AUTOMOBIL PRODUKTION: Halten Sie es wirklich für realistisch, dass der Produktivitätszuwachs so stark ausfällt, dass sich die Beschäftigtenzahl in der Autoindustrie in etwa auf dem aktuellen Level halten wird. Dazu müsste die Produktivität ja nochmal deutlich stärker steigen als um die durchschnittlich 15 Prozent der vergangenen Jahre.
Kelkar: Im Grunde ist das möglich. Aber es gibt zweifellos Risiken. Die Globalisierung wird ein immer größeres Thema, ebenso die Regulation und mit dem Wandel drängen neue Player in den Markt, vor allem aus den USA und China. Bedingt dadurch kann es Verschiebungen geben bis hin, dass bei uns weniger Autos gebaut werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hinzu kommt, dass ein klares Ziel der Automatisierung ist, einerseits die Effizienz zu steigern, andererseits aber auch die Kosten zu senken.  Wird der Mensch im Autowerk von Morgen zum überflüssigen Faktor oder ist das überspitzt gesehen?
Kelkar: Nein, das ist das Ziel der Automation, da haben Sie völlig recht. Nehmen Sie Conti in Frankfurt. Dort werden 50.000 Bremssysteme pro Tag gefertigt, da springen 30 Mitarbeiter rum. Die machen auch nichts mehr am Produkt, sondern schauen nur noch, dass die Anlagen korrekt laufen. Wir haben schon ein hohes Maß an Automation und das braucht man auch, um an einem Standort wie Deutschland wirtschaftlich zu produzieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was passiert mit Unternehmen, die sich nicht oder nur unzureichend mit Industrie 4.0 befassen?
Esposito: Das hört sich vielleicht hart an, ist aber wie bei früheren gravierenden Veränderungen: wer den Weg nicht mitgeht, lebt mit dem Risiko, nicht mehr mithalten zu. Wenn ich mir durch Digitalisierung einen Wettbewerbsvorteil schaffen oder mindestens Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann und tue das nicht, wird als Konsequenz aus dem Markt verschwinden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: In ihrer Studie haben Sie eine anschauliche Grafik welche Branchen über Industrie 4.0 Bescheid wissen und wer bereits entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet hat. Maschinenbau und ITK liegen mit etwa 50 Prozent ganz vorn. Nun grüble ich darüber,  ob 50 Prozent angesichts der Bedeutung des Themas eher viel oder eher wenig sind…
Kelkar: Das ist eine sehr gute Frage. Lassen Sie es mich so beantworten: wir haben 2014 eine Studie gemacht bei der wir Führungskräfte befragt haben, wer mit dem Begriff Industrie 4.0 etwas anfangen kann. 2014 kannten 25 Prozent nicht einmal den Begriff. Unter dem Aspekt bin froh, wie es sich entwickelt hat.  Genug ist das noch nicht. Genug ist, wenn wir bei 100 Prozent sind. Kritisch zu sehen ist mit einem Wert von 29 Prozent der Fahrzeugbau. Der müsste angesichts der Riesenpotenziale eigentlich ganz vorne dran sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wir haben ja darüber gesprochen wie massiv sich innerhalb relativ kurzer Zeit Berufsbilder verändern oder ganz verschwinden werden. Wie gut ist man denn auf der Bildungsseite, also in Schulen und der Berufsbildung, vorbereitet?
Esposito: Meiner Wahrnehmung nach sehr schlecht. Hier fehlt es vielfach noch an der Weichenstellung, von konkreten Bildungsinhalten ganz zu schweigen.  Da braucht es ein viel höheres Tempo, um die Bildungsinhalte auf künftige Erfordernisse anzupassen. Dazu kommt, dass wir von der initialen Ausbildung weg müssen, dass ein Mensch eine Ausbildung macht und dann den erlenten Beruf bis zur Rente ausübt. Das gibt es heute schon nicht mehr und in Zukunft werden die Zyklen, in denen mich ein einmal erlernter Beruf ein Leben lang ernährt,  noch kürzer werden. Die Geschwindigkeit der Veränderung nimmt zu und da ist die Digitalisierung der Treiber. Schritt halten kann man nur mit lebenslangem Lernen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Also eine Bringschuld von Seiten der Arbeitnehmer?
Kelkar: das würde ich nicht so klar sehen. Wir wissen aus vielen Betrieben, dass die Mitarbeiter gerne mehr wissen würden über Digitalisierung, dass viele sich aber nicht mitgenommen fühlen von ihren Unternehmen. Das mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass man in vielen Unternehmen noch gar nicht weiß, wie man den Informationstransfer auf die Mitarbeiter leisten soll. Was natürlich auch wieder damit zu tun hat, dass die Unternehmen selbst noch zu wenig wissen.  Das schließt andererseits  nicht aus, dass sich die Arbeitnehmer selber weiterbilden müssen.

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