Herr Galik, die Coronapandemie hat nicht nur Lieferschwierigkeiten bei Neufahrzeugen verursacht, sie hat ebenso zu Verknappungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt geführt. Die Bestände an Gebrauchten waren noch nie so gering wie aktuell, wodurch die Preise massiv anziehen. Wie bewerten Sie die Situation momentan?
Während der Coronapandemie ist die Nachfrage nach Gebrauchtwagen gestiegen, das haben wir auch bei unserer Holdinggesellschaft Aures festgestellt. Im Juli 2021 haben wir 22 Prozent mehr verkauft als im gleichen Monat 2020, im August rund 28 Prozent mehr und im September gut 33 Prozent mehr. Die aktuelle Halbleiterproblematik führt nun dazu, dass klassische Neuwagenkäufer auf das Gebrauchtwagensegment ausweichen. Wann sich die Situation bei den Halbleitern entspannen wird, ist noch nicht absehbar. Für die Gebrauchtwagenbranche ist das positiv. Ich erwarte, dass vor allem die großen Namen der Branche, die über eine etablierte Beschaffungsinfrastruktur verfügen, davon profitieren werden. Bei Driverama setzen wir Roboter-Suchtechnologien für die Beschaffung ein, was mich zuversichtlich für die Zukunft stimmt.
Der Siegeszug der Elektromobilität wird auch den Gebrauchtwagenmarkt verändern. Lohnt es sich überhaupt noch einen Verbrenner zu kaufen und werden wir in naher Zukunft einen deutlichen Werteverlust bei konventionell angetriebenen Gebrauchten erleben?
Die Elektromobilität ist rasant auf dem Vormarsch, was wir aus ökologischer Sicht natürlich unterstützen. Verschiedene Quellen kommen jedoch zu dem Schluss, dass der prozentuale Anteil von E-Autos an allen Pkw weniger als ein Prozent beträgt. Wir müssen die Situation aus einer breiteren Perspektive betrachten. Natürlich gibt es Bereiche, in denen die Zahl der Verbrennungsmotoren zurückgehen wird, etwa in den Stadtzentren der Großstädte sofern die Schnellladeinfrastruktur ausreichend ausgebaut ist. Gleichzeitig hinken vor allem die ländlichen Gebiete beim Ausbau der Ladeinfrastruktur massiv hinterher. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich das ändert. Ich denke, ob Sie nun das leise Brummen des Elektrofahrzeugs oder das Rumpeln des V8 mögen, Sie werden beides noch auf den Straßen hören. Alles in allem registrieren wir natürlich, dass zunehmend auch E-Autos auf den Gebrauchtwagenmarkt drängen, einen deutlichen Werteverlust der Verbrenner in naher Zukunft sehe ich jedoch nicht.
Wie beim Vertrieb von Neuwagen spielt auch bei Gebrauchten der Weg übers Internet eine immer stärkere Rolle. Junge Online-Autobörsen wie Autohero, Heycar oder Driverama fordern die etablierten Plattformen im Kampf um die Marktführerschaft heraus. Worauf kommt es beim Wettbewerb um den Online-Kunden im Besonderen an?
Wenn es um den Verkauf von Gebrauchtwagen über das Internet geht, ist der Markt derzeit hart umkämpft. Als neuer Akteur ist es natürlich wichtig, erst einmal Vertrauen aufzubauen. Unserer Erfahrung nach gibt es gerade im Gebrauchtwagensegment noch viele Vorbehalte. Dieses Vertrauen bauen wir unter anderem dadurch auf, dass wir uns mit unseren Store-in-Store-Filialen bei stop+go dem Kunden physisch präsentieren und nicht nur eine Internetseite sind. Zum anderen hilft uns natürlich unsere Holding, die schon viel länger auf dem Markt ist und ein gewisses Standing in der Branche hat. Generell kann es auch helfen, eine Marke mit einer prominenten Persönlichkeit, einem Testimonial, zu bewerben. Dann muss ich als Marktteilnehmer dem Kunden gegenüber fair auftreten und möglichst viele Prozesse übernehmen, zum Beispiel die Abmeldung des Fahrzeugs. Der Verkauf des Fahrzeugs muss für den Kunden unkompliziert sein und natürlich mit dem bestmöglichen Verkaufswert, damit der Kunde im Idealfall beim nächsten Verkauf wieder zu uns kommt.
Zur Person:
Stan Galik ist Vorstandsvorsitzender und Co-CEO bei Driverama. In den letzten sechs Jahren war er als Chief Innovations Officer bei Aures Holdings tätig, dem größten unabhängigen Gebrauchtwagenhändler in Mittel- und Osteuropa. Galik war als Berater für eine Reihe globaler Autohändler tätig, darunter große Unternehmen in Nordamerika, Asien und Afrika. Er hat einen Doktortitel in Psychologie und war in den letzten zehn Jahren als Dozent an einigen Universitäten in der Tschechischen Republik tätig. Galik ist Buchautor und Autoliebhaber. Das Magazin Forbes hat ihn in die Liste der einflussreichen "30 unter 30" aufgenommen.