Produktion eines Daimler-Fahrzeugs in China

Der Ausbruch des Coronavirus trifft im Moment jeden global aufgestellten Autobauer. (Bild: Daimler)

Bei Daimler hat man mittlerweile gelernt, mit Gewinnwarnungen umzugehen. Seitdem Ola Källenius als Konzernlenker das Zepter von Dieter Zetsche übernommen hat, hagelt es eine Gewinnwarnung nach der nächsten. Mittlerweile waren es derer fünf und sollte der chinesische Markt weiter unter den Auswirkungen des Coronavirus leiden, ist eine sechste Gewinnwarnung nicht ausgeschlossen.

Anfangs hatten den am letzten Tag des Jahres 2019 erstmals offiziell bestätigen Atemwegsvirus „2019-nCov“ die meisten unterschätzt. Wuhan, Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei, hat sich Anfang des Jahres zum Epizentrum des Virus entwickelt. Mittlerweile sind tausende von Menschen auf der Welt infiziert, hunderte gestorben. Die Stadt Wuhan ist von der Außenwelt abgeriegelt und auch in vielen anderen Regionen von China steht das tägliche Leben still. Lebensmittel lässt man sich bevorzugt nach Hause liefern, um nicht vor die Tür zu müssen und der Autohandel ist bereits vor dem chinesischen Neujahrsfest zum Erliegen gekommen. In vielen Firmen wird allenfalls noch von zu Hause gearbeitet. Die Güterproduktion liegt bei Autoherstellern und Zulieferern seit Längerem still. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Fertigung im Lande, sondern auch in anderen Staaten.

Hyundai und Kia beispielsweise mussten ihre Fertigungen auch im Heimatland Südkorea aussetzen, weil die aus China dringend benötigten Komponenten fehlten. Ähnlich sieht es in Korea bei Renault-Samsung, General Motors und SsangYong aus. Da bereits die ersten Zulieferer wackeln, hat der Hyundai-Konzern beschlossen, knapp 850 Millionen US-Dollar in lokale Zulieferer zu investieren, denen die gekappte Nachfrage der Autohersteller finanzielle Probleme bereitet. 350 Unternehmen, die Autoteile an Konzernunternehmen wie Hyundai, Kia, Hyundai Mobis, Hyundai Wia und Hyundai Transys liefern, erhalten Vorauszahlungen in Höhe von umgerechnet 585 Millionen US-Dollar sowie zinslose Darlehen in Höhe von 260 Millionen Dollar für die Stabilisierung des eigenen Geschäfts. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Yonhap wird die Produktion von Hyundai-Modellen in den Werken bei einer Unterbrechung von fünf Tagen bereits um mindestens 30.000 Fahrzeuge sinken, was einen Verlust von mindestens 505,3 Millionen US Dollar bedeutet.

Ähnlich schlimm sind die deutschen Hersteller betroffen, die in China längst einen Großteil ihres ertragreichen Geschäfts abwickeln. Bei Marken wie Audi, BMW, Mercedes, Skoda oder Volkswagen geht gerade nichts im Land der unbegrenzten automobilen Möglichkeiten. BMW produzierte im vergangenen Jahr zusammen mit dem Joint-Venture-Partner Brilliance über 530.000 Autos in China. Macht pro Woche mehr als 10.000 Fahrzeuge. Die Produktionsunterbrechung bei BBA wurde nach den chinesischen Neujahrsferien um zwei Wochen zunächst bis einschließlich 16. Februar verlängert – das kostet bereits jetzt mehr als 20.000 Fahrzeuge von Modellen wie BMW 1er, 3er, 5er oder X1 / X2 / X3 für den lokalen chinesischen Markt. In ähnlichen Dimensionen sind die Volumeneinbußen bei Audi und Mercedes. Zudem fällt teuer ins Gewicht, dass den deutschen Firmen oft mindestens die Hälfte an den Joint Ventures gehört.

