
In der deutschen Autobranche drohen bis Mitte kommender Dekade massive Personalverschiebungen. (Bild: Adobe Stock / vadimalekcandr)
Die Autobranche gerät durch stärkere internationale Konkurrenz, die notwendige Transformation zur Elektromobilität, die Digitalisierung und wirtschaftspolitische Unsicherheiten zunehmend unter Druck. Dies hat radikale Folgen für die Beschäftigten der Industrie, so das Ergebnis einer Analyse, die der Branchenverband VDA mit dem Forschungsinstitut Prognos durchgeführt hat. Für die Studie „Beschäftigungsperspektiven in der Automobilindustrie“ wurden die Entwicklungen von 700 Berufsbildern in der Autobranche ausgewertet.
So viele Jobs kostet die Elektromobilität
Durch die Elektrifizierung des Antriebs werden Autobauer in Zukunft weniger Personal benötigen. Dies manifestiert sich der Studie zufolge etwa in überproportionalen Jobverlusten bei den bisherigen Top-Jobs der Branche: Von den zehn größten Berufsgruppen in der Automobilindustrie zählen den Autoren zufolge sieben zu denen mit den größten Jobverlusten seit 2019. Besonders Berufe in Maschinenbau- und Betriebstechnik sowie in der Metallbearbeitung hätten an Relevanz verloren.
Zuwächse seien hingegen bei Berufen in der zu beobachten, die vor allem bei den Herstellern angesiedelt sind sowie bei Berufen in der technischen Forschung und Entwicklung sowie in der Informatik, der Elektrotechnik und der Softwareentwicklung. Die Beschäftigung in IT-Berufen innerhalb der Autoindustrie etwa hat seit 2019 um rund ein Viertel zugenommen.
Renteneintritte reichen nicht aus
Wie auch in der Gesamtwirtschaft werden in der Autobranche innerhalb der kommenden zehn Jahre rund 25 Prozent der Mitarbeiter in den Ruhestand wechseln. Dies könne dabei helfen, den Personalbestand zu senken, so die Studienautoren, andererseits drohe in anderen Berufsfeldern aber ein erheblicher Engpass an Fachkräften – vor allem in der Elektrotechnik, Energietechnik und der IT.
Problematisch im Hinblick auf die Fachkräftesicherung seien vor allem Berufe, bei denen die Bedeutung steigt, aber das Angebot an Arbeitskräften sinkt. Konkret betreffe dies etwa Berufe in den Bereichen Maschinenbau und Betriebstechnik, Kunststoff- und Kautschukherstellung, Kunststoff- und Kautschukverarbeitung, IT-Netzwerktechnik, IT-Koordination, IT- Administration und IT-Organisation. Hier dürfte sich der Fachkräftemangel in Zukunft noch weiter verschärfen, so die Studienautoren.
Autobranche baut nicht nur Stellen ab
Die Studie offenbart zudem, dass die Autobranche nicht nur Jobs abbaut, sondern große Verschiebungen der eigenen Schwerpunkte die Personalstrategie beeinflussen. Einem Rückgang der Beschäftigungszahlen von 75.000 Mitarbeitern seit 2019 stehe ein Zuwachs von 29.000 Mitarbeitern in anderen Bereichen gegenüber.
Den größten Rückgang beobachten VDA und Prognos mit einem Minus von 8.900 Personen (minus 16 Prozent) bei Berufen in der Metallbearbeitung, die zum überwiegenden Teil in der Zuliefererindustrie angesiedelt sind. Das größte Plus gab es mit 10.700 Personen oder 14 Prozent in Berufen der Kraftfahrzeugtechnik, die sich vor allem bei den Herstellern befinden.
Gleichwohl gelte, dass der Saldo der Beschäftigung negativ ist und sich wohl weiter negativ entwickeln wird: Setzt sich der zwischen den Jahren 2019 und 2023 eingesetzte Trend fort, so läge die Beschäftigung in der Automobilindustrie in Deutschland im Jahr 2035 um 186.000 Personen niedriger als im Jahr 2019. 46.000 Arbeitsplätze – also etwa ein Viertel davon – seien in den Jahren 2019 bis 2023 bereits weggefallen.
„Die Transformation unserer Industrie ist eine Mammutaufgabe. Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie und ihre Beschäftigten leisten größte Anstrengungen, damit sie gelingt. Daran gibt es keinen Zweifel“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Insgesamt würden die deutschen Autohersteller und Zulieferer zwischen 2024 und 2028 weltweit rund 280 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren, rund 130 weitere Milliarden Euro in den Umbau der Werke. „Die Investitionen unterstreichen den Willen der deutschen Automobilindustrie die Transformation zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Wir wollen den Wandel“, so Müller.
Industrie erwartet politische Rückendeckung
Besonders hervor heben die Studienautoren die Rolle, die politische Rahmenbedingungen in Zukunft für die Autobranche spielen werden. Die geringere Beschäftigung sei kein Ausdruck einer Krise, sondern Teil der Transformation. Entscheidend sei, dass die Politik diesen Wandel unterstützt und begleitet. „Die politischen Rahmenbedingungen entscheiden darüber, ob die Zukunftsinvestitionen am Standort Deutschland stattfinden, ob das Neue, das ansteht, hierzulande mit neuen Arbeitsplätzen entsteht oder woanders“, heißt es hierzu seitens des VDA.
Aktuell sei die Situation allerdings kritisch: Unter anderem sei der Strompreis in Deutschland deutlich höher als in anderen Nationen – gleiches gelte für steuerliche und bürokratische Belastungen der Unternehmen.