AUTOMOBIL PRODUKTION: Nun wird der Ateca in Tschechien bei Skoda gebaut. Inzwischen wurde bekannt, dass der Audi Q3 aus der Produktion in Martorell genommen wird. Hat es vor dem Hintergrund keine Chance gegeben, aus dem Ateca einen echten Spanier zu machen und ihn in Martorell zu bauen?
Zunächst mal: der Ateca wurde in Spanien designt und entwickelt, ist also ein echter Seat. Was die Produktionsseite anbelangt: Nein, die Möglichkeit gab es nicht, weil für den Q3 der Audi A1 nach Martorell kommt und dann großes Produktionsvolumen einnehmen wird.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Aber deutlich weniger als der Q3…
Warum?

AUTOMOBIL PRODUKTION: Nun, vom Q3 wurden im vergangenen Jahr 130.000 Stück in Martorell gefertigt. Dagegen sollen vom A1 künftig nur 100.000 Einheiten bei Ihnen gebaut werden …
Das muss ja nicht so bleiben. Wenn man auf das Potenzial schaut, dann ist das Segment des Audi A1 doppelt so groß wie das Segment des Q3.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Dennoch: schmerzt es sie, ein Erfolgsmodell wie den Q3 in Martorell zu verlieren?
Das muss man aus der höheren Warte betrachten. Zunächst einmal war das eine Konzernentscheidung unter starker Einbeziehung der Gewerkschaften. Bei uns geht es darum, innerhalb des Produktionsnetzwerks eine perfekte Balance und Verteilung der Produkte zu finden. Und wenn sie auf das größere Bild schauen, dann sieht es so aus, dass wir in Martorell die MQB-A0 Plattform haben, eine der volumenstärksten Plattformen im Konzern. Der A1 wird auf dem MQB-A0 gebaut. Das heißt für unser Werk, dass wir mit dem A1 eine sehr viel höhere Lokalisierungsrate erreichen als mit dem Q3. Insofern ist der A1 für uns ein sehr guter Deal. Genauso wichtig ist, dass Audi weiter auf Martorell als Produktionsstandort setzt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie hoch wird denn die Lokalisierungrate des neuen A1 in Martorell?
Eine konkrete Zahl möchte ich nicht nennen, sie wird aber in etwa doppelt so hoch sein wie beim Q3 jetzt. Wir wären im Übrigen aus Kapazitätsgründen gar nicht in der Lage, on top den Ateca in Martorell zu bauen. Derzeit produzieren wir auf drei Linien, zwei davon im Drei-Schicht-Betrieb und eine im Zwei-Schicht-Betrieb. Im vergangenen Jahr wurden im Werk 477.000 Autos gebaut, die höchste Zahl seit 15 Jahren. Damit sind wir nahe an der Kapazitätsgrenze.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Nicht an der Kapazitätsgrenze sind sie bei der Zahl der Märkte, auf denen Seat vertreten ist. Ihr Vorgänger Jürgen Stackmann hat bei seinem Amtsantritt angekündigt, sich bei der Entwicklung auf Europa zu fokussieren. Zwischendrin hieß es, die Marke werde doch wieder in China an den Start gehen. Wie ist Ihr Plan?
China ist für uns sehr schwierig. Um dort erfolgreich zu sein, müssten wir vor Ort Fahrzeuge produzieren. Entsprechende Kapazitäten aufzubauen, ist sehr teuer. Das, was Jürgen Stackmann sagte, hat immer noch Bestand: Wir fokussieren uns weiter auf Europa, weil wir hier viel Potenzial sehen. Bei Marktanteilen von 1,2 Prozent in Frankreich, 1 Prozent in Italien und 3 Prozent in Deutschland ist noch viel Luft nach oben. Sie müssen sehen: diese Marktanteile erreichen wir mit einem kleinen Produktportfolio. Mit den neuen Autos, angefangen beim Ateca, erreichen wir eine viel größere Zielgruppe. Schon darin liegt eine Riesenchance. Ein zweites Ziel ist, in den für Seat relevanten Segmenten  in Europa auf 5 Prozent Marktanteil zu kommen. Es macht für uns keinen Sinn, ein Ziel von 5 Prozent Marktanteil in Europa auszurufen, dazu fehlt uns ganz einfach das Modellportfolio. Was aber wichtig ist: Mit dem Ibiza, dem Leon, dem Ateca mindestens fünf Prozent im Segment zu erreichen. Nur dann kommt man überhaupt auf den Radar potenzieller Käufer.

