Die nächsten beiden Awards gehen nach Spanien. Da ist zunächst der Preis für das „Excellent Enterprise System“, den Manuel Mansilla Lozano auf dem ALP-Kongress am Abend des 6. November 2018 in Bremen entgegennehmen wird. Lozano leitet das IVECO-Werk Madrid, das schwere Lkw der Typen Stralis, Trakker, X-Way und Spezialfahrzeuge herstellt. Basierend auf einer konsequenten und hervorragenden Anwendung des World Class Manufacturing (WCM)  konnte sich das Werk in den letzten Jahren zahlreiche Awards sichern. Im April 2017 wurde Madrid als erstes Werk in der CNH Industrial Gruppe mit dem WCM Gold-Status ausgezeichnet.  Das Werk, das sechs Baureihen auf einer Linie fertigt, sieht sich einer sehr hohen Produktkomplexität ausgesetzt. Es müssen mehr als 26.000 Artikelnummern gemanagt werden, um eine reibungsfreie Fertigung zu gewährleisten. Das WCM-Konzept einer kontinuierlichen Verbesserung mit Einbindung aller Mitarbeiter wird hier äußerst wirksam ausgeführt.

Das junge Management-Team bindet die Mitarbeiter auf allen Ebenen stetig ein und schafft die Voraussetzungen, sich aktiv am kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu beteiligen. Dies wirkt sich in der sehr hohen Zahl eingebrachter Ideen pro Mitarbeiter aus, der zahlreichen pfiffigen Poka Yoke-(Fehlervermeidungs-) Lösungen und der vielen LCA-Lösungen (Low Cost Automation) in der Fertigung, die von den Mitarbeitern entwickelt wurden.  Der vierstufige Kaizen Ansatz – von Quick Kaizen bis hin zum Advanced Kaizen – wird perfekt priorisiert, genutzt und nachverfolgt. Die Kaizen-Projekte werden konsequent nach den vorgegebenen Methodiken des Problemlösungskreises erarbeitet. Zudem wird in jedem Kaizen die Mitarbeiterbefähigung durch angewandte Methoden vor und nach dem Projekt bewertet. Durch eine hervorragende Kennzahlen-Transparenz können die Maßnahmen sofort auf Wirksamkeit gemessen werden. Außerdem werden die Durchlaufzeiten der Kaizen-Projekte gemessen und diese konnten in den vergangenen Jahren stetig reduziert werden.

Der Ansatz, Qualität zu produzieren, statt Qualität zu prüfen, manifestiert sich im sehr robusten Qualitätssystem. Kontinuierlich werden Risiken bewertet, klassifiziert und durch präventive Maßnahmen – wie zum Beispiel Poka Yoke-Lösungen – minimiert. Dies zieht sich durch die gesamte Lieferkette, vom Lieferanten bis zum Kunden.

Von Madrid aus richtet sich der Blick der ALP-Jury nun nach Polinya in die Nähe von Barcelona. Dort steht das Werk des Zulieferers Magna Mirrors (Leitung: Pierre Guedes), welches den 2018er Award in der Kategorie „Supplier“ erhält. Die Fabrik hat eine Stabilisierungsphase hinter sich, nach der das Produktionssystem MAFACT (Magna Factory Concept) konsequent vorangetrieben wurde. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wurde nachdrücklich auf Basis der Kennzahlen auf allen Managementebenen und in allen Bereichen weiterentwickelt. Es existieren variable Anreizsysteme für die gesamte Belegschaft, Regelkreise und Abläufe wurden verbessert, die Standardisierung im Werk weiter vorangetrieben.

Bewährt: das Layered Audit System

Als Werkzeug zur Umsetzung von Prozessstandards und einer Steigerung der Qualität und Prozessrobustheit hat sich das Layered Audit System bewährt. Die Früchte der Anstrengungen zeigten sich zügig in der signifikanten Verbesserung der Kennzahlen wie unter anderem Qualität, OEE (Overall Equipment Effectiveness) und Ausschuss.

