Augmented Reality

Mit Augmented-Reality-Produkten lässt sich Expertenwissen für Mitarbeiter sichern. (Bild: PTC)

Die Rente kommt, das Wissen geht. In den nächsten Jahren werden sich die Babyboomer samt ihrer Berufserfahrung in den Ruhestand verabschieden. Das Statistische Bundesamt erwartet, dass bis zum Jahr 2035 die erwerbsfähige Bevölkerung um rund vier bis sechs Millionen auf 45,8 bis 47,4 Millionen schrumpfen wird. Hinzu kommt: Innovationszyklen, gerade in der Automobilindustrie, werden kürzer, Fahrzeuge komplexer und individueller, die Produktion global vernetzter. Angesichts dessen stoßen herkömmliche Methoden zur Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern an ihre Grenzen. Mehr denn je geht es jetzt darum, Know-how im Unternehmen zu sichern.

Das Problem haben die Personalverantwortlichen erkannt und mühen sich seither, mit strukturierten Interviews zu sichern, was zu sichern ist. Es entstehen mäßig brauchbare Papierberge. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik haben ein Verfahren entwickelt, wie kritische Wissensträger in der Produktion überhaupt erst identifiziert und strukturiert interviewt werden können, was unter anderem der Zulieferer ZF praktiziert. Bei Michelin in Bad Kreuznach greift man indes zur Kamera. Entweder filmt der Werker mit seiner Helmkamera, was er gerade macht, und kommentiert Kniffe, oder ein Kollege übernimmt diesen Job. So möchte der Reifenhersteller vermeiden, dass erfahrungsgemäß zwei bis drei Jahre vergehen, bis ein Nachfolger den Dreh wie sein verrenteter Vorgänger raushat. Mit Videodokumentationen gelingt dies wesentlich schneller.

Noch eleganter und didaktisch wertvoller sind neue Anwendungen der Industrial Augmented Reality für die Qualifizierung. Besonders, wenn es um Erfahrungswissen geht, das, weil es nur in den Köpfen schlummert, oft unwiderruflich verloren geht. So können Fachkräfte mit der Lösung Vuforia Expert Capture des Softwareunternehmens PTC während der Arbeit freihändig und sprachgesteuert Schritt-für-Schritt-Anweisungen aufzeichnen, die weitgehend automatisiert in AR-gestützte Schulungen umgesetzt werden. Die Wiedergabe erfolgt mittels 3D- und 2D-Brillen, mobilen Endgeräten oder im Browser. Optional kann der Inhalt als Textdokument exportiert werden, um das aufgezeichnete Wissen zusätzlich in schriftlicher Form festzuhalten.

 

Dazu muss niemand Technikexperte sein: Mitarbeiter setzen sich eine Microsoft HoloLens oder das Head Mounted Device RealWear HMT-1 von RealWear auf und montieren, reparieren oder warten wie gewohnt weiter. Dabei kommentieren sie ihre Schritte, etwa mit welchem Drehmoment Schrauben angezogen werden und wie man Werkzeuge am besten in verwinkelten Bauteilen ansetzt. „Der Inhalt wird anschließend in einer sicheren, SaaS-basierten Umgebung verfeinert, indem jede einzelne Sequenz mit Text-, Bild- und Videomaterial entsprechend aufbereitet sowie bei Bedarf und zur Verständnisförderung mit zusätzlichen Informationen angereichert wird“, erklärt Yannick Filke, Presales Technical Specialist von PTC. Ein QR-Code ist der Schlüssel zu dem digitalen Wissensspeicher.

Eine ähnliche Lösung bietet 3spin, ein Spezialist für Mixed Reality, an. Das Darmstädter Unternehmen vertreibt mit „Dream“ eine AR & VR-Plattform, mit der sich per Smartphone-App oder Datenbrille relativ einfach Tutorials erstellen lassen, in die auch 3D-Modelle, Bilder und Texte einfließen. Ähnlich wie bei PTC braucht es hier keine erfahrenen Clip-Produzenten – Das sinnvolle Zusammenfügen von Texten, Kommentierungen, Bildern und Video-Sequenzen übernimmt eine Software. So werden unter anderem automatisch Untertitel generiert und das Tutorial in der richtigen Kategorie abgelegt. Was bei Unternehmen für Entspannung sorgen dürfte: So kann die Rente kommen, denn das Wissen bleibt.

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