Wer sich in diesen Tagen die Hallen des Messezentrums Palexpo bei der 89. Auflage des Genfer Automobilsalons anschaut, dem dürfte mit Blick nach vorn Angst und Bange werden. Die Gänge sind so breit wie nie zuvor und fast die Hälfte der Messestände sind von kleinen und kleineren Firmen belegt, die auf einer internationalen Automesse an sich keinerlei Platz gefunden hätten. Hersteller wie Ford, Hyundai, Volvo, Opel, Jaguar, Land Rover oder Tesla hatten der Auftaktmesse des europäischen Autofrühlings in der Schweiz bereits mit viel Vorlauf eine Absage erteilt. Da sich die beiden Hauptmessehallen in Genf nicht so einfach abtrennen lassen, musste nach und nach aufgefüllt werden. Hier ein Café, dort ein Stand für Lederjacken, ein paar Meter weiter ein Formel-1-Rennstall, imposante Reifenhersteller und dann diese übergroße Zahl von kleinen Kleinserienmarken und Designschmieden, von denen selbst ausgemachte Autoexperten noch nie etwas gehört haben. "Die Geneva International Motor Show ist der internationalste aller Autosalons, wir stellen Marken aus der ganzen Welt aus. Dieses Jahr begrüßen wir in Genf auch eher unbekannte Hersteller aus China oder Russland beispielsweise. Anderseits aber freut uns auch die Anwesenheit von Schweizer Automobil-Herstellern wie Kyburz Switzerland oder Rinspeed ", versucht Maurice Turrettini, Präsident der Geneva International Motorshow die Abgänge zu überspielen.

Man kann dem Messeveranstalter in Genf keinen Vorwurf machen - er hat sich redlich bemüht, Lücken zu schließen, Abgänge zu kompensieren und die Messe nach außen weiterhin attraktiv zu halten. Doch wirklich gelungen ist das Experiment nicht. Knapp zwei Wochen dauert der 89. Genfer Automobilsalon und es scheint nicht unrealistisch, dass die 90. Auflage im kommenden Jahr in deutlich verkürzter Form stattfinden könnte. Kaum anzunehmen, dass die Hersteller, die die Messe einmal verlassen haben, zu dieser zeitnah wieder zurückkehren. Und wer sich den bemitleidenswerten Pariser Autosalon im vergangenen Herbst angeschaut hat, wer gesehen hat, wie die Detroit Motorshow in diesem Januar zu einem lokalen US-Event verkommen ist, der muss sich ernsthafte Gedanken über die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt machen, die wie alle zwei Jahre in diesem September ihre Pforten öffnet.

Auch hier haben bereits zahlreiche Hersteller mit Vorlauf abgewunken. Nach aktuellem Stand wird kein Autohersteller aus Japan und keiner aus Frankreich am Main vertreten sein. Somit dürften Nissan, Toyota, Mazda, Mitsubishi und Suzuki ebenso fehlen wie Renault, Alpine, Dacia, Peugeot, Citroen oder DS. Luxusmarken wir Aston Martin oder Rolls-Royce haben sich ebenfalls gegen die IAA entschieden und andere Nobelmarken zögern - noch. Große Heimspieler wie BMW und Mercedes haben ihr Messeengagement gleichzeitig deutlich reduziert. Seitens BMW hört man von einer Drittelung der bisherigen Fläche und auch der Daimler-Konzern will die Frankfurter Festhalle nicht mehr millionenschwer mit einem mehrstöckigen Mega-Umbau zu einer Erlebniswelt für Mercedes und Smart machen.

Kostenexplosion

Der VDA als Betreiber der IAA kämpft derzeit mit allen Mitteln darum, dass die FCA-Marken der Messe nicht auch noch fernbleiben. Volvo und Tesla wollen 2019 ebenso nicht unter dem Frankfurter Messeturm ausstellen wie die GM-Marken Cadillac oder Chevrolet. Und auch im Volkswagen-Konzern geht längst der Messepoltergeist um. Auf der letzten IAA im Herbst 2017 boten die Volkswagen-Marken in der Halle 3.1 ein wenig imposantes Bild mit überschaubaren Neuheiten.

Die Gründe für die zahlreichen Absagen sind vielfältig. Zum einen scheint sich nunmehr auch in den höchsten Management-Etagen herumgesprochen zu haben, dass die millionenschweren Messeevents keinen Rückfluss an Geld oder Image garantieren. Die meisten Hersteller zeigen ihre wirklich wichtigen Neuheiten lieber auf eigenen exklusiven Events, wo man den Messebau selbst gestalten kann, keinem festen Zeitplan unterworfen ist und nicht zuletzt die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden bekommt. Zum anderen geht es ums Geld. In den Hoch-Zeiten der IAA ließen sich die deutschen Premiumhersteller das gesamte Messeengagement alle zwei Jahre bis zu 50 Millionen Euro oder mehr kosten. Da wurden in wochenlanger Arbeit Erlebniswelten erschaffen, deren Planung nicht selten zwei Jahre in Anspruch nahm. Jedoch nur schwer messbar, was von der bunten Markenwelt beim (potenziellen) Kunden hängenbleibt. Im Gegenzug sind die Messen oftmals intern als Szenetreff beliebt. Zahllose Agenturen, interne und externe Dienstleister verdienen mit den Veranstaltungen Millionen - zumindest bisher.

Keine Markenbildung mehr in Europa und den USA

Messestädten wie Genf, Detroit oder Frankfurt holen mit einer großen Automesse einen nennenswerten Anteil des Jahresumsatzes herein. Knebelverträge mit Cateringfirmen, Reinemachern oder Sicherheitspersonal drücken die Kosten weiter nach oben. Autohersteller sowie Zulieferer gelten seit Jahrzehnten als sehr ausgebefreudig, wenn es um die Buchungen von Hotelbetten, Restaurants und Eventlokalitäten geht. Zudem ist der weltweiten Autoindustrie anzumerken, dass das Format einer Messe für viele Neuheiten und mindestens ebenso viele Kunden nicht mehr zeitgemäß ist. Längst kein Geheimnis mehr, dass einige Messetreiber die Besucherzahlen sehr wohlwollend nach oben aufrunden, um nicht an Bedeutung zu verlieren.

Geht es um reale Besucher, die mit selbst bezahlten Tickets die automobilen Neuheiten sehen wollen, sieht es hier und da schon einmal ganz anders aus. Daran ändert auch wenig, dass sich einige Messen zu wahren Mitmacharenen umfunktionieren. So können auf den Messegeländen mehr denn je Fahrzeuge gefahren, Technologien ausprobiert und hinter den Kulissen geschnuppert werden. Reicht das, um zu locken? Im Laufe der letzten Jahre haben sich viele einst bedeutende Automessen schon verabschiedet.

So bleibt abzuwarten, wie sich die Autoindustrie in den kommenden Jahren auf den Trend weg von der Messe einstellt. Gerade in Europa und den USA stehen die Leistungsschauen unter einem gewaltigen Druck. Besser sieht es da noch in Asien aus, wo neue Kundengruppen erschlossen werden und das Markenimage derzeit noch geprägt werden kann. Das ist in der alten Autowelt längst geschehen.

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