exorbitant schnell wächst. Und jetzt ist Innehalten geboten, damit dieser Markt nicht anfängt, zu überhitzen.”

Fuß, der seit vielen Jahren die Autobauer in Strategiefragen berät, gibt zu bedenken, dass in China zuletzt auf 1000 Einwohner erst rund 60 Autos kamen, in westlichen Industriestaaten dagegen schon locker mehr als 500. “Das zeigt das immense Potenzial und stimmt positiv.”

VW-China-Vorstand Jochem Heizmann spricht von “neuer Normalität”. Sie ändere nichts am Kurs der Wolfsburger, die in China schon heute rund 20 Fabriken haben und noch mehr planen. “Wir könnten mehr verkaufen, wenn wir mehr Kapazitäten hätten”, sagte Heizmann diesen Frühling.

Dennoch zeigt jede China-Delle, wie verwundbar der Konzern dort wegen seiner schieren Größe ist. Und es offenbart offene Flanken anderswo. Nach China sind die USA, Europa und Japan die weltgrößten Automärkte – also vor allem die Heimatgefilde von GM und Toyota. Eine Auswertung von EY zeigt zudem: Die ärgsten VW-Konkurrenten punkten öfter im fremden Revier gegen die dortigen Platzhirsche als die Wolfsburger.

So hat GM 2014 daheim in den USA 30 Prozent vom Markt gehabt, Toyota daheim in Japan 23 Prozent und Volkswagen in Westeuropa 30 Prozent – im Groben also annähernd ähnlich hohe Werte. Doch im Territorium der jeweils anderen wendet sich das Blatt: Volkswagen hat in den USA nur 6 Prozent Marktanteil, in Japan gar nur 1 Prozent. Weltmarktführer Toyota hält dagegen auf dem weltweit zweitgrößten Markt USA satte 23 Prozent und in Westeuropa immerhin 5 Prozent. Dort kommt GM auf 9 Prozent, ist dafür aber in Japan fast unsichtbar.

Toyota ist in den USA sogar so stark, dass sie hinter Ford auf Platz drei liegen. Damit halten die Japaner einen Top-Drei-Platz im Revier eines der Rivalen – das schafft sonst keiner in dem Trio. In Japan folgen Asiaten (Honda, Suzuki), in Europa Franzosen (PSA, Renault).

Im Rennen um die Autobauerkrone, die Volkswagen bis 2018 anpeilt, trifft also in der Tendenz eine China-Schwäche vor allem VW und GM – die Amerikaner machen ein Drittel ihrer Verkäufe im Reich der Mitte. Weltmarktführer Toyota dagegen spielt der US-Boom in die Karten.

Dennoch könnte der bisherige Rückstand in China sich schließlich für Toyota rächen. Das politische Verhältnis zwischen Japanern und Chinesen ist belastet, was das Verkaufen erschwert. Hingegen könnte VW langfristig seinen Vorsprung im bevölkerungsreichsten Land der Erde also auskosten – wenn es weiter rund läuft.

Doch dabei geht es nicht nur um Fabrikkapazitäten. Ein Thema sind Elektroautos mit Null-Emissionen, die in Chinas abgasbelasteten Metropolen viel schneller eine Zukunft haben könnten als etwa in Europa oder den USA.

“In China kann der Punkt sehr schnell kommen, an dem die Regierung den Schalter umlegt und örtlich nur noch Null-Emission-Fahrzeuge zulässt”, sagt EY-Automann Fuß. Er sieht weitere Herausforderungen, die China speziell machten. Dazu zählten die geringere Markenbindung der chinesischen Autokäufer, die wachsende Bedeutung der Geschäfte mit Wartung und Reparatur oder der stark internetgetriebene Vertrieb.

“Das Internet durchdringt die Mobilitätswelt in China dynamischer als anderswo”, sagt auch Fachmann Bratzel. Schon 650 Millionen Chinesen haben Smartphones. “Ganz anders als etwa in Deutschland läuft bereits ein hoher Anteil der Verkaufsanbahnung in den Autohäusern über das Internet, bis hin zum Abschluss.” Auch internetbasierte Services wie zum Beispiel taxiähnliche Fahrdienste schössen durch die Decke.

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dpa-AFX

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