AUTOMOBIL PRODUKTION: Große Themen sind die Sicherheit der Übertragungswege, der Datenschutz und Backups. Wie sind Sie dabei aufgestellt?
Genau, der Bereich Security also. Sicherheit im Sinne des Datenaustauschs. Auf den Bereich Fahrzeugzugang haben wir schon immer ein hohes Augenmerk gelegt. Die Kryptologie der Verschlüsselung hat enorme Fortschritte gemacht, wie man am massiven Rückgang der Fahrzeugdiebstähle sehen kann. Mit dem Thema Konnektivität, der Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern, aber auch Konnektivität in die Cloud, zu Backend Servern, gewinnt das Ganze aber nochmal eine andere Dimension. Auch hier ist es so, dass wir verschiedene konzeptionelle Ideen haben, wie man die Fahrzeugarchitektur aufbaut. Ein Stichwort dazu lautet Gateway. Wir unterscheiden da zwei ganz wesentliche Punkte: Wir müssen zum einen das Hacken von außen erkennen und uns dagegen absichern. Und als zweites darf sich keine schädliche Software bereits als Schläfer im Fahrzeug einnisten, die irgendwann beginnt, im Fahrzeug Unfug anzustellen. Thema hierbei ist also das Entdecken von Anomalien, von Botschaften auf dem Bussystem des Fahrzeuges, die hier nicht reinpassen. Dies ist ein Hauptschwerpunkt in unserer Entwicklungsarbeit. Über Zertifikate und Kryptologien die Kommunikation abzusichern.

Fahrzeuggrafik Ethernet
Bei Continental Interior arbeiten die Experten an leistungsfähiger Netzwerktechnologie wie dem Ethernet. (Bild: Continental)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Moderne Fahrzeuge bieten immer mehr Funktionen, was deren Architektur zunehmend komplexer macht und daher auch eine größere Zahl von Steuergeräten erfordert. Wo sehen Sie denn eine natürliche Grenze?
Ich sehe eine Reihe von Grenzen, die durch die drei Themen Bauraum, Komplexität und Kosten gezogen werden. In Fahrzeugen wie einer S-Klasse gibt es kaum noch Raum ohne Elektronik oder Sensorik. Hier geht es teilweise nicht um Millimeter, sondern um zehntel Millimeter. Wir reden dabei auch von hundert  Elektroniken, die alle miteinander reden müssen. Die zweite Grenze liegt in der Komplexität. Komplexität im Sinne von Steuereinheiten, die über eine bestimmte Qualität verfügen müssen, die man updaten muss. Und dann das Thema Kosten. Viele Funktionen werden womöglich vom durchschnittlichen Fahrer gar nicht benötigt, ähnlich wie bei Programmen wie etwa Excel oder Word, die der User gar nicht ausschöpft. Im Premium-Segment ist die Preiselastizität eine andere, als in der Mittelklasse oder in den unteren Fahrzeugklassen. Dort wird es künftig noch stärker darum gehen, auch kostenmäßig gegenüber der weltweiten Konkurrenz zu bestehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Auf dem Elektronikkongress in Ludwigsburg hat Ricky Hudi von zwei Brains als einem möglichen Ansatz gesprochen, um der immensen Zahl Steuergeräte Herr zu werden. Ein möglicher Ansatz im Zeitalter von 50 oder 100 Steuergeräten im Auto?
Ein Denkansatz, der in die richtige Richtung geht. Zwei Rechner, wobei der eine mehr für das Thema Sicherheit und Fahrzeug und der andere für die Themen Multimedia und Co. zuständig ist. Den Weg dahin muss man noch definieren, denn wenn es von Anfang an so einfach möglich gewesen wäre, dann hätte man dies ja bereits gemacht. Es ist am Ende etwas komplizierter, weil es mit Kosten, mit Bauräumen sowie dem Bordnetz zu tun hat, wie auch mit der Ansteuerung von Aktuatoren. Das ist eben anders als bei einem iPhone. Aber wir sind uns alle einig, dass so ein Denkansatz, ob es letztlich dann zwei, fünf, oder sieben Rechner sind, durchaus in die richtige Richtung führt. Und diese Grundidee sehen wir auch bei vielen Kunden, nicht nur bei Audi.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie haben bereits das Stichwort Gateway genannt. Dieses ist eine Art Vermittler zwischen den einzelnen Steuergeräten, seien es, wie aktuell, gut 50, oder später dann nur noch 6,7 oder 8. Was kann ein Gateway und worin liegen dessen Vorteile?
Ein Gateway ist wie die Spinne im Netz, um in Bildern zu sprechen. Es ist mit allen Elektroniken verknüpft und damit wie ein WLAN-Router, den man von zu Hause kennt. Daten werden entgegengenommen, werden weiter verteilt, priorisiert, kontrolliert. Das Gateway erlebt derzeit eine Renaissance. Noch vor ein paar Jahren hatten nur sehr wenige Kunden eine E/E-Architektur auf Gateway-Basis. Heute macht das praktisch jeder. Der Vorteil ist, dass man quasi ein Einfahrtstor hat, ab dem sich dann die komplette Kommunikation in das Fahrzeug hinein verzweigt. Wenn ich dieses Einfahrtstor sicher mache und schaue, welche Botschaften und welche Informationen es dort gibt, kann man Anomalien aufspüren und sehen, ob jemand versucht, Daten ins Fahrzeug zu bringen. Bildlich gesehen setzt man eine Art Würgegriff an; es kommt nichts mehr durch. Das kann eine komplett dezentrale Struktur nicht, weil jede einzelne Steuereinheit nach außen vernetzt ist und es viele Einfallstore gibt. Der Vorteil des Gateways ist, das man nur eines hat. Wir denken auch daran, neue Software und Updates zentral über diese Einheit aus der Cloud zu holen und von dort aus weiter an alle anderen Steuereinheiten zu verzweigen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Eine Art zentrale Firewall?
Ja, eine Firewall mit Informationsmanagement, über die alle Daten laufen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist dabei der USP, den Continental zu bieten hat?
Zunächst sind wir im Umfeld der Gateways seit Jahren aktiv und wir sind die ersten, die ein Gateway mit auf den Markt brachten. Zweitens arbeiten wir mit allen Kunden weltweit zusammen und haben so einen sehr guten Marktüberblick. Drittens - und da sind wir wieder beim Thema E/E-Architektur - können wir konkrete Vorschläge machen, wie man unter Verwendung eines Gateways eine komplette Autoarchitektur aufsetzt. Mit all den Antworten auf die Fragen, wie viel es am Ende kostet, wie viel Steuereinheiten man benötigt, wie die Auslastung des Netzwerkes ist, bis hin zu Fragen der Gewichtseinsparung. Und dies alles aus einer Hand über Produkte, die wir selber produzieren. Ein Stichwort hierbei lautet Systemintegrations-Kompetenz.  Das ist der Vorteil, den wir bieten. In den meisten Fällen ja sogar als Marktführer.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Spielt hier auch ein wenig der „Made in Germany“-Gedanke mit?
Die Hauptentwicklung dieser Gateways sitzt in Deutschland, sogar relativ zentral zusammen, was jedoch nicht immer so bleiben wird, aber momentan ist es so.

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