Die zentrale These einer Studie des CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen besagt: Nicht der Abgas-Skandal stellt die größte Zukunftsbelastung des VW-Konzerns dar, sondern die chronische Ertragsschwäche der Kernmarke VW (VW-Pkw).
Ein Blick auf die Zahlen unterstreicht diese Aussage. So fährt VW-Pkw was den Gewinn pro Auto betrifft der Konkurrenz nur hinterher. Im reinen Autogeschäft, also ohne Finanzdienstleistungen und andere Aktivitäten erzielte der reine Auto-Teil von Konkurrent Toyota im Jahr 2014 eine EBIT-Marge von 9,7 Prozent, also 1.862 Euro pro verkauftes Fahrzeug. VW-Pkw kommt nur auf 540 Euro je Auto.
In einer völlig anderen Sphäre scheint Volkswagen in China zu schweben. Dieser Teil des VW-Geschäfts wird traditionell gesondert betrachtet. Fast man Audi, VW, Porsche und Skoda dort zusammen, so erzielte die Geschäftseinheit VW China einen Gewinn pro Fahrzeug von 3.445 Euro. Davon erhalten die chinesischen Joint Venture Partner 50 Prozent. Das China-Geschäft ist somit ein wichtiger Margenbringer für den Konzern.
Die Rentabilitätsschwäche von VW-Pkw lässt sich aber auch an einer anderen Kennzahl festmachen – der Quote Fahrzeuge pro Mitarbeiter. Der Primus in diesem Ranking ist General Motors. Im Durchschnitt produzierte ein GM-Werker 46 Autos im Jahr 2015. Zum Vergleich: Bei VW-Pkw lag die Quote im Jahr 2014 (die Gesamtzahlen für 2015 liegen noch nicht vor) bei 17 Autos. Auch Skoda (29 Autos pro Mitarbeiter), Toyota (29) und Ford (33) liegen vor dem Wolfsburger OEM.
Studienleiter Ferdinand Dudenhöffer meint: „Die niedrigere Arbeitsproduktivität wäre kein Problem, wenn zumindest der gleiche Gewinn pro Mitarbeiter erzielt würde.“ Aber auch das sei nicht der Fall. So hat ein Mitarbeiter bei VW-Pkw 2014 im Schnitt einen Gewinn (EBIT) von 21.426 Euro erzielt. Ein GM-Mitarbeiter schaffte im Jahr 2015 mehr als 45.000 Euro. Pro Angestellten verdiente Toyota sogar über 62.000 Euro.
Die Analyse des CAR-Center macht für diese Schieflage vor allem die hohen Lohnkosten beim Wolfsburger Autobauer verantwortlich. Die Personalaufwendungen pro Mitarbeiter belaufen sich bei VW-Pkw monatlich im Schnitt auf 7.335 Euro. Selbst bei der Premiumtochter Audi liegen diese mit rund 6.500 Euro noch darunter.
VW-Pkw verfügt als Stammgesellschaft des Konzerns über eine Mitarbeiterschaft von über 112.500 Angestellten in den Werken Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Kassel, Emden und Salzgitter. Neben Fahrzeugbau, Entwicklung und Verwaltung fallen dort zum Teil auch Zulieferaufgaben an – und das im Hochlohn-Standort Westdeutschland. Während in den letzten 30 Jahren immer mehr Autobauer ihre Strukturen verschlankten, hat die VW-Kernmarke entgegengesetzt gearbeitet. Die Fertigung von Sitzen, Interior oder Getrieben lagerten andere OEMs aus, VW hingegen stellt diese „In-House“ her. Dudenhöffer kommentiert: „Der VW-Konzern hat unter seinem früheren Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch margenschwache und personalintensive Aktivitäten in den Konzern verlagert und das zu hohen deutschen Standortkosten mit VW-Haustarifen.“
Ein weiterer Kostentreiber sind laut Studie die Prestige-Objekte des Konzerns. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Gläserne Manufaktur in Dresden, wo der Phaeton vom Band lief. Doch während der OEM die erfolglose Oberklasse-Limousine als Einmalexperiment einstellen könne, werde es schwer sein, eine rentable Verwendung für den Standort Dresden zu finden.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Diesel-Skandal ein Problem zu sein, das der VW-Konzern – wenn auch mit viel Geld – zeitnah lösen kann. Die eigentlichen Kostenprobleme scheinen hingegen strukturell bedingt zu sein.