„Die Joint Ventures FAW-Volkswagen und Saic Volkswagen der Volkswagen Group China haben ihre Produktionspläne aktualisiert. Wir arbeiten hart daran, zu normalen Produktionsprozessen zurückzukehren, sehen uns jedoch Herausforderungen gegenüber, die auf einen verzögerten landesweiten Neustart der Lieferketten sowie eingeschränkte Reisemöglichkeiten für Produktionsmitarbeiter zurückzuführen sind“, so Nicolas Thorke, Pressesprecher von VW China, „beide Joint Ventures gehen davon aus, dass spätestens Anfang nächster Woche die Produktion in allen Werken wieder aufgenommen werden kann. Angesichts der aktuellen Herausforderung in China wissen wir, dass der Kauf neuer Autos keine Priorität hat.“

Elf der insgesamt 31 Provinzen auf dem chinesischen Festland hatten angekündigt, dass sich die Rückkehr zur Arbeit für alle nicht wesentlichen Geschäfte um eine zusätzliche Woche nach der bereits verlängerten chinesischen Neujahrsferienperiode verzögern würde. Diese Provinzen (Hubei, Shanghai, Guangdong, Chongqing, Zhejiang, Jiangsu, Anhui, Yunnan, Fujian, Jiangxi und Shandong) sind nach IHS-Angaben für mehr als zwei Drittel der chinesischen Fahrzeugproduktion verantwortlich. Bereits bis zum Anfang dieser Woche rechnet IHS mit mehr als 350.000 Einheiten (minus sieben Prozent), die nicht produziert wurden. „FAW-Volkswagen beobachtet die Situation, hat seine Fahrweise den Erfordernissen entsprechend angepasst und arbeitet intensiv daran, zu einem normalen Produktionsprozess in den Werken zurückzukehren. Im Laufe der Woche, respektive Anfang kommender Woche plant das FAW-VW Joint Venture, die Produktion in den Werken wieder hochzufahren“, so Audi-Produktionssprecherin Kathrin Feigl, „es zeichnen sich keine Lieferengpässe von Komponenten bei FAW-VW ab. Die Kommunikation mit Kunden fokussiert sich derzeit auf das Online-Geschäft.“ Autohersteller wie Nissan, Toyota und Honda kündigten eine Verzögerung der Wiederaufnahme des Betriebs in ihren chinesischen Werken nach der Neujahrsferienperiode an, um die Öffentlichkeit zu Hause zu halten und die Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden.

Sollte sich die Situation jedoch bis Mitte März hinziehen und die Werke in den angrenzenden Provinzen stillgelegt werden, sind die Auswirkungen noch schlimmer als ohnehin schon. In diesem Szenario ist nach IHS-Berechnungen zu erwarten, dass die Lieferkette Chinas aufgrund von Teilemangel in Hubei, einem wichtigen Drehkreuz für Komponenten, und der Schließung angrenzender Provinzen für den größten Teil des Monats Februar möglicherweise unterbrochen wird. Bei diesem Szenario prognostiziert IHS für das erste Quartal einen möglichen Produktionsausfall von mehr als 1,7 Millionen Einheiten, was einem Rückgang von 32,3 Prozent gegenüber den Erwartungen vor Ausbruch der Krise entspricht.

Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass sich die japanische Autoindustrie die Auswirkungen des Coronavirus vom Leib halten können. Doch Ende der Woche muss mit Nissan auch das erste Werk in Japan eine Pause machen. Die Japaner setzen zunächst am Wochenende die Fertigung im Werk Kyushu aus, da es an Fahrzeugteilen mangelt. Am kommenden Montag will Nissan im gleichen Werk zudem eine Linie für Exportfahrzeuge stilllegen, bis neue Teile geliefert werden. Nach IHS-Informationen haben die beiden betroffenen Fertigungslinien eine tägliche Kapazität von rund 2.300 Fahrzeugen.

Doch es gibt auch positive Signale. General Motors erwartet zum Wochenende einen gestaffelten Produktionsstart in seinen chinesischen Joint-Venture-Werken, basierend auf der Verfügbarkeit der Lieferkette und des Lagerbestands. GM unterhält aktuell sieben Werke in China mit dem Joint-Venture-Partner SAIC, drei in Shanghai und zwei in der besonders betroffenen Region Wuhan. Die Gesamtproduktion aller sieben Werke wurde im vergangenen Jahr nach der Prognose von IHS auf 1,64 Millionen Einheiten geschätzt. Tesla hat nach eigenen Angaben als einer der ersten Automobilhersteller in der betroffenen Region Ostchina seine Produktion wieder aufgenommen.

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