 

"Mit dem Ateca können wir uns aus der Nische heraus in die Mitte des europäischen Marktes
"Mit dem Ateca können wir uns aus der Nische heraus in die Mitte des europäischen Marktes bewegen", so der Seat-CEO de Meo. (Bild: Oriol Segon / Seat)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und wie sieht es mit Märkten außerhalb Europas aus? Mexiko ist inzwischen ihr viertstärkster Einzelmarkt…Prima, nicht wahr? Die natürlichen Expansionsregionen sind für mich die Mittelmeer-Region und  Mittel- und Südamerika. Wir wachsen in der Türkei, in Israel, in Algerien. Da gibt es gute Ansätze, wir müssen aber noch viel arbeiten, um die Marke zu etablieren. Interessant sind aus Gründen der kulturellen Verbundenheit Mittel- und Südamerika und hier speziell Mexiko, Argentinien und Brasilien. Okay, Argentinien ist gerade sehr schwierig. In  Brasilien muss man für den Marktzugang auch produzieren. Bleibt Mexiko. Dort wachsen wir seit Jahren zweistellig, haben 2015 22.000 Autos verkauft. Dort haben wir eine schöne Erfolgsstory und ein sehr gutes Beispiel, wie wir die Marke internationalisieren können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gäbe es eine Chance, Seat-Modelle bei VW in Mexiko zu produzieren?
Bislang gibt es keine Pläne in dieser Richtung. Erst einmal müssen wir die Marke in Mexiko wirklich etablieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hilft es ihnen, dass sie die Marke in der neuen Struktur unabhängiger vom Konzern führen können?
Ach, wir sind doch eine Familie. Wo uns das höhere Maß an Unabhängigkeit sicherlich hilft ist, dass die Mitarbeiter stärker in die Verantwortung genommen werden und auch mehr Verantwortung haben. Wer nicht entscheidet und sich hinter einem Konzern verstecken kann, der geht auch kein Risiko ein. Wer selber entscheidet, wagt mehr. Es ist gut für das ganze Team, wenn unser Konzernchef Matthias Müller sagt: „Ok Guys, ihr macht den Job bei Seat“. Das führt zu mehr Selbstbewusstsein bei den Mitarbeitern und macht am Ende die ganze Organisation stärker.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wenn Sie gerade die VW-Familie ansprechen. Ist Seat schon Teil der Elektrifizierungsoffensive des Konzerns?
Wir waren damit in den vergangenen Jahren ziemlich zurückhaltend, weil wir die Tatsache akzeptieren müssen, dass Elektromobilität eine teure Technologie ist und nicht zur Kostenstruktur unserer Autos passt und nicht zum Budget unserer Käufer. Die Mehrkosten sind bei Marken wie Audi, Porsche und VW darstellbar, aber für uns ist das schwierig. Auf der anderen Seite ist auch durch die Dieselaffäre viel Bewegung in die Thematik gekommen. Je nachdem, was durch die Regulierungsseite kommt, durch neue Verbrauchszyklen, müssen wir unsere Planung überdenken, was den Einsatz alternativer Antriebe anbelangt. Aber hier haben wir klar den Vorteil, Teil eines technologisch sehr starken Konzerns zu sein, der es uns schnell ermöglicht auf entsprechende Lösungen zuzugreifen. Wir sind im Feld der Elektrifizierung sicher nicht in der Rolle des „First Mover“.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Als Sie im vergangenen Herbst von Matthias Müller zum CEO von Seat berufen wurden, mit welchem Auftrag sind sie nach Spanien gegangen?
Na ja, ab einer gewissen Position bekommt man keine präzise Roadmap mehr mit auf den Weg, die man dann abarbeitet. Ich denke, dass Matthias Müller und unser Aufsichtsratschef Francisco Garcia Sanz den Eindruck hatten, dass ich als Vertriebs- und Marketingmann die Marke von der jetzt erreichten guten Basis auf das nächst-höhere Level bringen kann.

AUTOMOBIL PRODUKTION: So werden Sie entweder der richtige oder der letzte Mann bei Seat sein?
Nein, das Thema, dass die Zukunft von Seat im Volkswagen Konzern in Frage gestellt wurde, ist dank der ausgezeichneten Arbeit meiner Vorgänger längst vom Tisch. Wir wachsen, die Produktion funktioniert und finanziell bewegen wir uns in Richtung der schwarzen Zahlen.

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