Sao Paulo hat keine Copacabana, keinen Zuckerhut und keine Meeresbrandung. Was die Millionenstadt hat, sind viele Staus und einen großen Park. Dennoch macht sich die südamerikanische Automobilgemeinde alle zwei Jahre auf den Weg zur Avenida Indianópolis, 496, um ihre neuesten Produkte im größten Automobilmarkt Südamerikas zu präsentieren. Wer eine typische europäische Messe mit mehreren Hallen erwartet, täuscht sich: Es gibt genau einen großen Raum, in dem die Hersteller sich links und rechts wie an einer Perlenschnur aufgereiht, um die Aufmerksamkeit der Besucher heischen.
Der Boulevard der Autoträume erinnert in seiner grellen Lichtfarbenpracht an den New Yorker Broadway. Hier dürfen auch noch schöne Damen an den Autos stehen, ohne das eine Debatte über die politische Korrektheit entfacht wird. Das ist nicht die einzige Eigenheit der brasilianischen Auto Show: Die Pressekonferenzen der Hersteller folgen einem festen Ritual es geht von vorne nach hinten, einer nach dem anderen. Während VW, Fiat und GM sich ganz vorne breitmachen, fristen Ferrari (hat den 488 Pista im Gepäck) und McLaren mit dem - wie könnte es in Brasilien anders sein - Senna eher ein Schattendasein. Das nehmen sie bei Caoa Chery wörtlich: Während sich bei den anderen Autobauern grelle Scheinwerfer im Lack spiegeln, ist es bei den Chinesen dunkel und es wird immer noch am Stand geschraubt. Immerhin erkennt man den Kleinwagen Chery QQ.
Die Stadtflitzer sind in Brasilien nach wie vor gefragt. Doch die etwas größeren Fließheck-Pkws leiden unter dem immer stärker werdenden Trend hin zu SUVs und Pickups, spielen aber immer noch eine wichtige Rolle, genauso, wie die klassischen Stufenhecklimousinen. "Der Preis spielt in Brasilien nach wie vor eine große Rolle", sagt Antonio Megale, der Präsident des brasilianischen Automobilverbandes (ANFAVEA). Deswegen finden sich überall auch kleine Wagen, wie der Fiat Mobi Way, der auch im Land der Fußballer und des Samba produziert wird. Dagegen tritt VW mit Cross Up an. Eines ist fällt bei vielen Autos auf: Es geht den Brasilianern offenbar um die rustikale Crossover-Optik beziehungsweise die höhere Sitzposition und natürlich um Flexfuel-Motoren, die sowohl mit herkömmlichen Benzin als auch mit Biotreibstoff klarkommt. Diesel spielt bei den Pkws in Brasilien keine Rolle. Hersteller wie BMW oder Audi bringen ihre imposanten Standardwerke mit nach Sao Paulo: Sei es der BMW 8er oder der Audi Q8. Für viele Brasilianer sind und bleiben diese Autos ein ewiger Wunschtraum.
Neuer Wirtschaftsplan
Nachdem 2016 der brasilianische Markt mit lediglich 2,05 Millionen verkauften Einheiten seinen Tiefpunkt erreicht hatte, zeigen jetzt die Indikatoren wieder nach oben. In diesem Jahr sollen wieder 2,55 Millionen Autos an den Mann gebracht werden. Das ist ein ermutigender Trend, hat aber noch lange nicht das Volumen von 3,80 Millionen verkauften Autos, die Brasilien im Jahr 2012 zum viertgrößten Automarkt der Erde machten. Mittlerweile ist das südamerikanische Land in dieser Kategorie auf den achten Platz zurückgefallen. Das soll nicht so bleiben. Die Regierung des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro will das Land, damit die Autoindustrie zu neuem Wohlstand führen und hat eine Wirtschaftsstrategie für die Automobilindustrie mit dem Namen "Rota 2030" ausgerufen. "Wir sind optimistisch, dass dieser langfristige Plan greift", sagt VW-Lateinamerikapräsident Pablo di Si. Damit man die Trends nicht verpasst, muss man die richtigen Autokonzepte parat haben und da ist die Bandbreite trotz aller Marktverschiebungen relativ groß. Die Autobauer wollen in jedem Segment punkten. Das zeigen Autos, wie der Yaris oder der VW Virtus, aber eben Pickups, wie der Fiat Toro, an dem sich der VW Tarok orientieren wird - auch preislich: Der Fiat kostet rund 104.990 brasilianische Real (25.000 Euro). Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis der fünf Meter Pickup auf den Markt kommt. Vermutungen, dass es bereits 2020 soweit sein soll, verweisen die VW-Verantwortlichen in das Reich der Fabel.
Auf der anderen Seite betonen die lateinamerikanischen Statthalter immer wieder, dass der Tarok ein seriennahes Fahrzeug sei und dass die Technik im VW-Regal bereitstünde. Und: Der Pickup könnte auch für Europa interessant werden. Spätestens wenn dass der Fall ist, wird die Entwicklung des modernen Pritschenwagens Fahrt aufnehmen.