Frédéric Lissalde BorgWarner

Frédéric Lissalde, CEO & Präsident BorgWarner, im Interview mit AUTOMOBIL PRODUKTION: "Wir spiegeln in unserem Angebot immer den Markt. Deshalb sind wir in der globalen Marktabdeckung und im Produktportfolio sehr breit aufgestellt." (Bild: BorgWarner)

AUTOMOBIL PRODUKTION: BorgWarner hat ein neues Entwicklungszentrum in Noblesville im US-Bundesstaat Indiana eröffnet, dessen Fokus auf elektrischen Antrieben liegt. Welche Rolle wird BorgWarner im Rahmen der elektrischen Mobilität von morgen spielen?
Lassen Sie mich zunächst einmal sagen: Unser Tech-Center in Indiana ist sehr modern und sehr ansprechend für die junge Mitarbeitergeneration. Es eröffnet viele Möglichkeiten zur Partizipation und Kommunikation, viele virtuelle Lösungen zur globalen Zusammenarbeit in Echtzeit und bietet im Rahmen des integrierten Testcenters modernstes Equipment. Was die Elektrifizierung angeht: Unser Ziel ist es, unseren Kunden die optimalen Lösungen anzubieten, was uns natürlich viele Chancen eröffnet. Die Zukunft der Mobilität wird verschiedene Phasen durchlaufen, wobei die Elektrifizierung natürlich eine Rolle spielt. Wir sind einer der wenigen Zulieferer weltweit, die selbst Getriebe, Leistungselektronik und elektrische Motoren herstellen können. Wenn Sie diese Elemente in einem Modul optimal kombinieren, erhalten Sie sehr kompakte und kosteneffiziente Lösungen. Der Hybrid vereint das Beste aus dem Bereich des Verbrennungsmotors und elektrischer Antriebe. Dadurch, dass der Fokus von BorgWarner ausschließlich auf Antrieben liegt, verfügen wir hier über ein breit aufgestelltes Angebot.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Elektrische Antriebe gelten gemeinhin als weniger komplex als Verbrennungsmotoren. Wie wird dies die Größe und Qualifikation Ihrer Belegschaft beeinflussen?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem zustimmen würde. Es ist nicht einfach, einen guten Elektroantrieb zu entwickeln und zu produzieren. Allein der Bereich NVH (Noise, Vibration, Harshness, Anm. d. Red.) ist eine große Herausforderung, dasselbe gilt für die Motorsteuerung. In jedem Fall: Entgegen des allgemeinen Markttrends wachsen wir auch im Bereich der Verbrennungsmotoren. Ein zusätzliches Plus verzeichnen wir aber auch bei Hybrid- und Elektroantrieben. Wir spiegeln in unserem Angebot immer den Markt. Deshalb sind wir in der globalen Marktabdeckung und im Produktportfolio sehr breit aufgestellt: Niemand kann genau sagen, welche Marktanteile die einzelnen Antriebsformen in fünf oder zehn Jahren aufweisen werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: BorgWarner hat vor Kurzem mit Sevcon einen Komponentenanbieter für E-Autos übernommen. Welche Rolle spielt das Portfolio und das Know-How von Sevcon künftig innerhalb von BorgWarner?
Als Anbieter von elektrischen Motorsystemen ist es uns sehr wichtig, über die bestmögliche Motorsteuerung zu verfügen. Hierfür muss man die Stärken und Schwächen des Motors kennen – Dies ist bei uns der Fall, es ist unser eigener Motor. Die Motorsteuerung ist auch Aufgabe der 200 Ingenieure von Sevcon. Vor der Übernahme haben wir auch schon Produkte mit Leistungselektronik wie den eBooster gelauncht. Aber Sevcon hat Ressourcen und Know-How mit ins Unternehmen gebracht – etwa aus dem Bereich der Steuergeräte für Hochvolt-Motoren. Wir unterstützen immer noch die Kunden im industriellen Umfeld, aber übertragen zunehmend auch Kapazitäten von Sevcon in den Fahrzeugbereich.

