AUTOMOBIL PRODUKTION: Und schon sind wir wieder bei der Digitalisierung. Wird die richtig genutzt?
Bei der Digitalisierung wird unglaublich viel investiert und das klappt teilweise auch schon sehr gut. Wir beobachten aber auch, dass häufig nur die vorhandenen analogen Prozesse in der digitalen Welt abgebildet werden. Das greift zu kurz: Es ist bekannt, dass mehr als die Hälfte der IT-Projekte ihr Ziel nicht erreicht. Der Grund ist meist der: Man hat eine physische, analoge, reale Welt, die in der Komplexität zu groß geworden ist. Dann ruft man nach der IT. Die versucht den Prozess aufzuzeichnen, zu verstehen und dann wird der Höllenprozess in einen Höllendigitalprozess übergeleitet. Selbst wenn das gelingt, ist es selten besser geworden, weil der Prozess immer noch genauso komplex ist wie vorher. Und dazu noch viel Geld gekostet hat.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie läuft schief?
Es wird zu wenig darauf geachtet, an welcher Stelle wirklicher Mehrwert für den Kunden entsteht. Alleine durch die Digitalisierung wird wenig besser. Ein Beispiel: In Kundenbefragungen wird gerne gefragt, ob der Serviceberater ein Tablet genutzt hat. Warum? Die Nutzung eines Tablets an sich erzeugt doch keinen Kundennutzen. Es nervt eher, wenn der Meister bei der Serviceannahme in sein Tablet hackt, statt dem Kunden in die Augen zu sehen und sich Notizen auf seinem Klemmbrett zu machen. Die Digitalisierung ist eine großartige Chance. Die Frage ist, was ich mit den Daten mache.

AUTOMOBIL PRODUKTION:: Also erst denken und dann digitalisieren?
Ganz genau. Dabei gibt es zwei wichtige Aspekte. Das eine: Schaffen wir wirklich Kundennutzen? Dass er digital erfasst ist, bringt dem Kunden nichts. Und: Es wird erst dann interessant, wenn Daten verschiedener Systeme miteinander vernetzt werden und die in der Situation, im Kontext relevanten Informationen zur Verfügung stehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Da sind wir wieder beim Händler beziehungsweise im After-Sales-Bereich. Doch sind die bereit?
Autohändler verzweifeln mit zehn oder mehr Systemen, die sie unabhängig voneinander pflegen müssen. Erst wenn ich diese richtig vernetze, entsteht ein Nutzen. Das sehen sie am folgenden Beispiel: Der Händler sieht die Kundendaten als seinen Schatz. Ein Vorteil ergäbe sich aber nur, wenn alle Daten verknüpft sind, also auch der OEM Zugriff hat. Das ist nur möglich, wenn die Händler die Daten freigeben. Das heißt, man muss die Händler beim Prozess mitnehmen und von den Vorteilen überzeugen.

AUTOMOBIL PRODUKTION:: Die Hersteller könnten doch über die Apps die Daten ziehen.
Ja, teilweise. Die App verrät aber z.B. nichts über die individuellen Kundenwünsche und das Verhalten beim Händler. Generell werden Apps noch deutlich an Bedeutung gewinnen. Momentan sind die Apps die digitale Abbildung der physikalischen Welt. Wenn Sie Glück haben, verknüpft Sie die App mit anderen Mobilitätsprodukten wie Car-Sharing oder Ihrem Leasingvertrag. Aber hier ist noch viel Luft nach oben. Hier stecken viele neue Geschäftsmodelle. Darum werden Apps so wichtig.

AUTOMOBIL PRODUKTION:: Weil der Kunden einen Nutzen hat?
Ja. Allerdings sehen Sie an alleine an den Ratings im App-Store, dass es noch große funktionale Probleme mit den Apps gibt. Dazu kommt, dass die App dem Kunden zeigt, dass Daten wie Standort und Nutzungsdaten aus dem Fahrzeug abgezogen werden. Im Moment finden das die Kunden „funny and frightening“ zugleich. Sie fragen sich: Wer überwacht mich jetzt? Was machen die OEMs mit meinen Daten? Gehen die Daten auch an meine Versicherung?

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie weit sind denn deutsche Hersteller bei der App-Entwicklung?
Lassen Sie es mich so formulieren: Deutschland liegt gedanklich näher beim Silicon Valley als Detroit.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Weckt aber die App-Implementierung in der Auto-Umgebung nicht noch mehr das Bedürfnis nach immer mehr und immer schneller?
Die Kunden vergleichen ihre Erfahrung mit der, die sie sonst mit Smartphones machen. Und da haben sie ständig etwas Neues. Das passiert in der Autowelt natürlich nicht. Die Autofirmen sind auch gar nicht auf den schnellen Takt ausgelegt, mit dem App-affine Kunden Neues wollen. Darauf muss sich die Autobranche einstellen. Das wird eine Herausforderung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer könnte da als Kooperationspartner hilfreich sein für die OEMs?
Wir sehen, dass die Autohersteller bereit sind, sich zu öffnen. Gleichzeitig treffen hier zwei Welten aufeinander: Die Experimentierfreude junger IT-Firmen auf der einen und die hohen Sicherheitsanforderungen der Autobranche auf der anderen Seite. Wenn wir das hinbekommen und dann noch den Kunden im Blick behalten, ergeben sich sehr große Chancen für die Autoindustrie.

Berufliche Stationen von Dr. Axel Sprenger, J.D. Power

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