Seval Oz, CEO Continental ITS
(Bild: WP Steinheißer)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der Vormarsch der Elektromobilität wird maßgeblich über Regulierungen in den Städten erfolgen, richtig?
Dieser Vormarsch erfolgte mit Unternehmen wie Google und den großen Automobilunternehmen, die Fahrerassistenzsysteme haben, und nachdem wir ohnehin schon in dieser Richtung unterwegs sind, werden diese Technologien auch von den Städten gewünscht und gefördert. Erstmalig ziehen dann alle an einem Strang - und das ist ideal, um weiterzukommen. Sonst könnte es noch 5, 10, 15 oder gar 20 Jahre dauern. Aber plötzlich sehen wir eine Art Interessens-Fusion, die aufzeigt, dass alles viel schneller gehen könnte. Die Geschwindigkeit hat sich also jetzt dramatisch erhöht.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Es gab kürzlich einige Unfälle mit autonomen Fahrzeugen. Haben die Ihre Arbeit verändert?
Diese Unfälle sind ein ernster Teil des Learnings und wir werden künftig noch mehr Fokus auf die Frage legen ‚ist die Testumgebung sicher‘. Durch die Unfälle wurde aber auch eine wichtige Diskussion angestoßen. Wir bei Continental versuchen, die richtige Testumgebung zu finden, um unsere Technologien zu erproben. Die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer sind bei solchen Erprobungen schon immer extrem vorsichtig gewesen. Die Unfälle sollten als eine Art ‚Wake-up-Call‘ für die gesamte Industrie gesehen werden: Wir müssen genau schauen, wie wir diese Systeme in den Markt einführen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die Wiener Konvention wirft das Thema Ethik im automatisierten Fahren auf. Derzeit wird ein Autofahrer gleich bestraft, ganz egal, ob er einen Menschen überfährt oder eine ganze Gruppe. Wie handhaben Sie dieses Thema bei Continental?
Natürlich sind wir hier mit Problemen konfrontiert. Und hierfür gibt es auch keine einfache Lösung. Letztlich stellen sich diese Fragen an die Gesetzgebung, die hier klare Grundlagen schaffen muss. . Ich persönlich überlege mir, wie trifft ein Mensch diese Entscheidung? Als Mensch müssen Sie nahezu jeden Tag solche Entscheidungen treffen. Beispiel: Von vorne kommt ein Hund, rechts von Ihnen fährt ein Auto, dann sind da noch ein Schulbus und ein Fußgänger. Wie handeln Sie hier? Und irgendwie müssen Sie eine Entscheidung treffen. Und auch das Auto muss die Umstände beurteilen und entsprechend agieren können. Ich denke, der Unterschied besteht darin, dass ein Auto mit einem Autopilotsystem wahrscheinlich Dinge sehen und vorhersehen kann, die ein Mensch nicht sieht, weil das System über ein redundantes 360-Grad-Wahrnehmungssystem verfügt. Und wenn ein Auto auf konservatives Fahren programmiert ist, was in den meisten Fällen der Fall sein wird, dann fährt es wahrscheinlich mit niedrigeren Geschwindigkeiten als heute. Ein autonomes Fahrzeug fährt nämlich nicht zu schnell, ganz im Gegensatz zu vielen Menschen, nicht wahr? Bei genauer Betrachtung ist also einer der schwierigsten Faktoren in dieser Formel die Geschwindigkeit. Aber wie schon gesagt, der Gesetzgeber muss zu diesem Thema aktiv werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wird dies zu einem Tempolimit in den Städten von unter 50 km/h führen?
Höchstwahrscheinlich Ja. Die Tempolimits in den Städten sind derzeit ohnehin schon niedrig. Wie in den USA liegt das durchschnittliche Tempolimit bei 25 Meilen/h in den Städten. Und in Schulbezirken liegt es sogar bei 15 Meilen/h. Auf den Bundesstraßen ist das Tempolimit in der Regel bei 60 oder 65 Meilen/h. Die beiden Bereiche, in denen die automatisierte Fahrzeug-Technologie wahrscheinlich zum Tragen kommt, sind also Langstrecken mit überwiegend Punkt-zu-Punkt-Verkehr wie auf Bundesstraßen, und Stadtbereiche, für die ohnehin schon ein Tempolimit gilt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sieht Continental diese Frage: Ist die wichtigste Person für das Auto der Fahrer, weil er ja das Auto bezahlt hat, oder eher die Person im Umfeld des Fahrzeugs?
Ich denke, wenn man smarte Systeme schafft, dann sollten diese für Alle gut sein. Sie sollten nicht in Betrieb gehen, solange sie nicht für Alle gut sind. Es muss ein hinreichend sicheres Softwaresystem mit genug Redundanz in den Systemen sein. Per Definition müssen die smarten Systeme viel bessere Sensorfunktionen haben als ein Mensch; sodass ich Ihre Frage hoffentlich nie beantworten muss.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sollten wir also den Plan, die Gesamtzahl der Unfalltoten auf der ganzen Welt zu reduzieren, abändern, in den Plan, die Gesamtzahl der Unfalltoten in den Städten und auf Autobahnen zu reduzieren?
Absolut. Das ist völlig richtig. Denn wir müssen dort ansetzen, wo wir direkt etwas bewirken können.

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