Zitat der Jury: „Den ausgeprägten Lean-Spirit spürt man überall im Werk, in den Qualitätsregelkreisen ebenso wie in den administrativen Bereichen, nicht zuletzt durch ein geschicktes Rotationsprinzip, durch das Führungskräfte im Laufe ihrer Karriere unterschiedliche Positionen im Werk wahrnehmen und somit das Prozessverständnis gefördert wird.“ Diese Kultur zeigt sich auch nach der Neugestaltung der Schichtführerrolle, bei der die Schichtleiter nun in ihrem Bereich für die Qualität, die Kosten, die Liefererfüllung und für die Motivation der Mitarbeiter zuständig sind. Die Rolle hat mehr Verantwortung bekommen und kann nun das Layered Audit, das weiter optimiert wurde, zusammen mit den Mitarbeitern noch besser umsetzen. Heute beliefert das Werk 16 Kunden in sechs Ländern und ist durch ein robustes System bestens für das geplante Wachstum ausgerichtet.

Zurückgeschwenkt auf den Erfolgskurs

Der Special Award  „Lean Transformation“ schließlich wird dem Werk Gießen der Poppe GmbH (Karosserie-Dichtungen) um seinen Leiter Patrick Vogel zuerkannt. Gewürdigt wird damit eine erfolgreiche Restrukturierung und die Rückkehr auf den Erfolgskurs. „Die Produktion ist neu strukturiert, eine teamorientierte Organisation ist etabliert, Standards und Verantwortlichkeiten sind geklärt, die Mitarbeiter haben erfolgreich praxisorientierte Trainings durchlaufen und das eingeführte Shopfloor-Management trägt Früchte – kurzum: Der Lean Ansatz hat sich bewährt“, steht in den Aufzeichnungen des Evaluierungsteams von Agamus Consult zu lesen. Das Protokoll hält außerdem fest: „Durch die Einführung einer wertstromorientierten Organisation konnten Konkurrenzdenken und Kompetenzgerangel zwischen den einzelnen Fertigungsbereichen vermieden und der Fokus wieder auf die Gesamtproduktion gerichtet werden.“

Die Etablierung einer teambasierten Arbeitsorganisation ging einher mit der Festlegung der Standards, wobei hier insbesondere auch die Schnittstellen zu anderen Bereichen wie etwa Logistik, Qualität und Instandhaltung neu definiert wurden. Entscheidend für den Erfolg war, dass die Veränderungen gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt wurden. Die Kommunikation war so offen und einfach wie möglich. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollten verstehen, warum die Veränderungen so wichtig waren. Auf diese Weise konnten Verunsicherungen und Abwehrhaltungen, die Veränderungen für gewöhnlich auslösen, weitgehend verhindert werden. Ein mehrstufiges Qualifizierungskonzept unterstützte den Wandel der Organisation und des Arbeitsverständnisses: maßgeschneidert, dialogisch, rollenspezifisch und vor allem praxis- und übungsorientiert. Mit den erfolgreichen Trainings im Rücken ging es dann an die Einführung von „5S“ (Sortieren, Systematisieren, Säubern, Standardisieren, Selbstdisziplin) – flächendeckend am gesamten Standort Gießen – gleichermaßen für indirekte wie direkte Bereiche. Dies erfolgte nach einem dreistufigen Train-the-Trainer-Prinzip. Mit einem pragmatischen Auditsystem wird bis heute sichergestellt, dass die geschaffenen Standards gelebt und ständig verbessert werden.

Als nächster Schritt im Rahmen der Lean-Transformation erfolgte die Einführung eines passgenauen Shopfloor-Managements, das sich mittlerweile zu einer wahren Verbesserungsmaschine entwickelt hat. Auftretende Probleme werden schneller und nachhaltiger gelöst, drohende Schwierigkeiten früher erkannt sowie Prozesse kontinuierlich verbessert und standardisiert. Keine Frage: Der Change-Prozess bei Poppe ist eine Erfolgsgeschichte. Verunsicherung und Krisenstimmung münden Schritt für Schritt in Aufbruch und Erneuerung. Dass die Veränderung auch gelebt wird, ist nicht zuletzt der Unterstützung durch den Betriebsrat geschuldet. Für ihn war wichtig, dass die Mitarbeiter immer offen und ehrlich über das Vorgehen informiert wurden und sie permanent mitgestalten konnten. Das alles blieb nicht ohne Auswirkungen auf die wichtigsten Kennzahlen: Unter anderem nahmen Qualität, Produktionseffizienz, Rückstände und Auftragsdurchlaufzeiten einen positiven Verlauf. Agamus-Chef Werner Geiger sagt: „Damit ist noch lange nicht das Ende der Lean-Journey erreicht. Das Werk mit seiner konsequenten Ausrichtung nach Lean-Prinzipien ist aber nunmehr sehr gut in der Lage, die zukünftigen Herausforderungen zu meistern und seine Value Stream Performance immer höherzuschrauben.“

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