Das Volkswagen-Werk Wolfsburg war Anfang November Gastgeber des Automotive-Lean-Production-Kongresses, einer Gemeinschaftsveranstaltung von Automobil Produktion und Agamus Consult. Für wie zukunftsfähig halten Sie die Philosophie der Lean-Production in Zeichen von Smart Factorys?
Zunächst einmal freue ich mit den Kolleginnen und Kollegen im Werk Wolfsburg, dass sie als Vorjahressieger den Kongress ausrichten konnten. Unsere Erfolge in der Produktion werden extern immer stärker wahrgenommen. Von den Fortschritten konnten sich die Teilnehmer während der Veranstaltung ja selbst überzeugen. Wenn Sie nach lean versus smart fragen, dann sage ich: Wir brauchen natürlich beides. Im Rahmen unseres Programms „Transform Together“ haben wir uns vorgenommen, bis 2023 zwei Milliarden Euro an Einsparpotenzial zu identifizieren. Das geht nur mit einer schlanken und smarten, vernetzten Fertigung. Viele sehr wichtige Impulse kommen aus unserer Mannschaft, gleichzeitig arbeiten wir mit starken externen Partnern. Themen wie Digitalisierung, Cloud oder digitaler Zwilling etwa gehen wir ja beispielsweise mit Amazon Web Services oder Siemens an.
Der „Zukunftspakt“ sieht vor, dass das Volkswagen-Werk Wolfsburg die Produktivität bis 2020 um 25 Prozent erhöht. Zudem sollen durch effiziente Lösungen Standort 186 Millionen Euro eingespart werden. Wie weit sind Sie von diesen Zielen noch entfernt? Welche Maßnahmen haben aktuell Priorität?
Wir sind bei der Marke Volkswagen auf einem guten Weg, unsere Ziele zu erreichen. In diesem Jahr werden wir sie voraussichtlich sogar übertreffen und die Produktivität um mehr als sechs Prozent gegenüber 2018 steigern. Erstmals seit 2013 werden wir damit voraussichtlich die Produktionskosten pro Fahrzeug gegenüber dem Vorjahr senken können. In Summe gehen wir davon aus, dass wir in der Fertigung schon in 2019 rund 500 Millionen Euro an Performance-Maßnahmen umsetzen werden – vor gegenläufigen Effekten wie Inflation oder Tariferhöhungen. Hier hat die Mannschaft wirklich Außerordentliches geleistet – und dafür bedanke ich mich sehr. Das Werk Wolfsburg spielt in unseren Überlegungen natürlich eine besondere Rolle. Sie haben die dort avisierten Einsparpotenziale von 186 Millionen Euro bis 2020 angesprochen – auch hier setzen wir konsequent um, was wir uns vorgenommen haben und biegen mit reichlich Schwung auf die Zielgerade. Im Übrigen nutzen wir auch gute Ideen und Lösungen anderer Standorte, um größtmögliche Synergien zu schaffen. 220 solcher Maßnahmen sind derzeit in der Umsetzung. Unser Fokus liegt auf Produktivität, Qualität und der Mannschaft. Auch angesichts der von mir beschriebenen Fortschritte dürfen wir in unseren Anstrengungen nächstes Jahr nicht nachlassen. Aber eines ist klar: Produktion und Mannschaft haben 2019 geliefert.
Vor kurzem wurde der Golf 8 vorgestellt, in Zwickau ist die ID.3-Produktion angelaufen. Was sind die wichtigsten Änderungen bei den Fertigungstechnologien und -prozessen und im Produktionsnetzwerk, um den Wechsel zur Elektromobilität bei gleichzeitiger Versorgung des Volumenmarkts mit klassischen Modellen zu sichern?
Wir haben für uns klar definiert, welche Werke für welche Technologie verantwortlich sind. Erst vergangene Woche haben wir bekanntgegeben, dass wir unsere E-Fahrzeug-Offensive noch schneller vorantreiben. Im Vergleich mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind MEB-Fahrzeuge bekanntlich weniger komplex und kommen mit 20 bis 30 Prozent weniger Komponenten aus. Das führt in der Montage zu einem deutlich höheren Automatisierungsgrad. Und natürlich müssen Sie auf der Anlage das höhere Gewicht der MEB berücksichtigen– so wiegt ein Passat rund 1,8 Tonnen, der neue ID.3 kommt auf 2,2 Tonnen. In Zwickau sind wir darum von einem hängendem Liniensystem zu Bodentransport mit selbstfahrenden Wagen umgestiegen. Es gibt nach wie vor eine Hochzeit: Nur kommen nicht mehr Motor und Karosserie zusammen, sondern Batterie, Antriebsstrang und Karosserie. Es gibt also Unterschiede – aber am Ende bleibt Produktion immer Produktion.