AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Chancen sehen Sie für Automotive-OEMs durch das Thema Vernetzung – etwa mit Blick auf neue Geschäftsmodelle?
Die Chancen der neuen Geschäftsmodelle nutzen wir bereits heute. Schauen Sie sich nur unsere Services ParkNow mit über elf Millionen Kunden, ChargeNow mit derzeit 39.000 Ladestationen in 25 Ländern und DriveNow mit über 4.000 Fahrzeugen an. Mit dem heutigen Premium Service ParkNow als ein Beispiel, können Sie freie Parkplätze in Parkhäusern buchen, sich dorthin navigieren lassen und per App bezahlen. In naher Zukunft können Sie auch viele Straßen-Parkplätze über die ParkNow-App direkt bezahlen oder im Bedarfsfall die Parkzeit verlängern – das lästige Suchen nach Kleingeld ist vorbei. Bei DriveNow können unsere Kunden per App reservieren, nutzen und bezahlen. Mit über 570.000 Nutzern in Deutschland, England, Dänemark, Schweden und Österreich ist DriveNow eines der größten Carsharing-Unternehmen weltweit.
Die neuen Geschäftsmodelle benötigen ein hochperformantes Backend und eine schnelle, immer verfügbare und sichere Mobilfunkverbindung (die fünfte Generation des Mobilfunks), mit dem sie dem Kunden etwa HD-Maps mit lokalen Inhalten zur Verfügung stellen. Das eigene BMW-Back-end haben wir mit der Einführung von ConnectedDrive erfolgreich etabliert. Heute haben wir über drei Milliarden Zugriffe aufs Backend, in der Spitze 200 Zugriffe pro Sekunde – und das nur für unsere Echtzeitverkehrsdaten RTTI. Das damit verbundene Wissen über hochperformante Backendstrukturen nutzen wir bereits heute bei den Fahrerassistenzsystemen und in Zukunft beim automatisierten Fahren. Diese intelligente Vernetzung wird in unserem neuen BMW 7er zum Beispiel auch für ein interaktives Verkehrszeichen-Update genutzt. Die Navigation wird damit zur selbstlernenden Navigation. Dazu werden die von der Kamera der Speed
Limit Info erfassten Bilder von Verkehrszeichen am Straßenrand samt Positionsangabe anonym an das BMW-Backend geschickt, das Kartenmaterial wird aktualisiert ausgewertet und die Karten over-the-air aktualisiert. Der Fahrer eines BMW 7er – sofern er die Funktion aktiviert – trägt so zur Optimierung der Detailgenauigkeit, Aktualität und Zuverlässigkeit der Navigationsdaten für alle BMW ConnectedDrive-Kunden bei.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie groß ist beim Thema Connected Car aus Ihrer Sicht der Bedarf, Know-how von externen Anbietern zuzukaufen? Und wie stufen Sie die vielerorts beschriebene Konkurrenz durch Google, Apple & Co. ein?
Wir arbeiten heute sehr erfolgreich mit den so genannten „Neuen Playern“ zusammen. Wir binden beispielsweise Google-Dienste wie Google Send to Car, Google Local Search, Google Street View bereits über ConnectedDrive in die Fahrzeuge ein. Die neuen Player wie Samsung oder Baidu sind für uns eine Chance. Wir brauchen einen engen Link zur CE-Industrie, um die Wünsche und Erwartungen der Kunden des 21. Jahrhunderts zu erfüllen. Ein hervorragendes Beispiel für eine intensive Zusammenarbeit mit der CE-Industrie ist das BMW TouchCommand. Das herausnehmbare Tablet kann auf allen Sitzplätzen und darüber hinaus auch außerhalb des Fahrzeugs genutzt werden. Es ermöglicht die Steuerung von Komfortfunktionen wie Sitzeinstellung oder Klimatisierung sowie des Infotainment-, Navigations- und Kommunikationssystems. Darüber hinaus kann Touch Command zum Abspielen von externen Audio- und Videodateien, als Spielkonsole oder zum Surfen im Internet genutzt werden. Die Online-Verbindung erfolgt über einen ins Fahrzeug integrierten Wi-Fi Hotspot. Mit unserem Rear-Seat-Entertainment und etwa einer Blue-Ray wird der Fond zum Wohnzimmer. Zusätzlich besteht die Möglichkeit unterschiedliche Tablets und Smartphones über MiraCast anzusschließen und die Inhalte auf den Fond-Displays anzuzeigen.
Wir kooperieren auch im Bereich der digitalen Karte und digitalen Plattformen. HERE liefert uns mit den HD-Maps den Schlüssel auf dem Weg zum vollautomatisierten Fahren. Aber wir schauen auch auf uns selbst. Schon vor Jahren haben wir die CarIT in München gegründet, um junge Absolventen und Software-Experten ins Unternehmen zu holen. Darüber hinaus haben wir ein Technology Office in Mountain View im Silicon Valley, eines in Shanghai und eines in Ulm etabliert. 600 hochqualifizierte Informatiker und IT-Spezialisten arbeiten an der digitalen Zukunft von BMW. Die digitale Zukunft wird maßgeblich durch eine entscheidende Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts geprägt – „Machine Learning“. Zusammen mit Big Data und Crowdsourcing werden die Fähigkeiten von Systemen in vielen Dimensionen erweitern. Der neue 7er setzt bereits erste Techniken aus dem „Machine Learning“ wie zum Beispiel bei der Verkehrszeichenerkennung ein. Letztendlich wird diese Technologie „Enabler“ für das vollautomatisierte Fahren im urbanen Bereich. Die aktuelle Verkehrssituation im Umfeld eines automatisierten Fahrzeugs wird analysiert, verstanden und das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer wird für die nächsten Sekunden prädiziert. Verkehrsflüsse und Staus werden dann im
Backend prädiziert. Wir bauen dieses Thema konsequent aus, da es für das vollautomatisierte Fahren zwingend erforderlich sein wird. Mit dieser Aufstellung aus Kooperationen, Beteiligungen und eigener, breiter Ausrichtung können wir beruhigt in die Zukunft schauen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Sehen auch Sie in der Vernetzung die mancher Orts beschriebene Chance zur Verdichtung, respektive sogar zur Neugestaltung des Verhältnisses zum Automobil-Kunden wie auch zum Handel?
Der Kunde steht für uns im Mittelpunkt. Die Digitalisierung und Vernetzung schafft neue Services für unsere Kunden. Der BMW wird Teil der digitalen Lebenswelt mit all ihren Dienstleistungen. Aber auch in unseren Werken oder in der Händlerorganisation wird die Digitalisierung vieles verändern und verbessern. Der neue BMW 7er hat das Tor zu dieser neuen Zeit aufgestoßen. Das vollautomatisierte Fahren, die Digitalisierung und Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umwelt und mit seinem Fahrer revolutioniert die individuelle Mobilität. BMW hat sich darauf eingestellt und wir freuen uns auf die Freude am Fahren im 21. Jahrhundert!