AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist mit den Berufen, die ganz oben auf der Liste der gefährdeten Arten stehen wie Monteur oder Industriekaufmann. Soll man von diesen Jobs die Finger lassen?
Kelkar: Lassen Sie es mich so sagen: hätte ich eine Tochter oder einen Sohn, der eine solche Ausbildung machen wollte, würde ich sagen: lass´es.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Eine wichtige Rolle in einer solchen Phase massiven Wandels spielen die in der Autoindustrie straken Gewerkschaften. Diese können in einem solchen Prozess die Bremser sein, die auf Wahrung des Status Quo pochen oder diejenigen, die den Wandel mittragen. Haben Sie Erkenntnisse, wie groß die Bereitschaft auf der Arbeitnehmerseite ist, sich konstruktiv einzubringen?
Esposito: Grundsätzlich würde ich der Mitbestimmung unterstellen, dass sie den Menschen im Fokus hat und diesen maximal unterstützen will. Dazu gehört natürlich Bestandssicherung. Ich erlebe aber Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit, denn auch den Gewerkschaftsvertreten ist klar, dass noch viel mehr Jobs gefährdet sind, wenn sich die Industrie nicht verändert.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Lassen Sie uns mal vor dem Hintergrund Industrie 4.0 in die Zukunft blicken: bei VW in Emden bauen rund 9.000 Mitarbeiter etwa 300.000 Autos im Jahr. Wie viele von den 9.000 wird man 2030 noch brauchen?
Kelkar: Rein rechnerisch minus 46 Prozent. Das aber nur, wenn man ausschließlich  auf Industrie 4.0 und die Digitalisierung schaut. Aber da spielen eine ganze Reihe neuer Faktoren hinein wie eine weiter steigende Produktivität, neue Berufsbilder, die in und um die Autoindustrie entstehen. Insofern gehe ich davon aus, dass sich der Beschäftigtenstand in absoluten Zahlen gar nicht so sehr verändert, es innerhalb der Berufsbilder erhebliche Verschiebungen gibt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was hat Sie selbst an der Studie am meisten überrascht?
Esposito: Für mich selber sind die Ergebnisse nicht so überraschend, weil wir uns im Vorfeld intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Für Menschen, die sich bisher weniger mit dem Einfluss von Industrie 4.0 befasst haben ist es sicherlich überraschend,  in welch hohem Ausmaß Berufsgruppen in Gefahr sind…
Kelkar: …das vor allem bei Berufsgruppen außerhalb der Fertigung. Dass die Automatisierung in der Montage enorm voranschreitet und die Arbeit am Band nicht wirklich Zukunft hat, ist ja bekannt. Dass aber auch Berufe in der Administration, also Sachbearbeiter, technische Sachbearbeiter in Einkauf, Rechnungswesen oder Finanzen fast im selben Ausmaß von Automatisierung betroffen und bedroht sind, ja selbst Führungspositionen auf mittlerer Ebene, das unterstreicht wie dringlich es ist, den Wandel zu Industrie 4.0 zu schaffen.

Grafik: Durch Automatisierung gefährdete Jobs
Durchaus überraschendes Ergebnis der MHP-Studie: Am stärksten durch Industrie 4.0 gefährdet sind Technische Sachbearbeiter; Ingenieure haben kaum etwas zu befürchten.

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