Mit einem Umsatz von 12,27 Milliarden Euro im Jahr 2023 konnte Gestamp ein Wachstum von 14,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielen und einen Gewinn von acht Prozent verbuchen. Diese Entwicklung führt das Unternehmen auf eine Kombination aus technologischer Weiterentwicklung, Kostenmanagement und enger Zusammenarbeit mit Automobilherstellern zurück. Als strategischer Partner für OEMs fokussiert sich Gestamp auf Produkte in den Bereichen Body in White, Chassis und Mechanik (Edscha). Die Strategie, umfassende Lösungen anzubieten, die sowohl Komplexität reduzieren als auch Nachhaltigkeitsziele unterstützen, habe wesentlich zum Erfolg beigetragen.
Ende Oktober 2024 zeigte Gestamp auf der IZB in Wolfsburg einige Innovationen, wie eine elektrische Schiebetür mit Servofunktion von Edscha (von Gestamp). Dieses System kombiniert vollautomatische Bewegung per Knopfdruck mit einer intuitiven manuellen Bedienung. Besonders sei die konstante Bedienkraft der Tür, die unabhängig von der Parkposition – etwa an Steigungen – gleichbleibt. Dies erleichtere die Nutzung für Kinder oder ältere Menschen erheblich. Das System basiert auf einem speziellen Seilspannmechanismus, der die Tür spielfrei hält und eine intuitive Bedienung durch einfaches Anstoßen ermöglicht. „Diese Innovation ist ein großer Fortschritt für den Komfort, aber auch für die Sicherheit“, betont Jochen Bals, R&D Mechatronics director von Edscha Gestamp, auf dem Messestand. Neben der verbesserten Benutzerfreundlichkeit hebt Gestamp die „Tip-to-Run“-Funktion hervor, die das System für autonome Fahrzeuge oder sogenannte People Mover zukunftsfähig macht.
Gestamp sieht Potenzial in Gewichtsreduzierung
„Zulieferer sind mittlerweile für 75 Prozent der Fahrzeugwertschöpfung verantwortlich. Für viele und speziell für uns liegt die große Chance darin, hochmoderne, hochentwickelte und kosteneffiziente Schlüssellösungen anzubieten“, sagte Ignacio Martin Gonzalez, Gestamps Chief Technology and Innovation Officer im Interview mit Automobil Produktion. Dies bringe nicht nur Chancen, sondern auch zusätzliche Verantwortung mit sich. In Bereichen wie der Gewichtsreduzierung von Fahrzeugen und der Entwicklung von nachhaltigen Lösungen sieht das Unternehmen Potenzial. Ein Beispiel ist die zunehmende Integration von Batterie- und Motorkomponenten in Karosserie und Chassis. Gleichzeitig betont Gestamp die Notwendigkeit, sich an die veränderten Anforderungen der Elektrofahrzeugarchitekturen anzupassen.
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das sogenannte Gigastamping, bei dem komplexe Strukturbauteile in einem einzigen Pressvorgang aus bis zu 16 Einzelkomponenten gefertigt werden. Dieser Ansatz spart nicht nur Produktionszeit und Logistikkosten, sondern ermöglicht auch eine Gewichtsreduzierung: „Wir sind in der Lage, die Fahrzeugstruktur mit einer Gewichtsersparnis von bis zu zehn Prozent herzustellen“, erklärt Thomas Linn, Programm Manager bei Gestamp. Dies trägt sowohl zur CO₂-Reduktion als auch zur Stabilitätsverbesserung bei. Laut Gestamp wird diese Technik bereits in Werken in China, den USA und Deutschland, wie etwa in Ludwigsfelde, in Serie eingesetzt und ist ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen Produktportfolios.
Fokus auf Materialinnovation und hybriden Lösungen
Angesichts des wachsenden Gewichts von Elektrofahrzeugen, bedingt durch die Batterien, hat sich Gestamp vom reinen Stahlverarbeiter zu einem Anbieter von Hybrid- und Aluminiumlösungen entwickelt. Das Unternehmen setzt dabei auf Materialkombinationen, die Leichtbau ermöglichen und gleichzeitig Crash-Sicherheit sowie CO₂-Reduktion gewährleisten. Hybride Lösungen, wie sie in Batterieboxen oder Fahrwerkkomponenten zum Einsatz kommen, sind ein wichtiger Teil des Portfolios. Diese Lösungen erfordern jedoch hohe Investitionen in Verbindungstechnologien, um die Anforderungen an Sicherheit, Korrosionsbeständigkeit und Toleranzen zu erfüllen.
Ein weiteres Beispiel für diese Innovationskraft ist die Entwicklung hochfester Achsträger. Diese bestehen aus Stahl, der mithilfe der Hydroformtechnik verarbeitet wird. Durch eine Reduktion der Blechstärke um 0,7 Millimeter konnte das Gewicht um rund zehn Prozent oder 2,5 Kilogramm gesenkt werden. Gleichzeitig behält der Achsträger seine Stabilität und erfüllt alle Anforderungen an Sicherheit und Performance. „Wir haben in intensiven Tests und Entwicklungsphasen an der Formbarkeit und Stabilität des Materials gearbeitet“, berichtet Mehdi Asadi, Head of Material Development Engineering. Der Stahl wird dabei von einem Zulieferer vorgefertigt und anschließend zu Rohren geformt und hydrogeformt. Diese Produktionsweise erforderte zahlreiche Anpassungen der Umformprozesse, um den hochfesten Stahl entsprechend verarbeiten zu können.
Kooperation mit Stahlproduzenten ist unerlässlich
Die Produktion bei Gestamp orientiert sich am Prinzip „Design to Cost“. Hierbei werden Produktentwicklung, Validierung und Fertigungsplanung eng verzahnt, um Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Produktion zu optimieren. Parallel dazu setzt das Unternehmen auf Digitalisierung und die Nutzung von Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Besonders im Bereich der Rückverfolgbarkeit von Materialien und Produkten hat Gestamp eigene Industrie-4.0-Lösungen entwickelt. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit arbeitet Gestamp eng mit Stahl- und Aluminiumherstellern zusammen, um Materialien mit niedrigeren CO₂-Emissionen zu nutzen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Kreislaufwirtschaft und dem Einsatz von recycelten Rohstoffen. Kooperationen, beispielsweise mit Salzgitter und Thyssenkrupp zum Einsatz und Validierung emissionsarmer Stähle, sollen dazu beitragen, diese Ziele schneller zu erreichen.
Gestamp sieht den Markt für Elektromobilität als einen zentralen Wachstumstreiber. Während 2023 etwa 20 Prozent des Automobilumsatzes mit Komponenten für Elektrofahrzeuge erzielt wurden, prognostiziert das Unternehmen bis 2027 einen Anstieg auf 50 Prozent. Die Entwicklung hin zu neuen Produktfamilien, wie beispielsweise großen Strukturbauteilen oder Batterieboxen, stellt jedoch hohe Anforderungen an Technologien, Materialien und Produktionsprozesse. Auch der Umgang mit den Anforderungen an Noise-Vibration-Harshness (NVH) bei Elektrofahrzeugen wird zunehmend relevant. Änderungen in der Fahrzeugstruktur durch Batterien und Motorintegration erfordern neue Ansätze, die Gestamp durch Simulationstechniken und integrierte Entwicklungsprozesse adressiert.