Zu Jahresbeginn hieß es, der Konzern aus Untergruppenbach sei auf Partnersuche. Und die Tagespresse hatte auch schnell ausgemacht, wer zur Hochzeit in Betracht kam: Getrag-Eigner Tobias Hagenmeyer soll Gespräche mit dem österreichisch-kanadischen Zulieferkonzern Magna International in Sailach geführt haben, was Magna-Kreise bestätigten. Auch mit Joint-Venture-Partner Ford wurde geredet – der Hersteller hält bereits 50 Prozent an der gemeinsamen Getrag Ford Transmissions (GFT). Eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Kunden BMW wäre ebenso eine Option, ausschließlich für die Bayern fertigt man Getriebe am Standort Rosenberg. Schon einmal gab es eine Minderheitenbeteiligung eines anderen Zulieferers an Getrag: Das Dana-Engagement wurde durch die Insolvenz des US-Konzerns abrupt beendet.
In die Krise brachte die familiengeführte Getrag, die traditionell keine Ergebnisse veröffentlicht, aber nicht allein die heftige Absatzkrise zwischen Ende 2008 und Ende 2009. Auch ein gescheitertes gemeinsames Geschäft mit Chrysler im Volumen von einer halben Milliarde Dollar trug dazu bei. Der Umsatz sank von rund 2,6 Milliarden Euro 2008 auf aktuell knapp zwei Milliarden Euro. Offen blieb, ob die Eigentümerfamilie nur eine Beteiligung abgeben oder das Unternehmen komplett verkaufen will.
Neuer Chef musste Brände löschen
Getrag CEO Mihir Kotecha, erst seit Jahresende 2009 als Nachfolger von Dieter Schlenkermann in Amt und Würden, hatte anfänglich alle Hände voll zu tun und musste Feuerwehr spielen. Im Dezember 2009 fielen am Konzernhauptsitz 115 Arbeitsplätze weg. Und im März hieß es, weitere 700 Arbeitsplätze stünden zur Disposition, vornehmlich in deutschen Werken. Die Produktion in Ludwigsburg sollte Ende 2011 aufgegeben, und an den Standorten Untergruppenbach, Neuenstein und Bad Windsheim weiter angepasst werden – ein Schock für die gesamte Region.
Kotecha, in Nairobi geboren und britischer Staatsbürger, begründete die geplante Streichung im Frühjahr mit den Überkapazitäten in Deutschland, die der aktuellen Auftrags- und Marktlage angepasst werden müsse. Er argumentiert, Getrag muss es schaffen, manuelle Handschaltgetriebe auch bei deutlich niedrigerem Volumen zum richtigen Preis und zur richtigen Zeit zu verkaufen. Sonst schaffe man den Spagat auch nicht bei den viel komplexeren Doppelkupplungsgetrieben. Von letzteren könnte Getrag laut CSM-Schätzungen schon 2016 jedes vierte produzieren, bei einem Gesamtmarkt von dann fast 5,8 Millionen Einheiten.
Kotecha sieht Getrag denn auch technisch gut aufgestellt: "Unser Portfolio, unsere Kompetenzen sind umfassender denn je. Mit unseren Powershift-Doppelkupplungsgetrieben und Vorausentwicklungsaktivitäten in verschiedensten Bereichen der Elektrifizierung von Antriebssträngen erfüllen wir die Marktanforderungen von heute und morgen".
So sollen vom jüngst in Serie gegangenen Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe 6DCT250 mit trocken laufender Kupplung bereits 2010 über 100.000 Einheiten, bis Ende 2011 über 400.000 Jahreseinheiten entstehen. Damit seien Verbrauchsabsenkungen um bis zu 20 Prozent gegenüber konventionellen Wandlerautomaten möglich. Entwickelt für Mittelklasse- und Kleinwagen, kommt das Getriebe zunächst in Renault Mégane und Scénic sowie im nordamerikanischen Ford Fiesta zum Einsatz. Es wird im italienischen Modugno sowie im mexikanischen Irapuato gebaut. Fünf- und Siebengang-Powershifts kommen 2013.
Das Anziehen der Konjunktur brachte Getrag in Schwung. So gab es zuletzt gute Nachrichten: Ein temporärer Verzicht auf Urlaubs-/Weihnachtsgeld ist vereinbart, ebenso Maßnahmen, um Abläufe in den Werken zu straffen und zu verschlanken. Dafür bleibt Ludwigsburg erhalten, bis Ende 2012 soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das Management ist sicher: Diese Eckpunkte ermöglichen eine "nachhaltige Zukunftssicherung".