Herr Weßner, seit Anfang des Jahres gelten neue Richtlinien für die Förderung von Elektroautos. Reichen die derzeitigen Fördermaßnahmen Ihrer Meinung nach aus, um eine dauerhafte Verkehrswende einzuleiten? Welche anderen Instrumente abseits der finanziellen Förderung halten Sie für sinnvoll, um mehr alternative Antriebe auf die Straßen zu bringen?
Die derzeitigen Fördermaßnahmen für Elektroautos greifen zu kurz, weil sie an den Kundenpräferenzen vorbeigehen. Wie wir aus unserer Studie zu den Marktpotenzialen von Elektroautos wissen haben E-Autos schon wegen der bekannten Reichweite- und Ladebeschränkungen vor allem dann eine Zukunft, wenn sie bedarfsgerecht mit weiteren Autos oder anderen Verkehrsmitteln kombiniert werden. Um eine nachhaltige Verkehrswende einzuleiten und das Straßenverkehrsaufkommen zu reduzieren sollte mittels einer Mobilitätsprämie Lust auf die kundenorientierte Kombination von (Elektro-)Autos mit öffentlichen Verkehrsmitteln gemacht werden. Dazu sollten wir neue Wege gehen und den Menschen zum Beispiel via einer digital durchführbaren Mobilitätsbedarfsanalyse ermöglichen, passende Mobilitätsmix-Kombinationen herauszufinden und Elektroautos UND die dazu passenden öffentlichen Verkehrsmittel via einer Mobilitätsprämie zu fördern.
Im Zusammenhang mit der Coronakrise ist eine Kaufprämie auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Gespräch. Woran sollten Prämien für den Fahrzeugkauf Ihrer Meinung nach bemessen werden?
Wenn uns tatsächlich an der Zukunft unseres Planeten anstelle von häufig nicht ganz uneigennütziger Ideologien gelegen ist sollten Autokaufprämien nach CO2-Emissionen gestaffelt werden. Nur so können wir die klimaschädliche Verteufelung des modernen Diesel stoppen sowie umweltfreundliche Antriebe, Erfindergeist und Innovationen fördern. Die klimafreundliche Zukunft des Autos kann nur durch technologieoffene Förderung von Antriebstechnologien gestaltet werden. Dazu gehören je nach Fahrprofil eben nicht nur Elektroantriebe, sondern auch Hybride und moderne High-Tech-Diesel. Elektroautos sind eben nicht DIE Zukunft allein, sondern ein immer wichtiger werdender Teil der Zukunft moderner Mobilität.
Unter anderem BMW-Chef Oliver Zipse hat den Plan verteidigt, trotz der Krise Dividenden an Aktionäre auszuzahlen, während der VDA warnt, ohne Kaufprämien müssten Arbeitsplätze abgebaut werden. Wie kann die Autobranche diesen Widerspruch gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen?
Die Automobilindustrie ist mit 800.000 direkten und nach einer Analyse von Gabor Steingart vier bis fünf Millionen indirekten Arbeitsplätzen nicht nur einer der größten Steuerzahler, sondern auch eine Schlüsselbranche für den Wohlstand in Deutschland. Ökologisch gestaffelte Autokaufprämien würden von daher auf Grund der Hebelwirkung auch vielen weiteren Branchen zugutekommen. Was die Auszahlung von Dividenden betrifft so sollten Großaktionäre in der aktuell schwierigen Zeit ebenso von sich aus ein Zeichen setzen wie dies die Vorstände mit dem Verzicht auf Boni tun. An den an Ausschüttungen gekoppelten Erfolgsbeteiligungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollte jedoch nicht gerüttelt werden.