Die Chinesen kommen und gehen, doch die Koreaner bleiben. Während vermeintliche Angstgegner wie Nio, XPeng oder HiPhi noch immer auf wackligen Füßen stehen, ist die Hyundai Motor Company mit ihren Marken Hyundai, Kia und Genesis nach einem rasanten Aufstieg zur festen Größe im globalen Geschäft geworden und ringt mit Tesla, Toyota, VW und BYD um einen Platz auf dem Weltmeistertreppchen – und zwar in jeder Disziplin: Egal ob bei den Stückzahlen, auf dem Weg zur Elektrifizierung mit Batterie oder der Brennstoffzelle oder bei Innovationskraft, die Konzernchef Euisun Chung jetzt noch stärker herausstellen will. Zwar sind die Aussichten der Analysten für dieses Jahr ein wenig verhaltener. Doch ist das nicht nur der abkühlenden Batterieboom geschuldet, sondern wird auch als kurzes Durchatmen gewertet, bevor die Hyundai Motor Company zum nächsten Sprung ansetzt.
Dafür haben die Koreaner Anfang des Jahres eine neue Strategie ausgegeben, die Soft- statt Hardware zum Kern der Entwicklungsarbeit machen und neben den Fahrzeugen auch die Flotten und die Ökosysteme definieren soll. Der Antrieb und der Aufbau eines Autos werden damit nachrangig, erläutert Chang Song, der im Konzern die neue Division für „Software-defined vehicles“ leitet: „Als Anbieter von Mobilitätslösungen geht unsere Vision über das Thema Fahrzeuge hinaus“, sagt Song, „Denn wir sehen Mobilität als eine neue Quelle von Wissen und Innovation. Und unsere Lösungen und Produkte machen dieses Wissen universell nutzbar.“
Während die Koreaner damit ihren Fokus zunehmend von Hard- auf Software verlegen, stecken sie auf den anderen Feldern aber nicht zurück – insbesondere nicht bei der Elektromobilität. Zwar spüren auch Hyundai, Kia und Genesis das Abklingen der elektrischen Euphorie, die Analysten gehen von höheren Incentives für E-Fahrzeuge aus und deshalb von langsamer steigenden Erträgen und der Konzern hält sich mit einer flexibleren Produktionsplanung mehr Optionen offen. „Wir dürfen nicht einfach schnell unseren Wettbewerbern hinterher laufen. Sondern um die externen Herausforderungen zu Chancen zu machen und langfristig ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen, müssen wir auf alles vorbereitet sein“, hat Chairman Chung zum Jahresanfang ausgegeben.
Dazu zählt freilich auch die weitere Elektrifizierung: Allein am Hyundai-Stammsitz Ulsan investieren die Koreaner dafür rund 1,5 Milliarden Euro in den Bau eines neuen Werks, in dem ab 2026 bis zu 200.000 Elektroautos pro Jahr vom Band laufen. Und das ist nur ein Bruchteil jener rund 30 Milliarden Euro, die Chang Hyundai, Kia und Genesis im Zehnjahres-Plan für die Elektromobilität freigezeichnet hat, um eine eigene Batteriefabrik zu bauen und eine neue Plattform für ein weiteres Dutzend neuer Modelle zu entwickeln. Insgesamt sollen bis zum Ende der Dekade dann von allen drei Marken über 30 Elektroautos angeboten werden und allein in Korea wollen sie statt zuletzt rund 330.000 über 1,5 Millionen Elektroautos produzieren. Dazu kommen noch einmal ähnlich viele in einem eigenen E-Werk im US-Staat Georgia oder zum Beispiel in der Fabrik für Kona und i30 in Tschechien.
Ebenfalls zu diesem Plan zählt eine Offensive bei den leichten Nutzfahrzeugen, mit denen Kia sich von Nischenanbieter zum smarten Spezialisten für Amazon & Co mausern und die Innenstädte der Zukunft revolutionieren will. Dafür plant die Marke nicht nur eine extrem modulare Familie von Kastenwagen und Kleinbussen, die als PV3, PV5 und PV7 mit unterschiedlichen Aufbauten zum Teil auch während des Betriebes den unterschiedlichsten Bedürfnissen angepasst werden können. Sondern dahinter steht ein Konzept von Software und künstlicher Intelligenz, mit denen diese Flotten gesteuert und bedarfsgerecht immer in der richtigen Ausprägung bereitgestellt werden sollen. Und was klingt wie eine ferne Utopie, ist für Kia längt ein konkreter Plan: Schon im nächsten Jahr soll die Produktion beginnen und bereits die erste Fabrik hat eine Jahreskapazität von 100.000 Fahrzeugen.
Während Kia damit an die Laderampen dieser Welt drängt, geht Hyundai bald in die Luft – und will den Verkehr der Zukunft mit einem Flugtaxi revolutionieren. Bislang nur eine ferne Vision, haben die Koreaner Anfang des Jahres unter der Marke Supernal das Serienmodell eines elektrischen Fünfsitzers vorgestellt, das als S-A2 bis 2028 an den Start gehen soll. Geplant sind Geschwindigkeiten von 200 km/h, eine Flughöhe von 500 Metern und ein Aktionsradios von über 50 Kilometern.
Zwar steht die Hyundai-Gruppe fast synonym für die koreanische Automobilindustrie. Doch gibt es da ja auch noch Ssangyong. Oder gab es zumindest. Denn nachdem der kleine Mittläufer vom Stahlgiganten KG vor der Pleite gerettet wurde, firmiert der Hersteller mittlerweile unter KG Mobility und auf Autos wie dem Tivoli oder dem Musso prangt das Kürzel KGM.
Anderthalb Jahre nach der Übernahme hat Vorstandschef Jae Sun Kwak den Laden wieder auf Kurs gebracht: Er hat den Torres als charakterstarkes SUV gegen Modelle wie den Toyota RAV-4 positioniert und gleich auch elektrifiziert, er hat in seinem ersten Jahr den größten Umsatz in der Unternehmensgeschichte erzielt und eine schwarze Null geschrieben und er hat ein halbes Dutzend neuer Modelle angeschoben, die KMG in den nächsten fünf Jahren auf Kurs halten sollen.
Davon soll nicht zuletzt das Geschäft in Deutschland profitieren, stellt Kwak in Aussicht und holt sich die Vertriebshoheit für diesen Schlüsselmarkt zurück: „Schließlich wollen wir uns dort einen Marktanteil von einem Prozent sichern“, sagt der KGM-Chef und will dafür die Fäden wieder selbst in die Hand nehmen.
Aber auch wenn Kwak große Ambitionen für die kleine Marke hat, will er gar nicht erst versuchen, sich mit dem großen Nachbarn anzulegen: Während die Analysten Hyundai, Kia und Genesis für ihren ausgewogenen Mix an Modellen und ihren bis auf China sehr homogenen Footprint auf der automobilen Weltkarte loben, fühlt sich Kwak wohl in seiner Nische als vergleichsweise regionaler Spezialist für Geländewagen und SUV und will aus der Not eine Tugend machen: „Wer kleiner ist, bewahrt den besseren Überblick, kann näher am Kunden sein und so viel schneller auf dessen Wünsche und Bedürfnisse reagieren.“