AUTOMOBIL PRODUKTION: 2017 ist BorgWarner bei Autotech Ventures eingestiegen, um die Verbindung zur globalen Startup-Szene zu stärken. Welche Ergebnisse sind hier sichtbar?
Wir sind in mehreren Startup-Netzwerken und Venture Capital-Strukturen beteiligt und auch die Partnerschaft mit Autotech Ventures bewerte ich als positiven Schritt. Sie gibt uns einen guten Überblick über neue Technologien, Innovationen und mögliche Partnerunternehmen. Es ist definitiv wichtig, in der globalen Startup-Szene präsent zu sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist der Langzeitplan von BorgWarner im Zusammenhang mit Startups eher auf Akquisitionen oder auf gemeinsame Ökosysteme ausgelegt?
Es hängt jeweils vom Unternehmen und von der Produkttechnologie ab, ob wir Partnerschaften oder Akquisitionen anstreben. Hiervor steht allerdings immer die Frage, welche Produkttechnologie wir selbst verfolgen wollen. Wenn diese Entscheidung gefallen ist, folgt hieraus meist das Wer und Wie. Beide Vorgehensweisen tragen konstruktiv zu unseren Entwicklungskapazitäten und zur Ideenfindung bei.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der Diesel scheint zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung gegenwärtig seinem Ende entgegenzusteuern. Was hält die Zukunft hier für BorgWarner bereit?
Wir glauben nicht, dass der Diesel schon tot ist. Wir beobachten aber derzeit einen Rückgang – insbesondere bei kleineren Dieselmotoren, weil es teurer ist, Euro 6-Modelle zu bauen. Wir denken aber, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, den Diesel mit neuen Technologien relevant zu halten. Wenn man sich einmal die derzeitigen Regularien anschaut, wird schnell klar, dass auch die aktuellsten Diesel hier einen Beitrag leisten können. Durch unser breites Produktportfolio im Antriebsbereich sind wir allerdings weitestgehend technologieneutral aufgestellt und richten uns nach den Wünschen des Kunden – egal, ob dieser auf Verbrennungs-, Elektro- oder Hybridmotoren setzt und ob er komplette Systeme oder einzelne Komponenten beziehen möchte.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In welche Richtung werden sich Technologien wie der Allradantrieb oder der Turbolader in Elektro- beziehungsweise Hybridfahrzeugen entwickeln?
Der Bereich Allradantrieb profitiert bei uns von der hohen weltweiten Nachfrage nach SUVs oder Crossovers. Im Falle von Elektroautos hängt viel davon ab, welches Fahrerlebnis das jeweilige Fahrzeug aufweisen soll. Hierfür ist etwa die Position des elektrischen Antriebs wichtig. Verschiedene Hersteller setzen allerdings auf unterschiedliche Architekturen. Die Gewinner im Zuliefererbereich werden hier diejenigen sein, die alle diese Systeme abdecken. Hinsichtlich des Turboladers werde ich häufig gefragt, wie wir unser Wachstum aufrechterhalten. Einer der Gründe ist, dass entsprechende Systeme im Bereich der Hybridantriebe immer stärker nachgefragt werden. Warum sollte man gerade hier auf einen effizienten Verbrennungsmotor verzichten? Das Gegenteil ist der Fall: Man benötigt einen perfekt getakteten Verbrenner mit Turbolader und mit guten Doppelkupplungs- oder Automatikgetrieben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: BorgWarner verfügt über eine starke Präsenz auf dem chinesischen Markt. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Unterschiede zu den westlichen Wirtschaften?
Für uns als Zulieferer macht es eigentlich keinen Unterschied, ob wir in den USA, in China oder in Europa arbeiten. Die chinesischen Kunden benötigen eventuell etwas mehr Systemsupport, sind allerdings bereits sehr erfolgreich unterwegs. Von generalisierten Aussagen sollte man aber absehen. Jeder Autobauer kommt in unterschiedlichen Technologiefeldern je nach der Produktpositionierung und dem Wunsch der Kunden in unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran. Die Autobranche bewegt sich weltweit mit immensem Tempo.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Prognose würden Sie in China für die Zukunft im Vertrieb elektrischer Antriebe abgeben?
China bewegt sich aufgrund der dortigen Regularien schnell in diese Richtung. Wir arbeiten hier sowohl erfolgreich mit den großen chinesischen Anbietern als auch mit deren westlichen Joint Venture-Partnern und örtlichen Startups zusammen. Generell sind wir mit unserer Positionierung in China sehr zufrieden – unter anderem auch, weil wir Teil des Wachstumsmarktes für Elektro- und Hybridantriebe sind.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Rolle wird die Brennstoffzelle in der Mobilität der Zukunft spielen?
Wir beobachten natürlich, dass die Autohersteller sich mit der Technologie befassen und bieten eigene Technologien für die Brennstoffzelle an. In den nächsten Jahren wird dies jedoch ein Nischenmarkt bleiben. Es wird aber keine singuläre Lösung für den Antrieb der Zukunft geben, sondern immer ein Mix aus verschiedenen Energieträgern existieren. Genau wie es eine Vielzahl der möglichen Einsatzfelder geben wird, wird es auch eine Vielzahl an Architekturen geben. Wichtig ist dabei immer die Effizienz – und dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Im autonomen Fahrzeug müssen ja über den Antrieb hinaus auch Sensoren wie Lidar oder Radar und die Computer mit Strom versorgt werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Stichwort neue Mobilität: Es macht den Eindruck als seien Zulieferer wie Bosch oder Continental derzeit damit beschäftigt, einen Wandel zum Mobilitätsdienstleister vorzunehmen. BorgWarner scheint sich hier nicht zu beteiligen, ist dies eine bewusste Entscheidung?
Ja, die Entscheidung ist bewusst und strategisch so gefallen. Wir beschäftigen uns mit Antrieben: Wir setzen Räder in Bewegung und bringen Fahrzeuge von A nach B. Hier liegt eindeutig unser Fokus – auf der Technologieführerschaft im Bereich des Antriebs. Das heißt natürlich nicht, dass wir neue Mobilitätstrends nicht erkennen oder verstehen. Schon alleine, weil für neue Services auch effizientere Antriebe benötigt werden. Aber wir sind sehr auf unser Kerngeschäft fokussiert, weil es nach wie vor enorme Wachstumschancen und Raum für Verbesserungen bietet. Wir setzen Dinge in Bewegung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie positioniert sich BorgWarner hinsichtlich von Zukunftsvisionen wie bemannten Drohnen?
Es ist möglich, dass wir hier langfristig aktiv werden, wenn ein entsprechender Business Case vorliegt, was aber aktuell noch nicht der Fall ist. Auch diese Konzepte brauchen Leistungselektronik und einen Antrieb. Aber mittelfristig sind wir auf den Antrieb fokussiert, der derzeit auf der Straße ist.

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