Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth
Kamenz ist aus Sicht von Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth ein idealer Standort für die Batteriefertigung. (Bild: Daimler)

Warum sind Sie denn ursprünglich mit der Batteriefertigung nach Kamenz gegangen und nicht nach Untertürkheim?
Weil die Rahmenbedingungen andere sind.

Im Klartext, weil Sie in Kamenz viel Geld für die Ansiedlung bekommen haben?
Weil die Produktionskosten niedriger sind und die Flexibilität höher ist. Die arbeitspolitischen Rahmenbedingungen sind dort einfach besser als an unseren traditionellen Standorten. Mit der neuen Vereinbarung für das Werk in Untertürkheim haben wir aber auch hier einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Aber wenn Sie die Arbeitskosten optimieren wollen, müssten Sie doch nach Osteuropa gehen, oder?
Wenn wir allein dieser Logik folgen würden, müssten wir noch weiter gehen, zum Beispiel bis nach Asien. Das tun wir aber nicht, sondern betrachten bei Standortentscheidungen eine Vielzahl von Parametern. Die Arbeitskosten sind nur ein Faktor. Es geht unter anderem auch um Logistik, Infrastruktur und Bildung. Wir haben einen Produktionsstandort in Ungarn, in Kecskemet, und sind dort gut unterwegs. Das Werk in Kecskemet bringt im Produktionsverbund mit den Standort Rastatt viele Vorteile. Bei der E-Mobilität dürfen wir die logistischen Herausforderungen von Batterien für Elektrofahrzeuge und Hybrid-Modelle nicht vergessen: Die Batterien müssen in die Montagewerke kommen. Und gerade Batterien sind hinsichtlich des Transports kein einfaches Gut. Wenn wir all das in Betracht ziehen, ist Kamenz für uns ein idealer Standort.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Programm „Stream“?
Stream zielt darauf ab, die Fixkosten bei Mercedes-Benz LKW zu senken. Mit diesem Programm wollen wir uns in den indirekten Bereichen in Europa und Lateinamerika effizienter aufstellen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Rolle spielen Ihre Kooperationen mit Renault-Nissan oder BAIC beim Thema Fertigungstiefe?
China hat ganz eigene Herausforderungen, eine irrsinnige Dynamik und völlig andere gesetzliche Rahmenbedingungen. Es ist unheimlich beeindruckend, wie dynamisch sich die Gesellschaft dort entwickelt. Wir haben mit BAIC als Partner bei der dortigen Fahrzeug- und Motorenfertigung beste Voraussetzungen, um gemeinsam das Wachstum des Marktes zu begleiten und voranzutreiben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warum bündeln Sie dann in Europa nicht Ihre Einkaufsumfänge beim Thema Elektroantrieb mit BMW im Rahmen Ihrer Einkaufskooperation?
Wir prüfen ständig, wie wir uns wettbewerbsfähiger aufstellen und eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens sichern können. Dazu gehören auch eventuelle Kooperationsmöglichkeiten. Das ist unsere Aufgabe. Sie haben aber sicher Verständnis, dass ich zu ihrer Frage konkret nichts sagen kann. 

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wenn man die Kosten betrachtet, wäre das doch sicherlich eine sinnvolle Sache.
Wir dürfen das Thema Differenzierung im Wettbewerb nicht vergessen. Auf ganz lange Sicht wird der Elektromotor den Verbrennungsmotor ersetzen. Und Batterien für Elektrofahrzeuge und Hybride sind wettbewerbsdifferenzierend. Deswegen produzieren wir diese auch selbst. Es geht nicht so sehr um die Zellen, sondern um das Packaging - also die Frage, wie bringe ich Zellen zusammen, um eine leistungsfähige Batterie zu fertigen einschließlich Batteriemanagement und Elektronik? Das ist ein komplexes Thema, weil es große Auswirkungen auf die Frage hat, wie viel Leistung ich abfordern kann und welche Reichweite ich mit batterieelektrischen Fahrzeugen am Ende erziele.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ich vermute, dass Sie womöglich viel lieber mit Renault-Nissan zusammenarbeiten würden?
Wir arbeiten mit Renault-Nissan in verschiedenen Themen zusammen, aber auch mit ganz vielen anderen Partnern in anderen Bereichen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sind auch für die Konzern-IT zuständig. Was ist dort geplant?
Nein, bin ich nicht. Seit 1. Mai verantwortet Dieter Zetsche das Ressort.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warum das?
Das Thema Digitalisierung und IT hat so eine zentrale Bedeutung gewonnen für das autonome Fahren, für neue Prozesse, für das Thema Kundenschnittstelle und so weiter. Ich finde diese Positionierung richtig, denn das Thema ist von höchster Wichtigkeit. In anderen Unternehmen gibt es einen IT-Vorstand, wir haben das Thema hochkarätig beim Vorstandsvorsitzenden angesiedelt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Unter Ihrer Verantwortung wurden vielen IT-Themen wieder ins Unternehmen zurückgeholt – also klassisches Insourcing. Warum das?
Ganz früher war IT vor allem traditionelles Programmieren von Systemen und Produktionsanlagen. Danach hatten wir eine ganze Anzahl von Dienstleistern im Hause und die Einzelprojekte wurden von unseren Leuten eher als Projektmanager gesteuert. Das führte dazu, dass viele unsere Mitarbeiter nicht mehr so tief in der eigentlichen Programmierung drin waren. Die IT war Mittler zwischen den Fachbereichen und den externen Spezialisten. Mit der zunehmenden Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette kann man strategische Themen nicht mehr so leicht delegieren. Deshalb bringen wir unsere digitalen Spezialisten wieder enger mit den Fachbereichen zusammen und geben ihnen die Möglichkeit, schnell und agil zu arbeiten und zu Lösungen zu kommen. Wir bauen unseren IT-Bereich um, indem wir mehr Mitarbeiter und Experten reinholen, die direkt mit den Prozessverantwortlichen an besseren Lösungen arbeiten.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie viele IT-Leute haben Sie schon reingeholt?
Wir haben rund 1.000 Mitarbeiter von der Koordination wieder in die tatsächliche, lösungsorientierte Umsetzung gebracht. Zusätzlich haben wir hunderte von neuen IT-Mitarbeitern eingestellt. Vorwiegend Datenspezialisten für Big Data Projekte. In den vier strategischen Zukunftsfelder Connected, Autonomous, Shared and Services sowie Electric, die wir im Bereich CASE zusammengefasst haben, werden wir künftig noch mehr Experten einstellen, unter anderem für Software-Entwicklung, Künstliche Intelligenz und Kybernetik.

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