AUTOMOBILFORUM Gottschalk_2016

Nahm den Übernahmehunger der Chinesen unter die Lupe: Prof. Bernd Gottschalk. (Bild: WP Steinheisser)

Wer geglaubt habe, dass nach der ersten Offensive chinesischer Unternehmen mit der Übernahme renommierter deutscher Zulieferer wie Kiekert durch Lingyun oder Preh durch Joyson gestillt sei, habe sich getäuscht. Gerade in den vergangenen Wochen gab es eine Vielzahl von Aktivitäten, so der Ex-Daimler-Manager und Ex-VDA-Präsident, mit der Übernahme von Kuka durch Midea als herausstechendes Beispiel. Allerdings fokussiere sich das Interesse chinesischer Unternehmen nicht alleine auf große Supplier. Vom Maschinenbau bis Metallschrott-Recycler sei alles dabei, so Gottschalk, heute Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft AutoValue.

Dabei gehen die Chinesen fokussierter und strategischer denn je vor. Laut Zahlen, die Gottschalk beim AUTOMOBIL FORUM dabei hatte, lagen die Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen bei 40 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen 23 Milliarden auf Europa und hier ging die Mehrheit in die Zuliefererindustrie. Die Länder mit der höchsten Investitionsrate waren Großbritannien und Deutschland. Nach der Brexit-Entscheidung rechnet der Branchenexperte mit einer weiteren Verschiebung Richtung Deutschland.

Hohes Interesse haben die Aufkäufer aus Fernost vor allem am Thema Industrie 4.0. Ein anderes wichtiges Motiv ist, Zugang zu den deutschen Premiumherstellern zu gewinnen.

Kritisch beäugt Gottschalk das Geschehen im Bereich des Megatrends autonomes Fahren. Hier sei der Entwicklungswettlauf in vollem Gange und mit dem zugekauften Know-how könnten Autos des Internetriesen Alibaba schneller Realität werden als unserer Autoindustrie lieb sein könne: „Das neue Silicon Valley könnte in China liegen“.

Einen Ausverkauf der deutschen Industrie befürchtet Gottschalk aber nicht und verweist darauf, dass China der größte Automarkt der Welt ist, auf dem die Deutschen gute Geschäfte machen und diese dadurch wiederum guten Marktzugang in den Riesenmarkt erhalten.  Die Erfahrungen mit ihren neuen Investoren seien mehrheitlich positiv.  Zudem bräuchten viele Zulieferer starke Investoren an ihrer Seite, um die Herausforderungen zu bestehen, die durch Digitalisierung und Globalisierung auf sie zukommen – „Atemnot“ nennt Gottschalk das.

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